Räumlichkeiten, die zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen (Nr. 3) – öffentliche Toilette


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die öffentlichen Toiletten am Kölner Hbf sind von 7:00-21:00 Uhr geöffnet. Um 20:00 Uhr verteilt T Benzin im Waschbeckenbereich. Erst gegen 23:30 Uhr zündet er das Benzin an. Das Toilettenhäuschen steht in Flammen.

Einordnung des Falls

Räumlichkeiten, die zeitweise zum Aufenthalt von Menschen dienen (Nr. 3) – öffentliche Toilette

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich durch das Anzünden der Toiletten wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) strafbar gemacht.

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Genau, so ist das!

Das Toilettenhaus ist ein Gebäude, da es ein zumindest teilweise umschlossener, mit Grund und Boden verbundener Raum ist, der dem Eintritt von Menschen zugänglich ist und ihrem Aufenthalt dienen kann. Es ist auch für T fremd, da es weder in seinem Alleineigentum stand noch herrenlos ist. Zudem ist es in Brand gesetzt, da es in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist.

2. Die öffentlichen Toiletten sind eine "Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient" (§ 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB).

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Ja, in der Tat!

Hierunter fallen Räumlichkeiten jeder Art, außer den in § 306a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB genannten Räumlichkeiten. Voraussetzung ist, dass die Räumlichkeiten regelmäßig von Menschen tatsächlich genutzt werden. Ausschlaggebend ist die für die jeweilige Räumlichkeit nach ihrer tatsächlichen Zweckverwendung typische Aufenthaltszeit. Hier sind die Öffnungszeiten der öffentlichen Toilette maßgeblich.

3. Da T innerhalb der Öffnungszeiten bereits Benzin in den Toiletten verteilt hat, hat er die Räumlichkeit "zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen", in Brand gesetzt.

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Nein!

Der gefährliche Zustand, d.h. das Brennen oder die Brandlegung muss zu einer Zeit eingetreten sein, in der sich Menschen in den Räumlichkeiten aufzuhalten pflegen. Hier hat T die Toiletten erst um 23:30 Uhr, d.h. außerhalb der Öffnungszeiten in Brand gesetzt. Eine Strafbarkeit nach § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB scheidet aus.

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TI

Tipsy

26.5.2020, 22:27:55

Er hat zur Tat doch bereits unmittelbar um 20:00 Uhr angesetzt, also zu den regulären Öffnungszeiten. Ab 20:00 Uhr ist es ein Versuch und um 23:30 Uhr dann die Vollendung. Das übergießen mit Benzin stellt doch eine Vorbereitungshandlung dar, bei der der Täter nur noch zündeln muss?!

TR

Tr(u)mpeltier

28.5.2020, 01:26:13

Vorsicht! Das unmittelbare ansetzen ist nicht das einzige Merkmal beim Versuch. Bei einer Versuchsprüfung kommt es zunächst auf den maßgeblichen Tatentschluss an, über den wir im SV keine Angaben haben. Wenn er aber von Anfang an vorhatte, außerhalb der Öffnungszeiten zu zündeln, fehlt es schon am entsprechenden Entschluss. Und selbst wenn ein entsprechender Entschluss ursprünglich vorlag, wäre noch zu prüfen, ob er wirksam zurückgetreten ist. Da keine Anhaltspunkte für einen Fehlschlag vorliegen, dürfte dies jedenfalls hinsichtlich einer brandlegung während der Öffnungszeiten möglich gewesen sein.


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