Kein Ausschluss des Widerrufsrechts nach Entfernung der Schutzfolie einer Matratze


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei Onlinehändler B eine Matratze zu privaten Zwecken. Die Matratze ist mit einer Schutzfolie versehen. K entfernt die Schutzfolie. Anschließend schreibt er B, er müsse die Matratze leider zurücksenden und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises.

Einordnung des Falls

Kein Ausschluss des Widerrufsrechts nach Entfernung der Schutzfolie einer Matratze

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann von B Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, wenn K den Kaufvertrag wirksam widerrufen hat (§§ 355, 312g BGB).

Ja, in der Tat!

Anspruchsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch des K ist § 355 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 312g, 312c BGB. Voraussetzung ist zunächst das Bestehen eines Widerrufsrechts (§§ 355 Abs. 1 S. 1, 312g Abs. 1 BGB).

2. Die Voraussetzungen des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 1 BGB liegen vor.

Ja!

Das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB setzt einen Verbrauchervertrag über eine entgeltliche Leistung voraus (§§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB). K kauft die Matratze zu privaten Zwecken und ist somit Verbraucher (§ 13 BGB), während B als Händler Unternehmer ist (§ 14 BGB). Der Onlinekauf stellt auch einen Fernabsatzvertrag dar (§ 312c BGB). K hat grundsätzlich ein Widerrufsrecht.

3. Das Widerrufsrecht ist ausgeschlossen bei Verträgen über versiegelte Waren, die bei Entfernung der Versiegelung aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind (§ 312g Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Dieser Ausschluss des Widerrufsrechts ist in § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB geregelt. EuGH: Grund für diese Ausnahme sei, dass die betreffende Ware nach einer Rücksendung für den Unternehmer endgültig nicht mehr verkaufsfähig sei (EuGH, Urteil vom 27.03.2019 - C-681/17 -, juris, RdNr. 40).

4. Zu einer für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung der Vorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ist allein der EuGH berufen, wenn es sich bei der Vorschrift um Unionsrecht handelt.

Ja, in der Tat!

BGH: Die Vorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB beruhe auf einer nahezu wortgleichen Formulierung des Art. 16 Buchstabe e. der Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie). Diese Richtlinie sei nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers vollständig umgesetzt worden (RdNr. 16). Zur verbindlichen Auslegung von Unionsrecht sei allein der Europäische Gerichtshof berufen (RdNr. 17). Daher hat der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine versiegelt gelieferte Matratze unter die Ausnahmevorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB falle. An die Auslegung des EuGH seien die nationalen Gerichte gebunden (RdNr. 21).

5. Das Widerrufsrecht des K ist ausgeschlossen, weil die in Schutzfolie verpackte Matratze unter die Vorschrift des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB fällt.

Nein!

EuGH: Eine Matratze falle nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 16 Buchstabe e. der Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechterichtlinie) (=§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB). Sie könne, wie beispielsweise Kleidung, auch nach Kontakt mit dem menschlichen Körper noch verwendet werden. Es bestehe die Möglichkeit, Matratzen so zu reinigen und zu desinfizieren, dass sie für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet seien. Den Erfordernissen der Hygiene werde so genügt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass es einen Markt für gebrauchte Matratzen gebe; außerdem diene dieselbe Matratze aufeinanderfolgenden Hotelgästen (EuGH, Urteil vom 27.03.2019 - C-681/17 -, juris, RdNr. 42ff.)

6. K hat wirksam den Widerruf erklärt, indem er B sagte: „Ich muss die Matratze leider an Sie zurücksenden.“

Genau, so ist das!

Der Widerruf wird durch eine Erklärung des Verbrauchers an den Unternehmer erklärt, aus der der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf eindeutig hervorgehen muss (§ 355 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). BGH: Allerdings dürften an die Annahme eines Widerrufswillens keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Der Widerruf müsse nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Die Erklärung, die Ware leider zurücksenden zu müssen, reiche aus, wenn ein weiterer Anlass zur Rücksendung - etwa eine Mängelrüge - nicht ersichtlich sei (RdNr. 26f.).

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