+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K ist Mitglied der Freiburger „Ultra-Szene“ und bei Spielen des SC Freiburg gewalttätig geworden. Strafrechtlich wurde er noch nicht verurteilt. Die Polizeibehörde erlässt ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot für das Stadionumfeld an Heimspieltagen. K hält dies für rechtswidrig.

Einordnung des Falls

Aufenthaltsverbot für Hooligan

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Polizeibehörde kann ihr Aufenthaltsverbot auf der Grundlage von Mutmaßungen treffen, dass jemand eine Straftat in einem bestimmten Gebiet begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird.

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Spezialermächtigungen zum Erlass von Aufenthaltsverboten setzen alle voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Adressat im Verfügungsgebiet eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Dies setzt nachprüfbare, dem Beweis zugängliche Geschehnisse voraus, aus denen auf die bevorstehende Begehung von Straftaten gerade durch die betreffende Person geschlossen werden kann. Auch Indiztatsachen, die für sich allein oder in einer Gesamtheit mit anderen Indizien auf das Vorliegen einer anderen Tatsache schließen lassen, können die Prognose künftiger Straftaten rechtfertigen.

2. Die Zugehörigkeit von K zu einer als gewaltbereit bekannten Gruppe ist eine Tatsache, die die Polizei ihrer Gefahrenprognose zum Erlass des Aufenthaltsverbots zugrunde legen kann.

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Ja!

Bei der Gefahrenprognose ist stets eine umfassende Würdigung des Einzelfalls erforderlich. Dabei lassen sich sowohl eigene Tatbeiträge als auch die psychische Unterstützung von (Gewalt-)Taten Dritter berücksichtigen. VGH: „Denn der gewaltbereite Kern der Hooliganszene benötigt ein unterstützendes Umfeld, aus dem heraus – mit einer geringen Gefahr der individuellen Identifizierung – agiert werden kann.“ Bei alledem kommt den Erkenntnissen der szenekundigen Beamten der Polizei ein besonderes Gewicht zu.

3. Für eine vollständige Gefahrenprognose muss die Polizei die strafrechtlichen Entscheidungen über die bisherigen Gewalttaten abwarten und ihren Verfügungen zugrunde legen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die strafrechtliche und die gefahrenabwehrrechtliche Bewertung sind wegen ihrer unterschiedlichen Zielrichtung (Strafrecht = repressiv, Gefahrenabwehrrecht = präventiv) und ihrer unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen voneinander zu trennen. Die strafrechtliche Bewertung kann in die gefahrenabwehrrechtliche Bewertung einfließen, sie ist aber nicht allein maßgeblich für das Ergebnis.

4. Aufenthaltsverbote sind zeitlich stets zu beschränken.

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Ja, in der Tat!

Nach den Landespolizeigesetzen ist die Dauer der Aufenthaltsgebote auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken (vgl. § 30 Abs. 2 S. 2 PolG B-W). Dadurch soll die Verhältnismäßigkeit des eingriffsintensiven Aufenthaltsverbots gewährleistet werden. Teilweise beschränken die Landespolizeigesetze die Dauer der Aufenthaltsverbote auf einen maximalen Verfügungszeitraum (so § 30 Abs. 2 S. 3 PolG B-W auf 3 Monate).

5. Aufenthaltsverbote können auf die Generalklauseln der Landespolizeigesetze gestützt werden.

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Nein!

Die Polizeigesetze aller Bundesländer enthalten Spezialermächtigungen zum Erlass von Aufenthaltsverboten. Sie sperren einen Rückgriff auf die Generalklausel. Hier stützt sich das Aufenthaltsverbot auf § 30 Abs. 2 PolG B-W. Für das BPolG, welches keine Spezialermächtigung enthält, werden Aufenthaltsgebote entweder auf die Regelung über den Platzverweis oder die Generalklausel gestützt. Ob dies den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) genügt, ist umstritten und bislang ungeklärt, angesichts des intensiven Eingriffs in die Rechte aus Art. 11 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG jedoch zweifelhaft.

6. Nach Ablauf des Verfügungszeitraums kann die Polizei auf Grundlage der bisherigen Gefahrenprognose ein neues Verbot erlassen.

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Nein!

Die zeitliche Beschränkung schließt nicht aus, dass die Polizei nach Ablauf des Verfügungszeitraums ein neues Aufenthaltsverbot ausspricht. Dessen Erlass setzt jedoch stets voraus, dass die neue Entscheidung auf Grundlage einer neuen, aktualisierten Gefahrenprognose getroffen wird. Andernfalls wäre die zeitliche Beschränkung faktisch wertlos. Dies ist teilweise auch in den Landespolizeigesetzen normiert (so in § 30 Abs. 2 S. 4 PolG B-W).

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