Defensiver Notstand, Grundfall
2. April 2025
15 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T geht im Stadtpark spazieren. Zu spät bemerkt er Fluffy, den Rottweiler des E, der sich losgerissen hat und mit gefletschten Zähnen auf T zustürmt. Er reißt T nieder und sie landen neben einem „Steinbeet“. T bekommt einen faustgroßen Stein zu fassen, womit er Fluffy erschlägt.
Diesen Fall lösen 95,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Defensiver Notstand, Grundfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Hund des E ist eine für T fremde Sache (§ 303 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat durch den Schlag mit dem Stein den Hund zerstört (§ 303 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. Wenn T den Hund zerstört hat, um eine durch ihn drohende Gefahr von sich abzuwenden, ist sein Handeln gerechtfertigt, wenn die Zerstörung zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist und der Schaden nicht außer Verhältnis zur Gefahr steht (§ 228 BGB).
Ja!
4. Als T mit dem Stein geschlagen hat, befand er sich in einer Notstandslage (§ 228 BGB).
Genau, so ist das!
5. Im Rahmen von § 228 BGB ist die Zerstörung oder Beschädigung einer Sache, welche erforderlich und verhältnismäßig ist, taugliche Notstandshandlung.
Ja, in der Tat!
6. Das Erschlagen des Hundes mit dem Stein ist erforderlich (§ 228 BGB).
Ja!
7. Das Erschlagen des Hundes mit dem Stein ist verhältnismäßig (§ 228 BGB).
Genau, so ist das!
8. T handelte mit Verteidigungsabsicht (subjektives Rechtfertigungselement).
Ja, in der Tat!
9. T trifft eine Schadensersatzpflicht für den zerstörten Hund.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer
4.4.2022, 17:37:38

Lukas_Mengestu
6.4.2022, 13:27:02
Hallo Frausummer,
Notwehr(§ 32 StGB bzw.
§ 227 StGB) kann lediglich gegen einen menschlichen Angriff ausgeübt werden. Hier geht es indes um den defensiven Notstand gegen eine Sache. Im Gegensatz zur
Notwehrtritt hier die Rechtfertigung nur dann ein, wenn die Notstandshandlung nicht außer Verhältnis zur abgewendeten Gefahr steht (Grother, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 228 RdNr. 10). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dominik
6.2.2023, 19:32:21
Eine
Notwehrlage besteht bei einem gegenwärtigen
rechtswidrigen Angriff. Ein Angriff ist eine durch menschliches Verhalten
drohende Verletzung von Rechtsgütern. Wird ein Hund durch ‚aufhetzen’ von einem Menschen als Waffe eingesetzt, liegt somit ein Angriff und damit auch eine
Notwehrlage vor. Geht ein Hund oder ein anderes Tier von selbst auf einen Menschen los, liegt somit kein Angriff vor. Tiere werden entsprechend den Regelungen zu Sachen und Tieren im BGB rechtlich wie Sachen behandelt -> daher liegt eine von einer Sache ausgehende Gefahr vor (bei störungsfreiem Fortgang des Verlaufs wäre mit einer Verletzung von Rechtsgütern (körperliche Unversehrtheit, Leben) durch die Sache (dem Hund) zu rechnen)-> Anwendung des
Defensivnotstands (228 BGB) möglich.
IsiRider
24.2.2023, 10:30:41
Wie sind denn die Anforderungen an das Verschulden?

