+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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T geht im Stadtpark spazieren. Zu spät bemerkt er Fluffy, den Rottweiler des E, der sich losgerissen hat und mit gefletschten Zähnen auf T zustürmt. Er reißt T nieder und sie landen neben einem „Steinbeet“. T bekommt einen faustgroßen Stein zu fassen, womit er Fluffy erschlägt.

Einordnung des Falls

Defensiver Notstand, Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Hund des E ist eine für T fremde Sache (§ 303 StGB).

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Genau, so ist das!

Taugliche Tatobjekte der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) sind fremde Sachen. Darunter fallen alle körperlichen Gegenstände, beweglich oder unbeweglich. Auch Tiere unterliegen dem strafrechtlichen Sachbegriff und stellen taugliche Tatobjekte dar. § 90a S. 1 BGB ("Tiere sind keine Sachen.") steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die Sache äußerlich abgrenzbar ist und Eigentum an ihr bestehen kann. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht oder herrenlos ist. Der Hund gehört dem E und stellt demnach eine für T fremde Sache im Sinne des § 303 StGB dar.

2. T hat durch den Schlag mit dem Stein den Hund zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Eine Handlungsmodalität der Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) ist das zerstören. Eine Sache ist zerstört, wenn sie auf Grund der Einwirkung in ihrer Existenz vernichtet oder so wesentlich beschädigt ist, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat. Der Schlag mit dem Stein führte zum Tod des Hundes. Dieser wurde in seiner Existenz vernichtet, mithin zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB).

3. Wenn T den Hund zerstört hat, um eine durch ihn drohende Gefahr von sich abzuwenden, ist sein Handeln gerechtfertigt, wenn die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht (§ 228 BGB).

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Ja!

In objektiver Hinsicht verlangt § 228 BGB eine (1) Notstandslage und eine (2) Notstandshandlung. Außerdem muss der Täter in subjektiver Hinsicht mit (3) Verteidigungsabsicht (subjektives Rechtfertigungselement) handeln. § 228 BGB wird als defensiver Notstand bezeichnet, da der Täter hier in defensiver Weise eine Sache beschädigt oder zerstört, von der eine Gefahr droht. Dagegen wird § 904 BGB als aggressiver Notstand bezeichnet, da der Täter hier in aggressiver Weise auf eine Sache einwirkt, von der selbst gar keine Gefahr ausgeht.

4. Als T mit dem Stein geschlagen hat, befand er sich in einer Notstandslage (§ 228 BGB).

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Genau, so ist das!

Eine Notstandslage (§ 228 BGB) liegt vor, wenn von einer Sache eine Gefahr für ein Rechtsgut droht. Eine Gefahr ist ein Zustand, der bei ungehindertem Fortgang den Eintritt eines Schadens für ein notstandsfähiges Rechtsgut ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen getroffen werden. Eine Gefahr droht bereits dann, wenn nach den tatsächlichen Umständen der Eintritt eines Schadens nahe liegt. Der Rottweiler hatte die Zähne gefletscht, war auf den T zugestürmt und hatte diesen zu Boden gerissen. Es war zu befürchten, dass der Hund nun auch zubeißen und jedenfalls die körperliche Unversehrtheit des T beschädigen würde.

5. Im Rahmen von § 228 BGB ist die Zerstörung oder Beschädigung einer Sache, welche erforderlich und verhältnismäßig ist, taugliche Notstandshandlung.

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Ja, in der Tat!

Eine Notstandshandlung (§ 228 BGB) ist die Beschädigung oder Zerstörung der gefährlichen Sache, die erforderlich und nicht unverhältnismäßig ist. Erforderlich ist die Handlung, wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Verhältnismäßig ist sie, wenn bei der Interessenabwägung der Schaden an der gefährlichen Sache nicht außer Verhältnis zu der drohenden Gefahr steht.

6. Das Erschlagen des Hundes mit dem Stein ist erforderlich (§ 228 BGB).

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Ja!

Erforderlich ist die Notstandshandlung (§ 228 BGB), wenn sie geeignet ist und das relativ mildeste Mittel darstellt. Geeignet ist eine Handlung, wenn sie dazu förderlich ist, die Gefahr abzuwehren. Das mildeste Mittel setzt voraus, dass bei gleicher Eignung ein Mittel gewählt wurde, dass per se milder ist als die anderen zur Verfügung stehenden Mittel. Die Zerstörung des Hundes mit dem Stein hat die Gefahr durch den Hund abgewehrt. Es wäre zwar grundsätzlich ein milderes Mittel gewesen, vor dem Hund wegzulaufen. Allerdings lag T am Boden. Ein anderes Mittel zur Abwehr der Gefahr war demnach nicht ersichtlich.

7. Das Erschlagen des Hundes mit dem Stein ist verhältnismäßig (§ 228 BGB).

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Genau, so ist das!

Verhältnismäßig ist die Notstandshandlung, wenn bei einer Interessenabwägung der Schaden an der gefährlichen Sache nicht außer Verhältnis zu der drohenden Gefahr steht. Die Zerstörung des gefährlichen Hundes steht zu der körperlichen Unversehrtheit T’s nicht außer Verhältnis.

8. T handelte mit Verteidigungsabsicht (subjektives Rechtfertigungselement).

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Ja, in der Tat!

Aus dem Wortlaut von § 228 S. 1 BGB („um“ … abzuwenden) ergibt sich, dass der Verteidiger einen Verteidigungswillen, d.h. eine zielgerichtete Verteidigungsabsicht haben muss. T wollte sich gegen den Hund Fluffy verteidigen.

9. T trifft eine Schadensersatzpflicht für den zerstörten Hund.

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Nein!

Eine Schadensersatzpflicht trifft den Notstandstäter nur, wenn er die Gefahr verschuldet hat (§ 228 S. 2 BGB). Im Umkehrschluss besteht keine Schadensersatzpflicht, wenn der Täter die Gefahr nicht verschuldet hat. Der Hund hat sich losgerissen und reißt T nieder. T trifft keine Schuld. Die Rechtfertigungswirkung von § 228 S. 1 BGB bleibt von einer eventuell bestehenden Schadensersatzpflicht (§ 228 S. 2 BGB) nach h.M. unberührt.

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