Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Klassiker im Öffentlichen Recht
„Apotheken-Entscheidung“ – Verständnis und Umfang der Berufsfreiheit
„Apotheken-Entscheidung“ – Verständnis und Umfang der Berufsfreiheit
31. Mai 2025
24 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Approbierter Apotheker A möchte die Betriebserlaubnis für eine Apotheke. Die Regierung von Oberbayern O versagt ihm diese aufgrund von Art. 3 Abs. 1 ApothG. Danach sei die Errichtung einer Apotheke unzulässig, weil die wirtschaftliche Grundlage der Apotheke nicht gesichert ist.
Diesen Fall lösen 83,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
„Apotheken-Entscheidung“ – Verständnis und Umfang der Berufsfreiheit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A erhebt gegen die Versagung der Betriebserlaubnis (und damit inzident gegen Art. 3 ApothG) Verfassungsbeschwerde. Ist diese zulässig?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Art. 12 GG enthält nur die Gewerbefreiheit als objektives Prinzip der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die Tätigkeit von A als Apotheker stellt keinen Beruf im Sinne von Art. 12 GG dar.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Zwar handelt es sich bei der von A ausgeübten Tätigkeit um einen Beruf, jedoch erfasst Art. 12 GG nur unselbstständige Tätigkeiten.
Nein!
5. Die Versagung der Betriebserlaubnis einer Apotheke, gestützt auf Art. 3 Abs. 1 ApothG, greift in die Berufsfreiheit des A ein.
Genau, so ist das!
6. Die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG enthält die Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit. Dem Grundrecht kommt große Bedeutung für die gesamte Lebensgestaltung jedes Einzelnen zu.
Ja, in der Tat!
7. Der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG erstreckt sich nur auf die Berufsausübungsfreiheit.
Nein!
8. Der Regelungsvorbehalt erstreckt sich in der gleichen Intensität auf die Berufswahl und Berufsausübung.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Im Apotheker-Urteil hat das BVerfG aus diesen Grundsätzen die sogenannte Drei-Stufen-Theorie entwickelt.
Ja, in der Tat!
10. Auf der ersten Stufe befinden sich Berufsausübungsregeln. Ein Eingriff in diese kann durch jede vernünftige Erwägung des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden.
Ja!
11. Auf der zweiten Stufe befinden sich subjektive Zulassungsvoraussetzungen. Ein Eingriff in diese kann durch den Schutz eines gewichtigen Gemeinschaftsgutes gerechtfertigt werden.
Genau, so ist das!
12. Auf der dritten Stufe befinden sich objektive Zulassungsvoraussetzungen. Diese können durch die Abwehr schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt werden.
Ja, in der Tat!
13. Der Gesetzgeber kann die nächst höhere oder niedrigere Stufe nach Belieben betreten.
Nein!
14. Für A als approbierten Apotheker findet die zweite Stufe Anwendung.
Nein, das ist nicht der Fall!
15. Der Eingriff kann nicht gerechtfertigt werden. Das BVerfG erklärte Art. 3 Abs. 1 ApothG für nichtig.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jomolino
12.4.2022, 15:09:41
Schade dass gerade das Ende, die Frage nach den Anforderungen an die Rechtfertigung so kurz und knapp ausfällt und wenig eigenen wissensabruf erfordert.

Lukas_Mengestu
13.4.2022, 19:34:25
Hallo nomamo, es tut mir Leid, dass Dich diese Aufgabe noch nicht vollständig zufriedenstellt. Da es sich hierbei um eine Klassikerentscheidung handelt, haben wir diese bereits versucht recht breit darzustellen. Die Rechtfertigung ist hier etwas kürzer geraten, da die Subsumtion extrem einzelfall abhängig ist. Vertiefte Kenntnisse über Sinn und Zweck eines Gesetzes werden in der Klausur dabei nicht verlangt. Die entsprechenden Angaben hierzu werden sich regelmäßig vielmehr aus dem Sachverhalt ergeben. Diese Informationen sind dann natürlich sorgfältig auszuschlachten. Das konkrete Ergebnis ist dabei dann häufig zweitrangig, solange man die Argumente sorgfältig gegeneinander abgewogen hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7
28.6.2023, 14:59:25
Da die Versagung der Erlaubnis aufgrund eines Gesetzes erfolgte in Form eines VA, prüft man nach der Drei-Stufen-Theorie ja eigentlich noch die Anwendung des Gesetzes. Wenn das Gesetz aber ohnehin nichtig ist, komme ich ja gar nicht zu dem Punkt, richtig?

Querky
17.11.2023, 18:46:01
Genau @[CR7](145419) du steigst dann bei der materiellen Verfassungsmäßigkeit aus.
Jan
25.7.2023, 15:57:47
Die letzte Frage mit dem "Kann" ist, finde ich, missverständlich formuliert: Das liest sich so, als sei an solcher Eingriff niemals gerechtfertigt.
Flohm
26.4.2024, 10:10:08
Schön wären weitere Aufgaben zur Stufentheorie. Ich weiß, dass dies eine Grundsatz-Entscheidung ist, aber alleine dient sie in der Form nicht der Wissensüberprüfung. Das meiste Wissen steht in den Erklärungsboxen und man wird nicht anregt groß „mitzudenken“.

Linne_Karlotta_
11.10.2024, 16:55:57
Hey, danke für dein Feedback. In der Tat ging es uns an dieser Stelle vor allem darum, die Grundsatzentscheidung darzustellen. Zum systematischen Lernen und Wiederholen der Drei-Stufen-Theorie empfehle ich unseren Grundrechte-Kurs: https://applink.jurafuchs.de/RJpBuZiTBNb Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs–Team

G0d0fMischief
27.8.2024, 14:15:56
Wäre es falsch, bei der Berufsfreiheit im Prüfungspunkt Eingriff zunächst den klassischen Eingriff zu definieren und dann festzustellen, dass für einen Eingriff in die Berufsfreiheit zusätzlich eine
berufsregelnde Tendenzverlangt wird?