Nora Mommsen
25.2.2023, 09:40:44
Hallo IsiRider, danke für deine Frage. Die Verschuldensfähigkeit des Handelnden bestimmt sich analog §§ 827, 828. Anknüpfungspunkt des Verschuldensvorwurfs ist allein die Herbeiführung der Gefahr, wobei § 276 den Maßstab bildet und
zugunstendes Handelnden ein etwaiges Mitverschulden des durch die Notstandshandlung Geschädigten nach § 254 Berücksichtigung findet. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Gruttmann
27.12.2023, 17:22:32
Man würde hier doch, wenn der Hund durch den B
esitzer gehetzt worden ist, eine
Notwehrprüfen, ich glaube schon. Ich frage mich jedoch, wie es wäre, wenn man den Hund von seinem Nachbarn auf jemand anderen hetzt. Ein Angriff wäre es, würde man aber nicht bei dem Prüfungspunkt bei
Notwehr§32 StGB „Verteidigungshandlung gegen den Angreifer“ rausfliegen? Weil man seine
Notwehrnicht gegenüber den Angreifer richtet, sondern gegenüber dem Hund des Nachbarn. Was meint ihr?
Timurso
29.12.2023, 11:11:43
Würde ich auch so sehen ja. Hund des Nachbarn ist keine Sache des Angreifers, weshalb
Notwehrausscheidet. Natürlich ist jedoch auch in diesem Fall der Notstand möglich. In diesem Fall imo Aggressivnotstand, da die Gefahr nicht vom Hund, sondern vom Angreifer ausgeht.
Shark
26.11.2024, 13:40:35
@[Timurso](197555) Naja, die Gefahr geht ja trotzdem vom Hund aus. Wer daran "Schuld" ist, dass die Gefahr besteht ist mMn egal. Selbst wenn das Opfer "Schuld" an der Gefahr ist, kann § 228 einschlägig sein, das folgt ja schon aus Satz 2. Ist auch nicht unfair gegenüber dem Hundehalter, wenn man einen gefährlichen Hund hält, muss man darauf achten, dass der niemanden verletzt. Einen entsprechend erzogenen Hund, der keiner gefährlichen Rasse angehört, kann auch kein Dritter "hetzen", vor allem nicht so dabei die Wahrscheinlichkeit einer Güterschädigung besteht.
Timurso
26.11.2024, 13:50:23
@[Shark](264930) gut argumentiert, schließe ich mich an.

Moltisanti
2.3.2024, 23:15:47
Beispielsweise wird der (spätere vermeintliche) Verteidiger A gegen seinen Willen von B ( nicht Eigentümer der später beschädigten Tür) in einen Raum gestossen und die Tür wird von B zugehalten, sodass A es nicht mehr schafft rauszukommen. Nach 1 min versucht der A, irrig in der Annahme die Tür werde weiterhin von außen zugehalten, erneut den Raum zu verlassen, aber diesmal wendet er Gewalt gegen die Tür an, sodass diese zwar aufgeht, aber dabei auch erheblich beschädigt wird. Wie wäre dieser Fall im Rahmen des § 228 BGB zu beurteilen? Eine Notstandslage liegt zwar nicht mehr vor, aber A nahm eine solvhe an.

Lukas_Mengestu
4.3.2024, 15:54:48
Hallo Uncle Ruckus, bei der von Dir beschriebenen Konstellation handelt es sich um einen sog. "Putativnotstand", also eine Lage, bei der der Täter sich irrigerweise tatsächliche Umstände vorstellt, bei deren Vorliegen sein Handeln durch Notstand gerechtfertigt wäre. Dabei handelt es sich um einen Fall des sog.
Erlaubnistatbestandsirrtums (vgl. MüKoStGB/Erb, 4. Aufl. 2020, StGB § 34 Rn. 292), dessen rechtliche Behandlung im Detail umstritten ist. Nach hM scheidet eine Strafbarkeit wegen der
Vorsatztat aus und es kommt allein eine Bestrafung wegen einer Fahrlässigkeitstat in Betracht. Da die
fahrlässige Sachbeschädigungnicht strafbewehrt ist, bliebe der Verteidiger also straffrei. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Moltisanti
5.3.2024, 00:36:10
Dange!

Moltisanti
5.3.2024, 00:39:51
Danke für die Antwort ! Wobei meine Frage eher auf den § 228 BGB abzielte und ich die Bewertung innerhalb des Zivilrechts im Sinn hatte und ich mich gefragt habe ob diese Norm auch Irrtümer erfasste
paul1ne
14.10.2024, 19:10:38
RIP Fluffy🥲
ricardal
21.10.2024, 19:26:43
Der arme Fluffy :((((