Unberechtigte Untervermietung

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Student S hatte Glück bei der Wohnungssuche. Er wohnt in einer geräumigen Wohnung der V zu Miete. Weil er sich etwas hinzuverdienen möchte, vermietet er einen Teil seiner Wohnung an Kommilitone K. Als V das erfährt, verlangt er den Untermieterlös heraus.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Unberechtigte Untervermietung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat durch die unberechtigte Untervermietung eine Pflicht aus dem Mietverhältnis verletzt (§ 540 BGB) und dies auch zu vertreten.

Ja!

Zwischen S und V besteht ein Mietvertrag. Dieser berechtigt S in der Wohnung zu wohnen. Ohne Zustimmung des V darf S die Wohnung aber nicht untervermieten. Das Vertretenmüssen wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Die ersten drei Voraussetzungen des Schadensersatzanspruch aus §§ 535, 280 Abs. 1 BGB sind erfüllt. § 540 BGB ist auch auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar (§ 549 Abs. 1 BGB).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. V ist auch ein Schaden entstanden, sodass der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten aus dem Mietverhältnis (§§ 535, 280 Abs. 1 BGB) besteht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Differenzhypothese liegt ein Schaden vor, wenn eine negative Differenz zwischen der hypothetischen und der realen Lage besteht. Dabei ist die reale Lage der konkrete Stand der Rechtsgüter. Die hypothetische Lage ist der gedachte Stand der Rechtsgüter ohne das schädigende Ereignis. Die reale Lage ist die Untervermietung. Die hypothetische Lage ist keine Untervermietung. Nach der realen Lage bekommt V den Mietzins von S. Nach der hypothetischen Lage wäre es auch bei dem normalen Mietzins aus der Vermietung an S geblieben. Der Vergleich ergibt somit keine Differenz. Es liegt kein Schaden vor. V hat keinen Schadensersatzanspruch nach §§ 535, 280 Abs. 1 BGB.

3. V könnte einen Anspruch auf Ersatz der Nutzungen aus einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) haben (§§ 987, 990, 99 Abs. 3 BGB).

Ja, in der Tat!

Dazu müsste (1) eine Vindikationslage vorliegen. Das heißt, V müsste Eigentümer und S Besitzer sein (§ 985 BGB) und S dürfte kein Recht zum Besitz haben (§ 986 BGB) haben. Es müsste zu einer (2) Nutzungsentziehung durch den Besitzer (§§ 987 Abs. 1, 99 Abs. 3 BGB) gekommen sein. (3) Zuletzt muss der Besitzer bösgläubig sein.

4. Zwischen V und S liegt eine Vindikationslage vor (vgl. §§ 985, 986 BGB).

Nein!

Eine Vindikationslage liegt vor, wenn der Anspruchsteller Eigentümer und der Anspruchsgegner Besitzer ist und der Besitzer kein Recht zum Besitz hat. Vermieter V ist Eigentümer der Wohnung. S ist Besitzer. Allerdings ist S aufgrund des Mietverhältnisses zwischen ihm und V zum Besitz berechtigt. S hat also ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB). Es liegt keine Vindikationslage vor.

5. V könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus angemaßter Geschäftsführung haben (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 1, 667 BGB).

Genau, so ist das!

Dieser Anspruch setzt voraus, dass (1) der Geschäftsführer ein Geschäft besorgt. Dieses Geschäft muss (2) fremd sein. Außerdem darf der Geschäftsführer (3) keine Berechtigung zur Geschäftsführung haben und (4) mit Eigengeschäftsführungswillen handeln.

6. Es liegt eine fremde Geschäftsbesorgung vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Geschäftsbesorgung ist jede rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Tätigkeit. Dieses Geschäft müsste für den Anspruchssteller ein eigenes sein. Die Untervermietung stelle eine rechtsgeschäftliche Tätigkeit dar. BGH: Die unberechtigte Untervermietung sei lediglich eine vertragswidrige Gebrauchsausübung des Mieters. Die Untervermietung stellt aber kein Geschäft des Vermieters dar. Es fehlt an der Fremdheit des Geschäfts. Die angemaßte Geschäftsführung scheidet aus (RdNr. 49).

7. Die Untervermietung stellt eine rechtsgeschäftliche Verfügung iSd § 816 Abs. 1 S. 1 BGB dar.

Nein!

Eine Verfügung ist jede Belastung, Übertragung, Inhaltsänderung oder Aufhebung eines (bestehenden) Rechts. Die Untervermietung einer Sache stellt keine Verfügung über das Eigentum an Vs Wohnung dar. Die unmittelbare Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet somit aus (RdNr. 46).

8. Es kommt ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB analog in Betracht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für eine analoge Anwendung müssten eine vergleichbare Interessenslage sowie eine Regelungslücke vorliegen. Selbst wenn man eine vergleichbare Interessenslage sowie eine Regelungslücke bejaht, scheitert ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB analog. Denn § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist nach h.M. nur auf einen Substanzwertausgleich gerichtet. Vorliegend stellt jedoch der Untermietzins keinen Gegenwert dar, den der Mieter anstelle des Eigentümers erzielt. Der Eigentümer hätte die Mietsache nichts selbst an einen Dritten untervermieten können. Eine analoge Anwendung von § 816 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet aus (RdNr. 47).