Wendelin Neubert
28.8.2024, 16:02:02
Danke für Deine Frage @[G0d0fMischief](217996). Das wäre nicht falsch, aber es wäre etwas umständlich und Du liefest in der Klausur Gefahr, dass Dein Korrektur zunächst denkst, Du wüsstest nicht, dass es für einen Eingriff in die Berufsfreiheit einer berufsregelnden Tendenz der
hoheitlichen Maßnahme bedarf, sodass er zunächst einen negativen Eindruck von Dir hat, auch wenn Du den Stichpunkt dann später nennst. Ich würde – so wie in der Falldarstellung – dazu tendieren, gleich zu Beginn der Eingriffsprüfung klarzustellen, dass (und warum) für einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG eine
berufsregelnde Tendenzerforderlich
ist. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

G0d0fMischief
28.8.2024, 18:15:48
Alles klar dann mach ich das so, danke Dir! ☺️
SM2206
7.2.2025, 04:45:57
Ein
klassischer Eingriffhat immer eine
berufsregelnde Tendenz. Er ist nämlich durch eine unmittelbare, finale (!), imperative und rechtsförmliche Maßnahme definiert. Final bedeutet ja, dass die Beeinträchtigung des grundrechtlichen Schutzbereichs durch das staatliche Handeln gerade bezweckt ist. Würde man das als Fehler werten, wäre das ein glatter Remonstrationsgrund.
Marvin Hort
5.9.2024, 17:08:33
Hallo, nach diesem Fall bin ich leider etwas verwirrt. In den vorherigen Fällen habt ihr bereits schon bei den subjektiven Zulassungsvoraussetzungen (2. Stufe) ein „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“ gefordert. Jetzt in diesem Fall spracht ihr auf der Stufe nur noch von einem „gewichtigen Gemeinschaftsgut“ und erst bei der 3. Stufe ein „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“ verlangt. So habe ich das auch zuvor gelernt gehabt. Habt ihr die Begrifflichkeit nun synonym verwendet? Würde mich über eine Klarstellung nochmal freuen! :)

Sebastian Schmitt
10.9.2024, 15:54:19
Hallo Marvin, vielen Dank für Deinen Hinweis. Du hast vollkommen Recht, dass die typischen Formulierungen "wichtig/gewichtig" auf Stufe 2 und "überragend wichtig" auf Stufe 3 sind. Das ist zwar keine besonders trennscharfe Differenzierung, man sollte bei den Formulierungen aber natürlich einheitlich sein und wir wollen uns hier am üblichen Sprachgebrauch orientieren. Leider kann ich nicht ganz genau nachvollziehen, auf welche "vorherigen Fälle" Du dich beziehst. Ich habe unsere Lerneinheiten noch einmal gecheckt und in mehreren Fällen sind mir tatsächlich die von Dir genannten Uneinheitlichkeiten aufgefallen und ich habe sie korrigiert. Wegen der üblichen Probleme von Suchfunktionen kann ich aber leider nicht garantieren, alle relevanten Fälle erwischt zu haben. Falls Dir also nach wie vor etwas auffällt, sag mir gerne nochmal Bescheid, idealerweise mit einem Hinweis auf ein prägnantes Schlagwort oder eine Wortkombination des Sachverhalts, damit ich den Fall leichter finde. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Mathis
23.11.2024, 08:11:58
@[Sebastian Schmitt](263562) Mir ist das auch bei der Aufgabe „Subjektive Berufsregelung: Kontrollfall“ aufgefallen. Dort heißt es: „Auf Stufe 2 der Drei-Stufen-Theorie stehen subjektive Zulassungsvoraussetzungen. Diese können durch den Schutz eines überragenden Gemeinschaftsguts gerechtfertigt werden, das Vorrang vor der Freiheit des Einzelnen hat.“ https://applink.jurafuchs.de/vIYCeEgJKOb

Sebastian Schmitt
23.11.2024, 09:27:21
Hallo @[Mathis](208543), vielen Dank, wir haben das korrigiert. Solche Hinweise sind wirklich super hilfreich für uns! Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

S
14.5.2025, 14:58:03
@[Sebastian Schmitt](263562) Mir ist das auch bei den Aufgaben "Wiederholungskarte: Drei-Stufen-Theorie (Eingriffsbestimmung Fall 1)" und "Wiederholungskarte: Drei-Stufen-Theorie (Eingriffsbestimmung Fall 2" aufgefallen. Dort wird in dem Erklärungstext bei der 2. Stufe ebenfalls schon vom überragenden Gemeinschaftsgut gesprochen ("Diese bereits etwas schwerer wiegenden Eingriffe können durch den Schutz eines überragenden Gemeinschaftsguts gerechtfertigt werden, das Vorrang vor der Freiheit des Einzelnen hat."). https://applink.jurafuchs.de/AlfFskfBmTb https://applink.jurafuchs.de/MhyEnwJAmTb

Sebastian Schmitt
15.5.2025, 08:36:00
Hallo @S, vielen Dank auch Dir für den guten Hinweis und vor allem die konkrete Verlinkung der Fälle. Wir haben das jetzt auch in den genannten Aufgaben angepasst. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
13.4.2025, 23:52:20
warum ist es keine subjektive Berufswahlregelung? der Apotheker hat es doch eigentlich selbst in der Hand, ob die wirrschaftliche Grundlage seiner Apotheke gesichert ist? oder was ist mit wirtschaftlicher Grundlage gemeint?