Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Nötigung gegenüber Amtsträgern bei rechtswidriger Amtsandlung

Nötigung gegenüber Amtsträgern bei rechtswidriger Amtsandlung

16. April 2025

7 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte, dass Nachbar N seinen Job durch wiederholtes Zu-spät-Kommen verliert. Dazu droht er dem Verkehrspolizisten O mit Gewalt, sollte dieser den N nicht regelmäßig grundlos auf dem Arbeitsweg rauswinken und "zeitintensiv" kontrollieren. Aus Angst um seine Gesundheit befolgt O die Anweisungen des T.

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Einordnung des Falls

Nötigung gegenüber Amtsträgern bei rechtswidriger Amtsandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn T "einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt", verwirklicht er den objektiven Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Geschütztes Rechtsgut ist nach h.M. die persönliche Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung. Der objektive Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) setzt voraus (1) Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel), (2) Nötigungserfolg (Handlung, Duldung oder Unterlassung) und (3) nötigungsspezifischer Zusammenhang zwischen (1) und (2). Die Vorschrift differenziert insoweit nicht zwischen verschiedenen Personen, sodass auch ein Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB) Adressat einer Nötigung sein kann.
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2. Der Nötigungserfolg (§ 240 Abs. 1 StGB) ist in Form einer Handlung eingetreten.

Genau, so ist das!

Die Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) ist ein Erfolgsdelikt. Der Täter muss ein Opferverhalten, das in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung liegen kann, herbeigeführt haben (Nötigungserfolg). Die Handlung meint ein positives Tun. O kontrolliert den N wiederholt ohne Anlass. Ein Nötigungserfolg liegt damit vor.

3. T hat gerade mit der eingesetzten Drohung das Handeln des O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).

Ja, in der Tat!

Zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen, d.h. das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. Es finden die allgemeinen Regeln der objektiven Zurechnung Anwendung. Der Zusammenhang fehlt, wenn das Opfer auf eigenen Entschluss oder fremden Rat dem Verlangen des Täters nachgibt. O handelt allein aufgrund der vonseiten des T angedrohten Gewalt und kontrolliert N allein dshalb mehrfach und anlasslos. Der nötigungsspezifische Zusammenhang liegt damit vor.

4. Die Tat des T ist als verwerflich anzusehen (§ 240 Abs. 2 StGB).

Ja!

Verwerflich ist eine Verhaltensweise, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist, d.h. von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich, als strafwürdiges Unrecht empfunden wird. Schon die in Aussicht gestellte Gewalt als Nötigungsmittel ist sozialethisch missbilligenswert. Gleiches gilt auch für den verfolgten Nötigungszweck, dass N grundlos und wiederholt in Verkehrskontrollen gerät, dadurch ungleich behandelt wird und letztlich aufgrund des Zuspätkommens sogar seinen Job verlieren soll. Auch in der Gesamtschau ist die Tat des T damit als verwerflich anzusehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

L.G

L.Goldstyn

31.7.2024, 13:14:52

Wie im vorherigen Fall fehlt es aus meiner Sicht auch in diesem Fall bereits an einer

Drohung mit einem empfindlichen Übel

, denn von einem Polizisten kann gerade erwartet werden, dass er der An

drohung

mit besonnener Selbstbehauptung standhält.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

25.11.2024, 11:21:31

Hallo @[L.Goldstyn](251555), Du hast insofern völlig Recht, als das Kriterium der "besonnenen Selbstbehauptung" von der hM iRd § 240 I StGB herangezogen wird. Man wird das für einen Polizeibeamten durchaus diskutieren und dahingehend argumentieren können, dass er ggf bestimmte Verhaltensweisen als "Berufsrisiko" hinzunehmen hat (MüKoStGB/Sinn, 4. Aufl 2021, § 240 Rn 82). Nun ist unsere Aufgabe hinsichtlich des

Nötigung

smittels sehr allgemein gehalten, weil wir darauf an dieser Stelle gar nicht näher eingehen wollten. Ich halte unsere Darstellung aber unabhängig davon iE für vertretbar. Erstens handelt es sich hier nicht um eine beliebige

Drohung

, sondern immerhin um eine gezielte

Drohung

mit Gewalt, was uns tendenziell eher zu einer strafrechtlich relevanten

Drohung

führt als eine

Drohung

mit "

sozialadäquat

eren" Verhaltensweisen. Zweitens soll es für die Frage der "Besonnenheit" entscheidend auf den Opferhorizont ankommen, auf die Individualität des Bedrohten (MüKoStGB/Sinn, 4. Aufl 2021, § 240 Rn 77 mwN). Über O wissen wir an dieser Stelle allerdings nichts Näheres. Unklar ist auch, mit welcher Gewalt T konkret droht und ob sie durch T selbst erfolgen soll oder durch Dritte, zB eine Gruppe gewalttätiger Bekannter aus dem kriminellen Milieu. Allein auf den Beruf des O abzustellen, halte ich jedenfalls für zu pauschal. Für falsch halte ich unsere Darstellung jedenfalls nicht. Sollte es auf diese Frage in einer Klausur einmal ankommen, würdet Ihr dazu sicher mehr Abwägungsmaterial in der Aufgabe finden. In der Aufgabe davor war das in der Tat weniger eindeutig, weil es "nur" um angedrohte Schläge ging. Wir haben den Sachverhalt jetzt dahingehend angepasst, dass es sich dort zumindest um eine deutlich heftigere

Drohung

handelt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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