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T führt ihren von der Straße geretteten und aufgepäppelten Hund Scotty aus. Plötzlich wird er von Zuzu, der mehrfach prämierten und wertvollen Zuchtschäferhündin des E, angegriffen. T kann den Angriff auf Scotty nur abwehren, indem sie Zuzu mit einem herumliegenden Ast erschlägt.

Einordnung des Falls

Defensiver Notstand, § 228 BGB – 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn T die Hündin zerstört hat, um eine durch sie drohende Gefahr von sich abzuwenden, ist ihr Handeln gerechtfertigt, wenn die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht (§ 228 BGB).

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Ja!

In objektiver Hinsicht verlangt § 228 BGB eine (1) Notstandslage, eine (2) Notstandshandlung und eine (3) Interessenabwägung. Außerdem muss der Täter in subjektiver Hinsicht mit (4) Verteidigungsabsicht (subjektives Rechtfertigungselement) handeln. § 228 BGB wird als defensiver Notstand bezeichnet, da der Täter hier in defensiver Weise eine Sache beschädigt oder zerstört, von der eine Gefahr droht. Dagegen wird § 904 BGB als aggressiver Notstand bezeichnet, da der Täter hier in aggressiver Weise auf eine Sache einwirkt, von der selbst gar keine Gefahr ausgeht.

2. Als T mit dem Ast geschlagen hat, befand sie sich in einer Notstandslage (§ 228 BGB).

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Genau, so ist das!

Eine Notstandslage (§ 228 BGB) liegt vor, wenn von einer Sache eine Gefahr für ein Rechtsgut droht. Eine Gefahr ist ein Zustand, der bei ungehindertem Fortgang den Eintritt eines Schadens für ein notstandsfähiges Rechtsgut ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Die Zuchtschäferhündin Zuzu hatte Scotty angegriffen. Es war zu befürchten, dass Zuzu nun auch zubeißen und das Eigentum der T beschädigen würde.

3. Das Erschlagen von Zuzu ist eine taugliche Notstandshandlung (§ 228 BGB).

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Ja, in der Tat!

Eine Notstandshandlung (§ 228 BGB) ist die Beschädigung oder Zerstörung der gefährlichen Sache, die erforderlich ist. Erforderlich ist die Handlung, wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Geeignet ist eine Handlung, wenn sie dazu förderlich ist, die Gefahr abzuwehren. Das mildeste Mittel setzt voraus, dass bei gleicher Eignung ein Mittel gewählt wurde, dass per se milder ist als die anderen zur Verfügung stehenden Mittel. Die Zerstörung des Hundes mit dem Ast hat die Gefahr durch den Hund abgewehrt. Ein anderes Mittel zur Abwehr der Gefahr war nicht ersichtlich.

4. Die Interessenabwägung fällt zugunsten der T aus (§ 228 BGB).

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Ja!

Bei der Interessenabwägung darf der Schaden an der gefährlichen Sache nicht außer Verhältnis zu der drohenden Gefahr stehen. Zwar wird Zuzu objektiv betrachtet wohl wertvoller sein. Jedoch hat die T den Scotty als Straßenhund aufgenommen und eine intensive Beziehung zu ihm aufgebaut. Der Schaden an der gefährlichen Sache (Zuzu) steht daher nicht außer Verhältnis zu der drohenden Gefahr für Scotty.

5. T handelte mit Verteidigungsabsicht (subjektives Rechtfertigungselement).

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Genau, so ist das!

Aus dem Wortlaut von § 228 S. 1 BGB („um“ … abzuwenden) ergibt sich, dass der Verteidiger einen Verteidigungswillen, d.h. eine zielgerichtete Verteidigungsabsicht haben muss. T wollte ihren Hund Scotty gegen die Hündin Zuzu verteidigen.

6. T trifft eine Schadensersatzpflicht für den zerstörten Hund.

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Schadensersatzpflicht trifft den Notstandstäter nur, wenn er die Gefahr verschuldet hat (§ 228 S. 2 BGB). Im Umkehrschluss besteht keine Schadensersatzpflicht, wenn der Täter die Gefahr nicht verschuldet hat. Zuzu hat Scotty angegriffen. T trifft keine Schuld.

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