Gegenstand der Prüfung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach der formell rechtmäßigen bayerischen Verordnung zum Infektionsschutz dürfen sich im Sommer 2020 nur zwei Haushalte privat treffen. Der liberale L hält die Verordnung für unvereinbar mit seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG.

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Einordnung des Falls

Gegenstand der Prüfung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L stellt einen zulässigen Antrag nach § 47 VwGO auf Überprüfung der Verordnung. Im Rahmen der Begründetheit prüft das OVG, ob die angegriffene Norm gegen höherrangiges Recht verstößt.

Genau, so ist das!

Zulässiger Prüfungsgegenstand im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO sind (1) Satzungen, die aufgrund des BauGB erlassen worden sind, sowie Rechtsverordnungen nach § 246 Abs. 2 BauGB (§ 47 VwGO Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und (2) sonstige im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt (§ 47 VwGO Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Im Rahmen der Begründetheit prüft das OVG die Vereinbarkeit der angegriffenen Norm mit dem gesamten höherrangigen Recht, also sowohl mit dem einfachen formellen Bundes- und Landesrecht als auch mit dem Bundes- und Landesverfassungsrecht. Achtung: Berlin und Hamburg haben keine Regelung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erlassen. Rechtsschutz ist dort über die Feststellungsklage zu erlangen.
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2. Ls Normenkontrollantrag ist begründet, wenn die bayerische Verordnung zum Infektionsschutz gegen höherrangiges Recht verstößt. Dies könnte sich zunächst daraus ergeben, dass die Verordnung ohne Rechtsgrundlage erlassen wurde.

Ja, in der Tat!

Im Rahmen der Begründetheit prüft das OVG die Vereinbarkeit der angegriffenen Norm mit dem gesamten höherrangigen Recht. Die Rechtmäßigkeit einer untergesetzlichen Norm setzt voraus, dass sie (1) auf der Grundlage einer (formell und materiell) rechtmäßigen Rechtsgrundlage ergangen ist und die Verordnung selbst (2) formell sowie (3) materiell rechtmäßig ergangen ist. Dies ist der gängige und von uns favorisierte Prüfungsaufbau.

3. Mangels in Betracht kommender Rechtsgrundlage ist die bayerische Verordnung zum Infektionsschutz bereits rechtswidrig.

Nein!

Eine belastende untergesetzliche Rechtsnorm ist nur dann rechtmäßig, wenn sie aufgrund einer Ermächtigung durch den förmlichen Gesetzgeber erlassen wurde. Bei Rechtsverordnungen sind dabei insbesondere die Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zu beachten. Die Rechtsgrundlage zum Erlass der Verordnung findet sich in § 32 IfSG i.V.m. § 28 IfSG i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG. Es bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Rechtsgrundlage. Die §§ 32, 28, 28a IfSG solltest Du angesichts intensiver öffentlicher Diskussionen zumindest auf dem Schirm haben. Zur Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage musst Du Dich nur verhalten, wenn dies im Sachverhalt angelegt ist. Ansonsten kannst Du von der Rechtmäßigkeit ausgehen. Die Rechtmäßigkeit der Verordnungsermächtigung der §§ 32, 28, 28a IfSG wurde während der Corona-Pandemie teilweise angezweifelt, aber gerichtlich einhellig bestätigt.

4. Ist die Verordnung auch formell rechtmäßig?

Genau, so ist das!

Eine Norm ist formell rechtswidrig, wenn der Normgeber keine Kompetenz zum Erlass hat oder sie verfahrens-/formfehlerhaft zustande gekommen ist. Die Verbands- und Organzuständigkeit ergibt sich in der Regel aus der Ermächtigungsgrundlage. Verfahrensfehler können insbesondere die unterbliebene Mitwirkung anderer Behörden, fehlende Beschlussfassung in einem Gremium oder die fehlende Bekanntmachung / Verkündung sein. Die Ermächtigungsgrundlage kann besondere formelle Anforderungen enthalten. Beachte aber eventuelle Heilungsmöglichkeiten. Laut Sachverhalt ist die angegriffene Verordnung formell rechtmäßig.

5. Die angegriffene Verordnung könnte ungerechtfertigt in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG eingreifen. Dann wäre sie materiell rechtswidrig.

Ja, in der Tat!

Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit wird geprüft, ob die Rechtsnorm mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Neben einfachgesetzlichen Regeln und Grundrechten ist auch immer an allgemeine Verfassungsgrundsätze zu denken (z.B. den Bestimmtheitsgrundsatz) sowie die besonderen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG. Die Verordnung betrifft den Anwendungsbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit. Der Eingriff ist allerdings durch die Schutzpflicht für Leib und Leben der Gesamtbevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie die Verhinderung einer Überlastung des Gesundheitssystems gerechtfertigt. Die Verordnung ist materiell rechtmäßig. Der Antrag ist unbegründet. Die Prüfung ist hier stark verkürzt. In der Klausur musst Du eine saubere Prüfung einer Grundrechtsverletzung vornehmen und dabei alle Argumente aus dem Sachverhalt verarbeiten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

24.4.2023, 20:01:55

Also sind mögliche Verletzungen von Landes- und Bundesrecht nebeneinander zu prüfen? Ich dachte, das Landgericht würde nur den Einklang mit dem Landesrecht prüfen.

Antonia

Antonia

26.7.2023, 13:34:44

Laut Detterbeck ist „Prüfungsmaßstab des OVG das gesamt Bundesverfassungsrecht, sonstiges Bundesrecht, Landesrecht und grundsätzlich auch das Landesverfassungsrecht“

LDS

LDS

17.8.2023, 17:38:40

Grds. sind Bundesrecht und Landesrecht zu prüfen. Ausnahmen können sich ergeben, wenn die Länder von § 47 III VwGO Gebrauch gemacht haben. So in Bayern mit Art. 98 S. 4 BV geschehen. Demnach darf nur der BayVerfGH die Vereinbarkeit mit der BV prüfen, während der BayVGH die Vereinbarkeit mit Bundesrecht (auch GG) prüft und dem übrigen Landesrecht.


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