§ 816 Abs. 2 BGB Grundfall

5. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S schließt mit A einen Kaufvertrag über einen Kühlschrank für €700. Den Kaufpreis soll S später begleichen. Die Kaufpreisforderung tritt A aber an N ab. In Unkenntnis der Abtretung leistet S an den alten Gläubiger A statt an den neuen Gläubiger N. Muss A die €700 herausgeben?

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Einordnung des Falls

§ 816 Abs. 2 BGB Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N hat gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der €700 aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass jemand etwas auf Kosten des Gläubigers durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt hat. S wusste nichts von der Abtretung und wollte in Erfüllung seiner Kaufpreisverbindlichkeit an A befreiend leisten. Es liegt somit hier eine bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (Leistung) vor. Nach § 407 Abs. 1 BGB hat der Schuldner auch die Möglichkeit, an den alten Gläubiger befreiend zu leisten, wenn der Schuldner nichts von der Abtretung weiß. Dies ist hier der Fall. Ein Herausgabeanspruch des N gegen A scheitert somit, da A die €700 nicht durch Leistung des N, sondern von S erlangt hat.
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2. Es besteht jedoch ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Tatbestand des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB oder des § 816 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht einschlägig. Ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 kommt nicht in Betracht.

3. N könnte einen Anspruch auf Herausgabe der €700 aus § 816 Abs. 2 BGB zustehen.

Ja!

Der Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass eine (1) Leistung des Schuldners (2) an einen Nichtberechtigten vorliegt. Diese Leistung muss (3) gegenüber dem Berechtigten wirksam sein.

4. Es liegt eine Leistung des N an A vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Eine Leistung des N an A kommt nicht in Betracht. Stattdessen liegt eine Leistung des S an A im Rahmen der Erfüllung der Kaufpreisverbindlichkeit vor (s.o.).

5. Leistungsempfänger A war zum Empfang der Leistung berechtigt (§ 407 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

§ 407 Abs. 1 BGB gibt dem Schuldner bei einer Abtretung die Möglichkeit, befreiend an den alten Gläubiger (Zedent) zu leisten. Die Leistungspflicht des Schuldners erlischt dadurch. Die Vorschrift sagt aber nicht, dass der Zedent dann der berechtigte Leistungsempfänger ist. Berechtigter ist vielmehr nun der neue Gläubiger (Zessionar). Das ist gerade die Wirkung der Abtretung. Schuldner S hat an A geleistet. A als alter Gläubiger (Zedent) war aber nicht zum Empfang der Leistung berechtigt. Dies war vielmehr der neue Gläubiger (Zessionar) N.

6. Die Leistung des Schuldners an den Nichtberechtigten ist wirksam gegenüber dem Berechtigten.

Ja!

§ 407 Abs. 1 BGB gibt dem Schuldner bei einer Abtretung die Möglichkeit, befreiend an den alten Gläubiger (Zedent) zu leisten. Das bedeutet, dass der Zessionar gerade nicht das Recht hat, von dem Schuldner erneute Leistung zu verlangen. S hat befreiend an A geleistet. Das bedeutet, dass N gerade nicht erneute Leistung von S verlangen kann. Die Leistung des S an A ist wirksam.

7. N hat einen Anspruch auf Herausgabe der €700 gegen A aus § 816 Abs. 2 BGB.

Genau, so ist das!

Die Rechtsfolge des § 816 Abs. 2 BGB ist, dass der nichtberechtigte Empfänger das Empfangene an den Berechtigten herauszugeben hat. A hat somit die €700 an N herauszugeben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ri

ri

8.1.2022, 16:14:52

Ich glaube in der ersten Frage ist ein Typo: es muss heißen: "Hat N gegen A.." In der Antwort zu ersten Frage steht nämlich: "Anspruch scheitert, da A die 700 Euro durch Leistung des S erlangt hat" Aber eine Lesitungskondiktion des S (nach der gefragt ist) setzt doch gerade eine Leistung voraus. Scheitert der Anspruch nicht eher wegen KV (Rechtsgrund).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.1.2022, 17:33:05

Danke Ri, in der Tat sollte es hier um N gehen. Wir haben das korrigiert. S selbst könnte hier durchaus einen Anspruch aus Leistungskondiktion geltend machen, denn für die geleistete Zahlung besteht nach der Abtretung an und für sich kein Rechtsgrund mehr. Es steht S insoweit frei, ob er kondizieren will um dann an N nochmal zu zahlen oder ob er sich gegenüber N auf den Schutz des §

407 BGB

beruft (vgl. Roth/Kleninger, in: MüKo-BGB, 8.A. 2019, § 407 RdNr. 10). Interessant könnte die Kondiktion insbesondere dann sein, wenn S gegen N selbst noch eine Forderung zusteht und er dann einfach die Aufrechnung erklärt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Klima-Kleber

Klima-Kleber

30.5.2023, 17:46:25

Schade, dass kein Schema zu § 816 II BGB hinterlegt ist!

Nora Mommsen

Nora Mommsen

31.5.2023, 10:44:49

Hallo Klima-Kleber, danke für die Anregung! Das nehmen wir direkt mit auf unsere To-Do Liste und ergänzen das Kapitel um ein entsprechendes Schema. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SH

Shilaw

9.9.2023, 00:03:20

Wieso ist § 816 I 2 nicht einschlägig?

Paulah

Paulah

10.9.2023, 11:35:55

In § 816 I geht es um die Verfügung über einen Gegenstand, in § 816 II um eine Leistung


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