Zivilrecht
Sachenrecht
Arten des Besitzes
Bei bereits bestehender tatsächlicher Sachherrschaft genügt Einigung über Besitzübergang
Bei bereits bestehender tatsächlicher Sachherrschaft genügt Einigung über Besitzübergang
21. Mai 2025
13 Kommentare
4,7 ★ (35.129 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B hat sein Buch bei seinem Freund F liegen lassen (und weiß, dass es dort liegt). F fragt, ob er das Buch für einen Monat ausleihen dürfe. B ist einverstanden.
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Einordnung des Falls
Bei bereits bestehender tatsächlicher Sachherrschaft genügt Einigung über Besitzübergang
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Als B sein Buch bei F hat liegen lassen, hat er seinen unmittelbaren Besitz daran (§ 854 Abs. 1 BGB) verloren.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem B dem F das Buch ausgeliehen hat (§ 598 BGB), hat er seine unmittelbare Sachherrschaft verloren.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jean-Pierre
19.5.2020, 19:11:35
Tatsächliche Sachherschaft hat sein Freund, womit B keine Sachherschaft mehr hat. Der Wille des Vorbesitzer ist hierfür unerheblich.

Christian Leupold-Wendling
20.5.2020, 12:14:58
Hi Jean-Pierre, Danke für den Beitrag! Der Wille des B ist für den Besitzerwerb (§ 854 Abs. 2 BGB) wegen § 856 Abs. 2 BGB relevant: „Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt.“
Jean-Pierre
20.5.2020, 13:11:18
Moin Christian, ich hatte an den Vergleich zu einem Diebstahl gedacht, wo trotz des Gegenwillens des bisherigen Besitzers der Erwerb erfolgt. Aber klar, mit Anwendung des 856 II ist auch noch ein Besitzerwerb des F möglich, womit ein Erwerb nach 854 II in Frage kommt und somit der Wille hierfür entscheidend ist, da es sich um RG handelt.
Amastris
12.4.2024, 12:14:06
Verstehe ich das richtig, dass er den Besitz bei Vergessen oder Verlieren nicht los wird, da er keinen Willen zur Besitzaufgabe hatte? Beim Verleihen hingegen war die Übertragung des unmittelbaren Besitzes bewusst erfolgt?
Blotgrim
14.3.2025, 10:44:15
Genau erst durch die Leihe wird die
Sachherrschaftübertragen und der Besitz wechselt von B auf seinen Freund. Ich würde aber bei Vergessen und Verlieren etwas differenzieren. Wenn ich etwas vergesse werde ich mich oft auf § 856 II berufen können, wobei es auch Situationen gibt in den dieser nicht greift. Beim Verlieren wird es schon schwieriger. Für unmittelbaren Besitz brauche ich tatsächlich
Sachherrschaft, das heißt ich muss die Möglichkeit haben auf die Sache zugreifen und einwirken zu können, das ist nicht der Fall wenn ich etwas verliere, da ich nicht weiß wo die Sache ist, weshalb ich nicht auf sie einwirken kann. Allerdings würde ich hier eine Unterscheidung machen wo man etwas verliert. Wenn ich etwas in meinem Haus verliere dürfte der Besitz erhalten bleiben, da sich die Sache weiterhin in meinem Herrschaftsbereich befindet, verliere ich aber außerhalb meines Herrschaftsbereich eine Sache würde ich eher zum Besitzverlust tendieren. Die Wohnung eines Freundes ist für mich ein Grenzfall, da es zwar nicht der eigene Herrschaftsbereich ist, aber es ist eben auch keine öffentliche Straße/Einrichtung.
ehemalige:r Nutzer:in
11.5.2022, 20:40:41
Was ist eigentlich der Sinn von 854 ll BGB. Ich habe es immer so verstanden das der Besitz was tatsächliches ist. Wieso muss man sich dann darüber einigen?

Lukas_Mengestu
13.5.2022, 10:15:28
Hallo Aidaa, grundsätzlich hast Du völlig recht, dass der Besitz faktisch geprägt ist. Aus diesem Grund ist auch umstritten, ob es sich bei der Einigung iSv § 854 Abs. 2 BGB um eine
rechtsgeschäftliche Einigung handelt, auf die die Regelung der §§ 104 ff. BGB Anwendung findet (die hM bejaht dies). Hintergrund der Regelung ist letztlich eine Klarstellung. Der Begriff der tatsächlichen
Sachherrschaftwird durchaus weit verstanden. Bist Du zB im Urlaub, so hast Du weiterhin
Sachherrschaftüber die Gegenstände in Deiner Wohnung. Gleiches gilt für das an der Ecke abgestellte Auto. Als Paradefall für die Besitzübertragung nach § 854 Abs. 2 BGB gilt den gekennzeichnete Holzstoß im Wald, der durch eine Einigung im WIrtshaus übertragen wird (Jauernig/Berger, 18. Aufl. 2021, BGB § 854 Rn. 12). Auch wenn sich hier faktisch nichts ändert, liegt hier durch die Besitzaufgabe des Besitzers und die Möglichkeit des anderen unmittelbar auf den Holzstoß zuzugreifen ein Besitzwechsel statt. Ähnlich liegt es auch in diesem Fall. Trotz der räumlichen Distanz besteht hier noch die
Sachherrschaftdes B. Durch die Einigung der beiden kommt es hier zu einem Besitzwechsel, da es F sofort möglich ist, die
Sachherrschaftüber das Buch zu erlangen. In der Tat wäre es hier aber auch ohne Einigung möglich gewesen, dass F hier Besitz begründet. Dann hätte er aber mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) dem B den Besitz entzogen und sich ggfs.
schadensersatzpflichtig gemacht (§ 823 Abs. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team