Absolute Unverhältnismäßigkeit § 439 Abs. 4 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Unternehmer U kauft bei Immobilienhändler I ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück für €50.000, die auch dem objektiven Wert im mangelfreien Zustand entsprechen. Das Haus ist schimmelbefallen und daher nur €25.000 wert; eine Mangelbeseitigung würde €150.000 kosten.
Diesen Fall lösen 77,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Absolute Unverhältnismäßigkeit § 439 Abs. 4 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Verkäufer könnte die Nacherfüllung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich wäre (§ 439 Abs. 4 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Nacherfüllung ist hier relativ unverhältnismäßig.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die Nacherfüllung ist hier absolut unverhältnismäßig.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
22.1.2021, 10:40:55
Auf ein Verschulden seitens I ist bei solch starkem Preisverhältnis dann gar nicht einzugehen?
t o m m y
22.1.2021, 11:08:44
wenn dazu im SV was steht: auch in der lösung verwursten, es bleibt ja theoretisch eine gesamtabwägung. aber darauf wird es nicht ankommen: in der klausur sind das immer klare fälle, die alleine durch die eindeutige wertrelation gelöst werden können und insofern das gewünschte ergebnis vorgeben, versprochen!
Eigentum verpflichtet 🏔️
22.1.2021, 23:39:37
So ist es, es muss eine Gesamtabwägung der Umstände erfolgen, bei der auch das Verschulden des Verkäufers einzubeziehen ist (vgl Palandt- Weidenkaff, 74. A., Rn. 16a). Einem arglistig (= vorsätzlich) handelnden Verkäufer wird mehr bei der Nacherfüllung zuzumuten sein, als einem nicht oder nur leicht fahrlässig handelnden.
Isabell
20.3.2021, 15:02:39
Wie löst man den Konflikt hier jetzt auf?
Tekkie
8.7.2022, 16:39:37
Wie würde der Fall denn jetzt hier weitergehen? Rücktritt , SE statt der Leistung? In welcher Höhe?
Vivien
3.9.2022, 13:09:15
Warum ist die relative Nacherfüllung unmöglich, die absolute aber nicht? Die Antwort müsste doch dann für beide Fragen "stimmt nicht" lauten? Außerdem steht in der ersten Frage statt "Nacherfüllung" "Nachlieferung", das ist aber nicht gleichbedeutend, oder?
Lukas_Mengestu
28.10.2022, 12:39:34
Hallo Vivien, vielen Dank für Deine Nachfrage! In der Tat ist bei der Nacherfüllung zwischen a) Nachbesserung und b) Nachlieferung zu unterscheiden. In der Aufgabe geht es nun nicht um die Frage, ob es hier unmöglich ist, sondern, ob die
Nacherfüllung unverhältnismäßigist. Eine
relative Unverhältnismäßigkeitkann nur vorliegen, wenn beide Nacherfüllungsformen möglich sind. Nur dann kann man nämlich die Kosten der beiden miteinander vergleichen. Kommt dagegen wie hier nur eine Form der Nacherfüllung in Betracht (Nachbesserung), weil die andere Form unmöglich ist, so liegt eben keine "
relative Unverhältnismäßigkeit" vor. Deswegen war dies zu verneinen. Da aber Wert der Sache und Kosten der Nachbesserung hier völlig außer Verhältnis stehen, ist die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung jedenfalls "absolut" unverhältnismäßig. Ich hoffe, es ist jetzt klarer geworden :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dogu
5.8.2023, 10:54:50
Statt 434 IV 2 sollte dort eher 439 IV 2 stehen oder?
evanici
29.8.2023, 22:03:46
Wieso ist die Schwelle "200 % des mangelbedingten Minderwerts" erreicht? Das wären doch 500.000 € bei 25.000 € als zugrunde gelegter Minderwert, oder? Und woraus ergibt sich weiterhin, dass ein Verschulden des Verkäufers in die Abwägung miteinfließt? Das ist ja eigentlich gerade keine Voraussetzung für den
Nacherfüllungsanspruch, wieso taucht es hier also auf?
Trierer Weinversteigerer
25.9.2023, 14:38:27
liegt regelmäßig vor, wenn die Kosten der Nacherfüllung ( hier: 150.000€ ) den mangelbedingten Minderwert ( 25.000€ ) um 200% übersteigen. 200% des mangelbedingten Minderwerts sind hier also 50.000€ und nicht 500.000€. Demzufolge überschreiten die Nacherfüllungskosten den Minderwert hier sogar um 600% und machen die Nacherfüllung somit sehr deutlich unverhältnismäßig.
Felix
12.4.2024, 11:05:12
Moin, Mathe ist blöd, aber "um ...% übersteigen" meint meines Verständnisses "...% vom Anteil der Ursprünglichen Sache addiert zu dieser". Um 100% übersteigen meint das doppelte (das wären hier 50.000€). Um 200% übersteigen ist im Ergebnis das dreifache. Der mangelbedingte Minderwert (25.000€) plus 200% von diesem wären 75.000€. Das scheint auch gerecht zu sein, denn der Käufer hat ja schon 50.000€ Zahlen müssen. Ansonsten könnte der Verkäufer vorliegend eine Nachbesserung schon aus Unverhältnismäßig verweigern, deren Kosten die dem im Vertrag unterstellten mangelfreien Wert Kaufsache nur geringfügig übersteigt.
david1234
3.6.2024, 14:59:26
Ich würde mich freuen, falls zu diesem Problem noch die daran anschließenden Rechtsfolgen behandelt werden würden. Wie sieht es mit Schadensersatz, Rückritt, etc aus ? VG
in persona
20.6.2024, 19:54:24
ich kann mich da nur anschließen
Juraddicted
19.9.2024, 16:24:38
Ich ebenso :) gerne auch als Stichwort- Schema, wie man es in der Klausur prüft