9. V könnte einen Anspruch auf Herausgabe des Untermietzins aus allgemeiner Eingriffskondiktion haben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Dem Bereicherungsgläubiger steht ein Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Eingriffskondiktion) zu, wenn vier Voraussetzungen gegeben sind: Der Anspruchsgegner (Bereicherungsschuldner) müsste (1) etwas erlangt haben. Dies müsste (2) in sonstiger Weise, also nicht durch Leistung erfolgt sein. Dies ist (3) auf Kosten des Bereicherungsgläubigers geschehen, wenn ein Eingriff in ein fremdes Recht vorliegt. Zuletzt muss der Bereicherungsschuldner den Bereicherungsgegenstand (4) ohne Rechtsgrund erlangt haben.

10. S hat den Untermietzins auf Kosten des V erlangt.

Nein!

Dies ist (3) auf Kosten des Bereicherungsgläubigers geschehen, wenn ein Eingriff in ein fremdes Recht vorliegt. Eingriff bedeutet nach der herrschenden Zuweisungstheorie die Verletzung des Zuweisungsgehalts eines fremden Rechts. Dieses muss von der Rechtsordnung dem Gläubiger zur ausschließlichen Verfügung zugewiesen wird. Die Untervermietung ist auch dann, wenn sie unberechtigt erfolgt, ein dem Mieter zugewiesenes Geschäft. Dem Vermieter entgehen dadurch keine Verwertungs- oder Gebrauchsmöglichkeiten. Diese hat er schon mit Abschluss des Hauptmietvertrages aufgegeben. V selbst könnte die Mietsache einem Dritten gar nicht mehr überlassen. Es liegt somit kein Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines fremdes Rechts vor (RdNr. 48).

11. V steht kein Anspruch auf Herausgabe des Untermietzinses zu.

Genau, so ist das!

Die oben genannten Anspruchsgrundlagen scheitern allesamt. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dolusdave

Dolusdave

15.1.2022, 18:20:33

Bei der Frage zum EBV und der GoA verwendet ihr die Formulierung: "Es kommt in Betracht" und bejaht die Frage anschließend. Eigentlich müsste die Frage doch im Konjunktiv formuliert werden, da ein Anspruch nur in Betracht kommen könnte, er aber aufgrund der in den nachfolgenden Fragen behandelten Gründe ausscheidet. Ich habe es zumindest beim ersten Mal falsch verstanden ;)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.1.2022, 16:32:20

Hallo Dolusdave, vielen Dank für den Hinweis. "In Betracht" kommt ein Anspruch grundsätzlich auch dann, wenn er im Ergebnis verneint wird. Auch in Klausuren sind "alle in Betracht" kommenden Ansprüche zu prüfen. Dies heißt allerdings nicht, dass der Anspruch auch bestehen muss. Um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir die Frage nun aber umformuliert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SAUFE

Saufen_Fetzt

24.2.2023, 07:38:33

Dann muss die richtige Antwort aber bitte auf den “es kommt in Betracht” Obersatz aber bitte auch immer “Ja” sein - konsequenterweise auch bei der Frage nach der analogen Anwendung des 816

SAUFE

Saufen_Fetzt

24.2.2023, 07:39:01

-1 “aber bitte”; es ist noch früh…

CHU

chu

30.1.2024, 10:40:44

Ich kann mich @[Saufen_Fetzt](393) nur anschließen. Aus meiner Sicht müsste die Frage "Es kommt ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB analog in Betracht" mit "stimmt" zu beantworten sein und in der Erklärung dann die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung, also planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage aufgeführt werden. In einer weiteren Frage könnte dann gefragt werden, ob die Voraussetzungen hier erfüllt sind - was dann zu verneinen wäre - und die restliche Erklärung folgen. In der aktuellen Darstellung erscheint es mir inkonsequent, dass es als richtig gewertet wird, die Frage zu verneinen.

c.2000

c.2000

19.8.2024, 14:33:09

Also würde der Vermieter keinen Ersatz für die

unberechtigte Untervermietung

erhalten? Erscheint das nicht etwas unsachgemäß?

LI

Linda

21.8.2024, 19:08:12

Ja genau, in der Regel hat er keinen Anspruch und das ist auch insoweit nicht unsachgemäß als dass er auch keinen Schaden hat. Er könnte aber die Untervermietung unterbinden und Herausgabe an den Mieter verlangen. Außerdem könnten Umstände begründet werden, die eine Kündigung zulassen :D

Jana

Jana

28.8.2024, 17:47:40

Müsste es nicht §§ 687 II S. 1, 681 S. 2, 667 BGB statt §§ 687 II S. 1, 681 S. 1, 667 BGB sein?


© Jurafuchs 2024