Defensiver Notstand, § 228 BGB – 2
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T führt ihren von der Straße geretteten und aufgepäppelten Hund Scotty aus. Plötzlich wird er von Zuzu, der mehrfach prämierten und wertvollen Zuchtschäferhündin des E, angegriffen. T kann den Angriff auf Scotty nur abwehren, indem sie Zuzu mit einem herumliegenden Ast erschlägt.
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Einordnung des Falls
Defensiver Notstand, § 228 BGB – 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn T die Hündin zerstört hat, um eine durch sie drohende Gefahr von sich abzuwenden, ist ihr Handeln gerechtfertigt, wenn die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht (§ 228 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Als T mit dem Ast geschlagen hat, befand sie sich in einer Notstandslage (§ 228 BGB).
Genau, so ist das!
3. Das Erschlagen von Zuzu ist eine taugliche Notstandshandlung (§ 228 BGB).
Ja, in der Tat!
4. Die Interessenabwägung fällt zugunsten der T aus (§ 228 BGB).
Ja!
5. T handelte mit Verteidigungsabsicht (subjektives Rechtfertigungselement).
Genau, so ist das!
6. T trifft eine Schadensersatzpflicht für den zerstörten Hund.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
20.4.2023, 09:16:47
Liebes Jurafuchs-Team, ihr führt in der Interessenabwägung aus, dass T eine intensive Bindung zu ihrem Hund aufgebaut habe. Inwiefern sind derartige emotionale Bindungen überhaupt rechtlich relevant? Können sie nicht allenfalls über den Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (das Halten des Hundes als Ausdruck der Entfaltung der Persönlichkeit) oder die körperliche Unversehrtheit (Schutz vor psychischen, auch körperlich wirkenden Schäden, die durch den Verlust des Haustieres entstehen) von Bedeutung sein?
Nora Mommsen
20.4.2023, 12:57:20
Hallo QuiGonTim, danke dir für deine Frage. Auch wenn im Zivilrecht bei der Schadensberechnung ideele Interessen weitestgehend außen vor bleiben müssen, finden sie Einzug in die Interessenabwägung im Rahmen des § 2
28 StGB. Dort sind auch die ideelen Interessen wie die Verbundenheit mit einem Tier zu berücksichtigen. (Vgl. auch NJW-RR 1989, 541; Ernst, ZJS 2011, 264 ff.). Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
objektivezurechnung
6.10.2023, 19:53:11
Ist die Interessenabwägung bei
§ 228 BGBobjektiv ex ante oder ex post vorzunehmen? Für T und einen objektiven Beobachter war der Wert des anderen Hundes ex ante nicht erkennbar, oder?
G0d0fMischief
12.9.2024, 11:11:08
Hätte man aufgrund der von beiden Tieren ausgehenden Tiergefahr diskutieren können, ob ihm vorliegenden Fall eine Schadensersatzpflicht trotz fehlenden Verschuldens angenommen werden kann? Das Problem ist natürlich eher wenig klausurrelevant, könnte jedoch in einer Zivilrechtsklausur auftreten.
as.mzkw
13.10.2024, 18:09:58
Absolut, ich denke du ziehst auf § 833 S. 1 BGB ab. Im Rahmen dessen muss sich auch der Geschädigte im Rahmen des Mitverschuldens analog § 254 BGB die eigene Tiergefahr anrechnen lassen.
G0d0fMischief
13.10.2024, 18:24:47
Super danke dir! :)
QuiGonTim
29.10.2024, 21:31:14
Liebes Jurafuchs-Team, ihr habt im Rahmen der zivilrechtlichen Notstände als strafrechtlich relevante Rechtfertigungsgründe mehrfach die Schadenersatzpflicht erwähnt. Nur nochmal zur Klarstellung: In einer Strafrechtsklausur wären derartige Ausführungen völlig deplatziert, oder?
F. Rosenberg 🦅
3.11.2024, 11:32:51
Ja. Wir prüfen schließlich in einer Strafrechtsklausur keine SE-Ansprüche, sondern die Strafbarkeit des Verhaltens von Personen.
Sebastian Schmitt
5.11.2024, 09:14:37
Hallo @[QuiGonTim](133054), Du hast insofern völlig Recht, als in Strafrechtsklausuren üblicherweise nicht nach Schadensersatz, sondern nach der Strafbarkeit des Verhaltens von Personen gefragt ist, wie auch @[F. Rosenberg 🦅](206066) richtig sagt (für 2. Examen/Praxis verweise ich aber mal auf die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens, §§ 403 ff StPO). Dementsprechend wird es auf die Frage des Schadensersatzes dort kaum einmal ankommen. Das heißt allerdings nicht, dass zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe, darunter
§ 228 BGB, nicht auch im StrafR einmal eine Rolle spielen können. Die Einheit der Rechtsordnung gebietet jedenfalls, dass grds zivilrechtlich erlaubte (weil gerechtfertigte) Handlungen nicht strafrechtlich sanktioniert werden (vgl schon BGH NJW 1958, 799 zum Züchtigungsrecht des L
ehrers). Das genaue Verhältnis zwischen den strafrechtlichen und den zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründen ist nicht immer offensichtlich und hängt sehr vom konkreten Fall und der in Frage stehenden Handlung/Straftat ab (näher zB Staudinger/Repgen, BGB, Neubearb 2019, § 228 Rn 3 ff). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
F. Rosenberg 🦅
3.11.2024, 11:38:22
In der Aufgabe wurde unter Notstandslage nur die „Gefahr“ definiert. Der Wortlaut des § 228 S. 1 BGB spricht aber von „drohender Gefahr“. Was ist damit gemeint? Gegenwärtige Gefahr?