Nötigung gegenüber Amtsträgern

11. April 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T droht bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle des Polizisten O diesem den Tod an für den Fall, dass dieser ihn in Zukunft noch einmal "herauswinke". Aus Angst vor den Konsequenzen ignoriert O den T bei künftigen Kontrollen.

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Einordnung des Falls

Nötigung gegenüber Amtsträgern

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn T "einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt", verwirklicht er den objektiven Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Geschütztes Rechtsgut ist nach h.M. die persönliche Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung. Der objektive Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) setzt voraus (1) Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel), (2) Nötigungserfolg (Handlung, Duldung oder Unterlassung) und (3) nötigungsspezifischer Zusammenhang zwischen (1) und (2). Die Vorschrift differenziert insoweit nicht zwischen verschiedenen Personen, sodass auch ein Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) Adressat einer Nötigung sein kann.
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2. T hat O zu einem Unterlassen genötigt (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Die Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ist ein Erfolgsdelikt. Der Täter muss ein Opferverhalten, das in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen kann, herbeigeführt haben (Nötigungserfolg). Das Unterlassen ist die Nichtvornahme einer konkreten Handlung. Handlung meint dabei ein positives Tun. T hat O mit dem Tod und damit mit körperlicher Krafteinwirkung auf O, also mit Gewalt gedroht. Die Drohung gegenüber O bewirkt ein zukünftiges Unterlassen, nämlich dass O den T bei künftigen Kontrollen nicht mehr anhalten wird. Der tatbestandliche Erfolg der Nötigung ist folglich eingetreten.

3. T hat gerade mit der eingesetzten Drohung das Unterlassen des O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).

Genau, so ist das!

Zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen, d.h. das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. Es finden die allgemeinen Regeln der objektiven Zurechnung Anwendung. Der Zusammenhang fehlt, wenn das Opfer auf eigenen Entschluss oder fremden Rat dem Verlangen des Täters nachgibt. O handelt gerade und nur aufgrund der Nötigung nicht bei zukünftigen Kontrollen. Der nötigungsspezifische Zusammenhang Nötigungsmittel/Nötigungshandlung und Nötigungserfolg liegt damit vor.

4. Die Nötigungshandlung des T ist als verwerflich anzusehen (§ 240 Abs. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Verwerflich ist eine Verhaltensweise, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist, d.h. von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich, als strafwürdiges Unrecht empfunden wird. Sowohl das Nötigungsmittel des Androhens des Todes als schwerste Folge körperlicher Gewalt, als auch der Nötigungszweck, legalen allgemeinen Verkehrskontrollen entgehen zu wollen, sind sozialethisch missbilligenswert. Auch in der Gesamtschau ist die Tat des T damit als verwerflich anzusehen. In Betracht kommt auch der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB), der nach h.M. gegenüber der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) spezieller ist. An diesen Tatbestand musst Du bei Anwesenheit von Beamten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) stets denken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

L.G

L.Goldstyn

31.7.2024, 13:11:02

Aus meiner Sicht fehlt es in diesem Fall bereits an einer

Drohung

mit einem empfindlichen Übel, denn von einem Polizisten kann gerade erwartet werden, dass er der An

drohung

von Schlägen bei zukünftigen Kontrollen mit besonnener Selbstbehauptung standhält.

PAT

Patrick4219

1.8.2024, 17:33:23

Habe mir gerade genau die gleiche Frage gestellt. Finde leider die ganze Einheit zur

Nötigung

nicht so gut gelungen wie andere Einheiten z.B. zum Betrug. Hier wird das Ergebnis nach meinem Empfinden immer nur kurz festgestellt ohne vernünftig zu subsumieren.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

25.11.2024, 14:15:28

Hallo @[L.Goldstyn](251555), hallo @[Patrick4219](231635), vielen Dank für Eure Hinweise. Ich verweise zunächst mal auf meine Antwort an L.Goldstyn in einem anderen Thread, in dem es um die weitestgehend identische Frage ging: https://applink.jurafuchs.de/cguhek4hOOb. Im Unterschied dazu ging es hier "nur" um Schläge, das haben wir schon mal zu einer deutlich drastischeren Todes

drohung

geändert. Und Deine Kritik, Patrick4219, nehmen wir durchaus Ernst und ich verstehe denke ich, was Dich hier stört. Wir werden uns diese Einheit noch einmal näher anschauen und überlegen, ob wir gerade die Subsumtion hier noch ergänzen müssen. Edit 12/2024: Die Subsumtionen in der Aufgabe haben wir jetzt zu Lernzwecken noch etwas präzisiert. Es handelt sich allerdings auch um einen so eindeutigen Fall, dass längere Ausführungen in einer Prüfungsaufgabe hier kaum den Schwerpunkt treffen würden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Vincent

Vincent

15.1.2025, 12:29:35

Zu welchem Ergebnis seid ihr denn gekommen ? Ich bin da bei meinen Vorrednern. Erstens könnte der Polizist diese

Drohung

strafrechtlich ohne weiteres verfolgen lassen und hat im Unterschied zu einem Leien auch das Wissen dazu. Des Weiteren könnte er den Täter relativ gefahrlos erneut kontrollieren, dies muss er ja nicht alleine tun.


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