+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K ist sich sicher, dass Nachbar N Ks Rasenmäher vor einigen Wochen geklaut hat und seitdem verwendet. Er erhebt Klage. Im Hauptantrag verlangt er Herausgabe des Geräts (§ 985 BGB), hilfsweise, falls er damit durchdringt, Nutzungsersatz (§§ 990, 987 BGB). Der Hauptantrag hat Erfolg.
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Einordnung des Falls
Unechte, eventuelle Klagenhäufung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es liegt eine echte, eventuelle Klagehäufung vor.
Nein, das trifft nicht zu!
Bei einer eventuellen Klagehäufung wird ein prozessualer Anspruch in einem unbedingten Hauptantrag und der andere in einem bedingten Hilfsantrag geltend gemacht. Der Hilfsantrag wird nur für den Fall gestellt, dass eine bestimmte innerprozessuale Bedingung eintritt, gestellt. Bei einer echten, eventuellen Klagehäufung ist die Bedingung des Hilfsantrags, dass der Hauptantrag erfolglos, bei einer unechten, eventuellen Klagehäufung, dass er erfolgreich ist.
Der Hilfsantrag des K ist an die innerprozessuale Bedingung geknüpft, dass der Hauptantrag erfolgreich ist. Es liegt also eine unechte, eventuelle Klagehäufung vor.
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2. Bei einer eventuellen Klagehäufung sind zunächst Zulässigkeit und Begründetheit des Hauptantrags und anschließend Zulässigkeit und Begründetheit des Hilfsantrags zu erörtern.
Ja!
Bei einer eventuellen Klagehäufung ist der Hilfsantrag entweder an die Bedingung geknüpft, dass der Hauptantrag erfolglos (echte, eventuelle Klagehäufung) oder erfolgreich (unechte, eventuelle Klagehäufung) ist. Das Gericht ist erst dann zur Entscheidung über den Hilfsantrag befugt, wenn dessen Bedingung eingetreten ist. Es muss also in beiden Fällen zunächst die Zulässigkeit und Begründetheit des Hauptantrags erörtern, bevor es sich überhaupt mit dem Hilfsantrag befassen kann.
3. Auch bei unechter, eventueller Klagehäufung ist für die sachliche Zuständigkeit der höhere der beiden Streitwerte maßgeblich.
Nein, das ist nicht der Fall!
Bei echter, eventueller Klagehäufung ist die Bedingung des Hilfsantrags die Erfolglosigkeit des Hauptantrags. Das Gericht muss also entweder dem Haupt- oder dem Hilfsantrag, niemals jedoch beiden stattgeben. Daher wird für die sachliche Zuständigkeit keine Addition der Streitwerte nach § 5 ZPO vorgenommen, sondern der höhere der beiden für maßgeblich erachtet.
Anders verhält es sich jedoch bei unechter, eventueller Klagehäufung. Bei dieser ist der Erfolg des Hauptantrags die Bedingung des Hilfsantrags. Das Gericht muss unter Umständen also beiden Anträgen stattgeben, weshalb deren Streitwerte nach § 5 ZPO zu addieren sind.
§ 5 ZPO gilt unabhängig davon, ob die Bedingung des Hilfsantrags (Erfolg des Hauptantrags) eintritt.
Auf den Hilfsantrag ist in der Zulässigkeit des Hauptantrags nur einzugehen, wenn der Hauptantrag allein die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht begründet.
4. Bei einer unechten, eventuellen Klagehäufung unterliegt der Hilfsantrag den gleichen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie bei einer echten, eventuellen Klagehäufung.
Ja, in der Tat!
Bei eventuellen Klagehäufungen (egal, ob echt oder unecht) sind in der Zulässigkeit des Hilfsantrags einige zusätzliche Punkte anzusprechen. So ist zunächst
(1) der Eintritt der Bedingung, an die der Hilfsantrag geknüpft ist, festzustellen.
(2) Anschließend ist zu erörtern, ob die Klageerhebung trotz des bedingten Hilfsantrags ordnungsgemäß ist.
(3) Ferner ist darauf einzugehen, dass nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Anträgen besteht.
(4) Schließlich muss die Zulässigkeit der Klagehäufung gem. § 260 ZPO angesprochen werden, die bei einer eventuellen Klagehäufung eine echte Sachurteilsvoraussetzung darstellt.
5. Die Bedingung des Hilfsantrags ist eingetreten.
Ja!
Der Hauptantrag des K ist auf Herausgabe (§ 985 BGB) gerichtet, der Hilfsantrag auf Nutzungsersatz (§§ 990, 987 BGB). Der Hilfsantrag ist an die Bedingung geknüpft, dass K mit dem Hauptantrag durchdringt bzw. dass der Hauptantrag Erfolghat.
Der Hauptantrag hat Erfolg. Die Bedingung des Hilfsantrags ist eingetreten.
Wenn die Bedingung des Hilfsantrags dagegen nicht eintritt, entfällt dessen Rechtshängigkeit rückwirkend. In diesem Fall ist der Hilfsantrag in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort zu erwähnen. Er taucht nur im Tatbestand auf. 6. Die Klageerhebung war ordnungsgemäß, da der Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch die Bedingung, unter der der Hilfsantrag erhoben wurde, nicht verletzt wird.
Genau, so ist das!
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift enthalten: die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag (Bestimmtheitsgrundsatz). Aus dieser Norm, die der Vermeidung von Rechtsunsicherheiten dient, lässt sich unter anderem ableiten, dass Klagen bzw. die darin enthaltenen Anträge grundsätzlich bedingungsfeindlich sind. Eine wichtige Ausnahme hiervon ist jedoch bei einer sog. innerprozessualen Bedingung zu machen. Eine solche zeichnet sich dadurch aus, dass das erkennende Gericht deren Eintritt im Laufe des Verfahrens selbst nachprüfen kann. Somit kommen keine Rechtsunsicherheiten auf.
Der Erfolg von Ks Hauptantrags ist die Bedingung seines Hilfsantrags. Da das erkennende Gericht den Bedingungseintritt selbst nachprüfen kann, handelt es sich um eine zulässige innerprozessuale Bedingung.
7. Das nötige Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.
Ja, in der Tat!
Bei eventuellen Klagehäufung ist der Hilfsantrag nur zulässig, wenn der Kläger diesbezüglich ein Rechtsschutzbedürfnis hat. Ein solches ist zu bejahen, wenn ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Haupt- und Hilfsantrag besteht.
K verfolgt mit seinem Hauptantrag die Herausgabe seines Rasenmähers (§ 985 BGB) und mit seinem Hilfsantrag Ersatz für die Nutzung desselben (§§ 990, 987 BGB). Beide Ansprüche basieren auf der von N durch das Entwenden des Rasenmähers geschaffenen Vindikationslage. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Haupt- und Hilfsantrag ist gegeben.
8. § 260 ZPO ist bei einer eventuellen Klagehäufung eine echte Sachurteilsvoraussetzung.
Ja!
Anders als bei einer objektiven, kumulativen Klagehäufung stellt § 260 ZPO bei einer eventuellen Klagehäufung (egal, ob echt oder unecht) eine echte Zulässigkeitsvoraussetzung dar und zwar für den Hilfsantrag. Denn eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 260 ZPO führt gleichzeitig immer auch zur Unzulässigkeit des Hilfsantrags. Sobald der Hauptantrag nämlich Gegenstand eines eigenen Verfahrens ist, verliert dadurch die Bedingung des Hilfsantrags ihre innerprozessuale Natur, da das Gericht des Hilfsantrags ihren Eintritt nicht mehr selbst nachprüfen kann.