Streitgenossenschaft von Händler und Hersteller („Diesel-Abgasskandal“)


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Diesel-Abgasskandal

K hat von Händler V einen Pkw des Herstellers VW gekauft. Der Pkw verbraucht mehr Treibstoff, als VW beworben hat. Die Abgaseinrichtung ist manipuliert. K möchte in einem Prozess gegen V und gegen VW deliktische Ansprüche geltend machen, um sich vom Kaufvertrag zu lösen.

Einordnung des Falls

Streitgenossenschaft von Händler und Hersteller („Diesel-Abgasskandal“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V und VW sind einfache Streitgenossen, weil sie "hinsichtlich des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen" (§ 59 Alt. 1 ZPO).

Nein!

Streitgegenstand meint in § 59 ZPO nicht den typischen Streitgegenstand der ZPO, sondern den materiell-rechtlichen Gegenstand. Wegen der Prozessökonomie ist diese Frage nach dem tatsächlichen Zusammenhang weit auszulegen (Dressler, in: BeckOK ZPO, 31. Ed. § 59 RdNr. 11,12). Typische Fälle der Rechtsgemeinschaft sind Miteigentümer, Miterben, Gesamtschuldner oder auch Hauptschuldner und Bürge (Oberheim, 12. A. § 16 RdNr. 990).Hier liegt aber keinerlei Rechtsgemeinschaft zwischen V und VW vor.

2. K kann seine Ansprüche gegen V und gegen VW in einem Prozess geltend machen (subjektive Klagehäufung), wenn V und VW Streitgenossen sind (§§ 59ff. ZPO).

Genau, so ist das!

Die §§ 59, 60 ZPO sollen es ermöglichen, mehrere Klagen in einem Prozess zu verbinden und einheitlich zu erledigen. Sie dienen der Prozessökonomie. Sie sind aus diesem Grunde weit auszulegen. Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt vor, wenn aus Rechtsgründen eine einheitliche Sachentscheidung gegenüber beiden Streitgenossen ergehen muss. Eine einfache Streitgenossenschaft liegt vor, wenn zwei Klagen, die auch selbstständig möglich wären, in einem Prozess zusammengefasst werden dürfen, wobei das Prozessergebnis für beide Streitgenossen unterschiedlich sein kann (Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 62 RdNr 1 bzw. § 61 RdNr. 14).

3. V und VW sind notwendige Streitgenossen (§ 62 ZPO). Über die deliktischen Ansprüche des K kann ein Gericht nur eine einheitliche Sachentscheidung fällen.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) ist sehr selten. Sie liegt vor, wenn die Sachentscheidung des Gerichts aus Rechtsgründen nur einheitlich sein kann. Dies kann sich aus prozessrechtlichen Regeln ergeben (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO: "das streitige Rechtsverhältnis [kann] allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden") oder aus materiell-rechtlichen Regeln (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO: "die Streitgenossenschaft [ist] aus einem sonstigen Grund eine notwendige"). Beispiele sind Gestaltungsklagen des HGB.Vorliegend gibt es keinen materiell-rechtlichen oder prozessualen Grund, weswegen nicht verschiedene Entscheidungen gegenüber V und VW ergehen könnten. Es liegt keine notwendige Streitgenossenschaft vor.

4. Bei einer gleichzeitigen Klage gegen V und VW handelt es sich um eine objektive Klagehäufung.

Ja!

Jede Streitgenossenschaft stellt auch eine objektive Klagehäufung (§ 260 ZPO analog) dar. § 260 meint mit "Anspruchshäufung" eine Häufung von Streitgegenständen. Der Streitgegenstand setzt sich nach dem herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff aus dem Klageantrag und dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt zusammen (Becker-Eberhard, MüKo ZPO, 5. A., Vorb. § 253 RdNr. 33).K macht eigenständige Ansprüche gegen V und VW geltend. Er begehrt damit jeweils eine Rechtsfolge gegen unterschiedliche Rechtssubjekte. Damit liegen zwei verschiedene Streitgegenstände vor, weil verschiedene Klageanträge gestellt wurden.

5. V und VW sind einfache Streitgenossen, weil gleichartige Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, die auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen (§ 60 ZPO).

Genau, so ist das!

Anknüpfungspunkt des Klagevorbringens sind Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs. Unter kaufrechtlichen wie unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten sind diese wesentliche Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche. Unerheblich ist, dass die Sachverhalte nicht völlig deckungsgleich sind, sofern ein wesentlicher Überschneidungsbereich vorliegt. Die Ansprüche sind auch auf das identische Ergebnis gerichtet, den Kläger von seinem Kaufvertrag zu befreien (BGH, Beschluss vom 6.6.2018 – X ARZ 303/18 RdNr. 13).

6. V und VW sind einfache Streitgenossen, weil sie dem K aus demselben Grund verpflichtet sind (§ 59 Alt. 2 ZPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben rechtlichen Grund liegt etwa vor, wenn die Streitgenossen aus demselben Vertragsverhältnis klagen oder in Anspruch genommen werden, sei es auch auf unterschiedliche Leistungen. Wichtiges weiteres Beispiel ist die Klage gegen mehrere Schädiger oder von mehreren Geschädigten aus unerlaubter Handlung (Dressler, in: BeckOK ZPO, 31. Ed. § 59 RdNr. 13; Oberheim, 12. a. § 16 RdNr. 990). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil eine Haftung von V und VW nur aus verschiedenen Rechtsgründen, nicht aber aus einem einheitlichen Rechtsgrund in Betracht kommt.

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