Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA
Pflichtengebundener Geschäftsführer II - Abschleppunternehmer
Pflichtengebundener Geschäftsführer II - Abschleppunternehmer
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Als E von der Arbeit nach Hause kommt, stellt er verärgert fest, dass ein fremdes Auto in seiner Einfahrt steht. E lässt es von Abschleppdienst A abschleppen. Wie besprochen verlangt A hierfür € 300. Später stellt sich heraus, dass das Auto dem P gehört und er es dort geparkt hatte.
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Einordnung des Falls
Pflichtengebundener Geschäftsführer II - Abschleppunternehmer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat einen Anspruch auf Zahlung der Abschleppkosten in Höhe von €300 gegen E aus § 631 Abs. 1 BGB.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Abschleppen stellt für A ein auch-fremdes Geschäft dar.
Genau, so ist das!
3. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH widerlegbar vermutet.
Ja, in der Tat!
4. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.
Ja!
5. Das Abschleppen des Autos stellt eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Genau, so ist das!
6. Es besteht ein Aufwendungsersatzanspruch des A gegen P aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
antoniasophie
10.9.2022, 17:28:38
Klasse Kapitel! 🤗
Nora Mommsen
12.9.2022, 12:37:22
Hallo Antonia, danke für das tolle Lob! Das motiviert uns mit Hochdruck neue Inhalte zu erstellen. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Jurapro
25.10.2022, 18:38:16
Ich bin auch begeistert :-) Dankeschön! Ich hab die Thematik durch die sicher widerholenden Übungen und den guten Aufbau jetzt viel besser verstanden als vorher.
patriciak25
3.2.2023, 17:18:16
Erstmal vielen Dank für das tolle Kapitel! :) ich hab eine kleine Aufbau Frage - wo würdet ihr denn diese Ansicht einbauen? Also dass der
Aufwendungsersatzanspruchverdrängt wird in solchen Konstellationen. Die lit. Verneint ja bereits den
Fremdgeschäftsführungswillen
Nora Mommsen
4.2.2023, 09:54:18
Hallo patricik25, wenn man der Literatur folgt und bereits den
Fremdgeschäftsführungswillen verneint kommt man zu der Frage natürlich mangels
Aufwendungsersatzanspruchgar nicht mehr. Richtigerweise würde man Konkurrenzfragen wie man sie von der cic kennt, zu Beginn einer Anspruchsprüfung anbringen. Vorliegend handelt es sich aber um eine klassische BGH Lösung - der BGH diskutiert die Frage am Ende des Anspruchs, mehr wie eine tatbestandliche Korrektur. Dem kann man sich gut anschließen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
CR7
31.7.2023, 17:16:11
Und E muss dann gegen P vorgehen. Was wäre hier dann die AGL? Vertraglich ist nichts zu erkennen, kommt dann auch wieder eine GoA E → P in Betracht?
Leo Lee
2.8.2023, 16:16:36
Hallo rlxxss, E hat tatsächlich keine vertraglichen Ansprüche gegen den P. Jedoch stehen ihm folgende AGLen zur Seite: I. 683 1, 670 (da der E "für" den P seine Wegfahrpflicht aus 1004, 862 durchsetzt als ein "auch-fremdes" Geschäft) II. 823 I (da der P den berechtigten Besitz des E an der Nutzung der Fläche beeinträchtigt) III. 823 II i.V.m. 858 I BGB (wobei streitig ist, ob 858 I überhaupt ein
Schutzgesetzi.S.d. 823 II darstellt). hierzu kann ich dir den sehr instruktiven Fall des BGHs vom 05.06. 2009 - V ZR 144/08 empfehlen :) Liebe Grüße Leo @Lukas Mengestu
Leo Lee
2.8.2023, 16:38:20
@[Lukas_Mengestu](136780)
Sophiechen.2002
29.12.2023, 13:06:02
warum entsprach es dem mutmaßlichen Willen des P, das Auto abschleppen zu lassen? Er hat es ja dort geparkt und wollte demnach, dass es auch dort stehenbleibt und nicht durch jemand anderen entfernt wird?
Leo Lee
30.12.2023, 15:10:28
Hallo Sophiechen.2002, in der Tat könnte man auch deine Meinung vertreten. Jedoch geht man ohne einen ausdrücklichen Willen (also wenn unser Geschäftsherr dies nicht explizit „sagt“) davon aus, dass der Bürger sich grds. rechtstreu verhalten will und auch gewollt hat, dass er die Forderung des Geschäftsführers aus §§ 862 und 1004 erfüllt. Wenn jedoch der Geschäftsherr irgendwie geartet kommuniziert hat, dass er das überhaupt nicht will, läge in der Tat ein ausdrücklicher Wille vor, weshalb wir nicht mehr mit §§ 862, 1004 argumentieren könnten :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!
Peter im Pech
28.4.2024, 20:52:57
Wie würde man dann argumentieren?
Stud. iur. Blasmusiker
17.10.2024, 10:18:07
Man könnte eine Herleitung über 679 konstruieren: danach wäre der entgegenstehe Wille unbeachtlich, wenn ein öffentliches Interesse besteht. eA lehnt das aber ab: es kann nicht im öffentlichen Interesss sein, dass sich Private zu "Verkehrs-Sherrifs" aufspielen. Vielmehr muss eine Ordnungs
behördeoder allgemeine Verwaltungs
behördeden Falschparker nach ihren Vorschriften entfernen. Private dürften nur im öffentlichen Interesse handeln, wenn erhebliche
Rechtsgütergefährdet sind. aA bejaht das öffentliche Interesse: eine Beschränkung auf erhebliche
Rechtsgüter(zB Leben, Leib, etc) lässt sich im Wortlaut nicht finden. In einem Parkverbot lässt sich ferner ein Wegfahrgebot sehen, dessen Durchsetzung im öffentlichen Interesse liegt. Außerdem kann es schon auch im öffentlichen Interesse sein, dass auch Private auf die Durchsetzung von Verkehrsregeln "pochen" - Wildparken muss ja eben verhindert werden können. Ausnahme: 679 und das öffentliche Interesse wird "woh"l immer bejaht, wenn durch das Falschparken bzw dessen Entfernung ein erhebliches Rechtsgut geschützt (Leib, Leben, wertvolle Sachen) werden
Simon
19.6.2024, 23:30:56
Also die dogmatische Lösung des BGH ist schon sehr fragwürdig und eher wenig bis gar nicht am Gesetz festgemacht. Vielmehr nimmt er hier eine reine Billigkeitskorrektur vor. Dabei gäbe es hier zwei so schöne Anknüpfungspunkte: (1) A ist nicht Geschäftsführer, sondern der E, da A nur in seinem Interesse und auf seinen "Auftrag" hin tätig wird; (2)
Fremdgeschäftsführungswilleist bei vertraglichen Verhältnissen widerlegt (man müsste ja nicht mal der hL folgen, die eine solche Vermutung ganz ablehnt!), da sonst vorrangige Vertragsbeziehungen ausgehebelt werden.