Bei bereits bestehender tatsächlicher Sachherrschaft genügt Einigung über Besitzübergang


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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B hat sein Buch bei seinem Freund F liegen lassen (und weiß, dass es dort liegt). F fragt, ob er das Buch für einen Monat ausleihen dürfe. B ist einverstanden.

Einordnung des Falls

Bei bereits bestehender tatsächlicher Sachherrschaft genügt Einigung über Besitzübergang

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Als B sein Buch bei F hat liegen lassen, hat er seinen unmittelbaren Besitz daran (§ 854 Abs. 1 BGB) verloren.

Nein, das trifft nicht zu!

Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) ist die (1) von einem Besitzwillen getragene (2) tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache. Der bisherige Besitzer muss seine tatsächliche Sachherrschaft über die Sache objektiv erkennbar aufgeben. Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt (§ 856 Abs. 2 BGB).Hier hat B die tatsächliche Sachherrschaft allerdings nicht aufgegeben und ist somit noch unmittelbarer Besitzer seines Buches.

2. Indem B dem F das Buch ausgeliehen hat (§ 598 BGB), hat er seine unmittelbare Sachherrschaft verloren.

Ja!

Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) ist die (1) von einem Besitzwillen getragene (2) tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache. Wenn der Besitzerwerber bereits die tatsächliche Sachherrschaft ausüben kann, so genügt die Einigung über den Besitzübergang (§ 854 Abs. 2 BGB). Hier hat sich B auf Grundlage der Leihvereinbarung (§ 598 BGB) mit F konkludent über den Besitzübergang auf F geeinigt. B hat somit seine unmittelbare Sachherrschaft aufgegeben und ist nur noch mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB).

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JEAN

Jean-Pierre

19.5.2020, 19:11:35

Tatsächliche Sachherschaft hat sein Freund, womit B keine Sachherschaft mehr hat. Der Wille des Vorbesitzer ist hierfür unerheblich.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

20.5.2020, 12:14:58

Hi Jean-Pierre, Danke für den Beitrag! Der Wille des B ist für den Besitzerwerb (§ 854 Abs. 2 BGB) wegen § 856 Abs. 2 BGB relevant: „Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt.“

JEAN

Jean-Pierre

20.5.2020, 13:11:18

Moin Christian, ich hatte an den Vergleich zu einem Diebstahl gedacht, wo trotz des Gegenwillens des bisherigen Besitzers der Erwerb erfolgt. Aber klar, mit Anwendung des 856 II ist auch noch ein Besitzerwerb des F möglich, womit ein Erwerb nach 854 II in Frage kommt und somit der Wille hierfür entscheidend ist, da es sich um RG handelt.

AMA

Amastris

12.4.2024, 12:14:06

Verstehe ich das richtig, dass er den Besitz bei Vergessen oder Verlieren nicht los wird, da er keinen Willen zur Besitzaufgabe hatte? Beim Verleihen hingegen war die Übertragung des unmittelbaren Besitzes bewusst erfolgt?

Aidaa

Aidaa

11.5.2022, 20:40:41

Was ist eigentlich der Sinn von 854 ll BGB. Ich habe es immer so verstanden das der Besitz was tatsächliches ist. Wieso muss man sich dann darüber einigen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.5.2022, 10:15:28

Hallo Aidaa, grundsätzlich hast Du völlig recht, dass der Besitz faktisch geprägt ist. Aus diesem Grund ist auch umstritten, ob es sich bei der Einigung iSv § 854 Abs. 2 BGB um eine rechtsgeschäftliche Einigung handelt, auf die die Regelung der §§ 104 ff. BGB Anwendung findet (die hM bejaht dies). Hintergrund der Regelung ist letztlich eine Klarstellung. Der Begriff der tatsächlichen Sachherrschaft wird durchaus weit verstanden. Bist Du zB im Urlaub, so hast Du weiterhin Sachherrschaft über die Gegenstände in Deiner Wohnung. Gleiches gilt für das an der Ecke abgestellte Auto. Als Paradefall für die Besitzübertragung nach § 854 Abs. 2 BGB gilt den gekennzeichnete Holzstoß im Wald, der durch eine Einigung im WIrtshaus übertragen wird (Jauernig/Berger, 18. Aufl. 2021, BGB § 854 Rn. 12). Auch wenn sich hier faktisch nichts ändert, liegt hier durch die Besitzaufgabe des Besitzers und die Möglichkeit des anderen unmittelbar auf den Holzstoß zuzugreifen ein Besitzwechsel statt. Ähnlich liegt es auch in diesem Fall. Trotz der räumlichen Distanz besteht hier noch die Sachherrschaft des B. Durch die Einigung der beiden kommt es hier zu einem Besitzwechsel, da es F sofort möglich ist, die Sachherrschaft über das Buch zu erlangen. In der Tat wäre es hier aber auch ohne Einigung möglich gewesen, dass F hier Besitz begründet. Dann hätte er aber mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) dem B den Besitz entzogen und sich ggfs. schadensersatzpflichtig gemacht (§ 823 Abs. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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