Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Grundfall: AK unbegründet, weil VA rechtmäßig

Grundfall: AK unbegründet, weil VA rechtmäßig

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Reichsbürger R erkennt die deutsche Rechtsordnung nicht an. Er begeht Ordnungswidrigkeiten und verweigert die Bezahlung der Bußgelder. Die zuständige Behörde widerruft deswegen formell rechtmäßig Rs Waffenbesitzkarte mit der Begründung, R besäße nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Rs Anfechtungsklage ist zulässig.

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Einordnung des Falls

Grundfall: AK unbegründet, weil VA rechtmäßig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Anfechtungsklage ist darauf gerichtet, dass die zuständige Behörde R eine neue Waffenbesitzkarte ausstellt (§ 42 Abs. 1 VwGO).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Anfechtungsklage ist grundsätzlich darauf gerichtet, dass das Gericht einen wirksamen Verwaltungsakt aufhebt. Begehrt der Kläger dagegen den Erlass eines Verwaltungsakts, ist die Verpflichtungsklage die richtige Klageart. R begehrt zwar letztlich, dass er wieder eine wirksame Erlaubnis (= Verwaltungsakt) des Waffenbesitzes hat. Da er diese aber bereits hatte und die Erlaubnis nur durch den Widerruf der Behörde unwirksam geworden ist, muss er erfolgreich gegen den Widerruf vorgehen. Hebt das Gericht den Widerruf (= Verwaltungsakt) auf, so entfaltet seine Waffenbesitzkarte erneut Wirksamkeit. Merke: Immer, wenn schon mal ein Verwaltungsakt in der Welt war, der dem Klägerbegehren entsprach, ist gegen den Verwaltungsakt vorzugehen, der die Wirkung des begünstigten Verwaltungsakts beendet hat.
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2. Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der (belastende) Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Ja!

In der Begründetheit der Anfechtungsklage wird die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakt sowie die individuelle Rechtsverletzung des Klägers geprüft. Der Widerrufsbescheid müsste rechtswidrig sein und R in seinen subjektiven Rechten verletzen.Ein Verwaltungsakt, durch den der Kläger in seinen Rechten verletzt wird, ist immer auch rechtswidrig, aber ein Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist, verletzt nicht auch immer Rechte des Klägers. In dieser zusätzlichen Voraussetzung spiegelt sich wider, dass die Anfechtungsklage kein objektives Beanstandungsverfahren rechtswidriger Verwaltungsakte ist, sondern immer auch eine subjektive Rechtsverletzung erfordert.

3. Der Widerruf müsste zunächst aufgrund einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage ergangen sein. In Betracht kommt hier § 45 Abs. 2 WaffG.

Genau, so ist das!

Ein Verwaltungsakt ist rechtmäßig, wenn er aufgrund einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage ergangen ist und im übrigen formell und materiell rechtmäßig ist. Im Rahmen der Begründetheit der Anfechtungsklage wird daher zunächst geprüft, ob eine rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des Verwaltungsakts bestand. Als Ermächtigungsgrundlage kommt hier § 45 Abs. 2 WaffG in Betracht. Diese Vorschrift ist als lex specialis vorrangig zu den §§ 48, 49 VwVfG. An der Rechtmäßigkeit dieser Vorschrift bestehen keine Zweifel. Eine Ermächtigungsgrundlage ist rechtmäßig, wenn sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Sollte dies in der Klausur einmal ausführlicher zu thematisieren sein, wirst Du dazu entsprechende Hinweise im Sachverhalt finden.

4. Ein Verwaltungsakt ist formell rechtmäßig, wenn er die anwendbaren Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften einhält.

Ja, in der Tat!

In der Begründetheit der Anfechtungsklage wird im zweiten Schritt geprüft, ob der Verwaltungsakt formell rechtmäßig ergangen ist. Spezielle Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften können sich aus dem Gesetz, in dem auch die Ermächtigungsgrundlage zu finden ist, ergeben. Ist dort nichts geregelt, muss auf die allgemeinen Vorschriften (insbesondere §§ 28, 39 VwVfG ) zurückgegriffen werden. Der Widerruf von Rs Waffenbesitzkarte war formell rechtmäßig. Gibt es im Sachverhalt keine weiteren Ausführungen bezüglich der formellen Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, kannst Du davon ausgehen, dass der Verwaltungsakt formell rechtmäßig ist.

5. Die gesetzlichen Voraussetzungen des Widerrufs (§ 45 WaffG) liegen hier vor.

Ja!

Im letzten Schritt wird im Rahmen der Begründetheit der Anfechtungsklage die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts geprüft. Materiell rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt, wenn er mit dem materiellen Recht vereinbar ist. Dafür müssen zunächst die materiellen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt sein. Das bedeutet, dass der Tatbestand der Norm erfüllt ist und die Behörde richtige Rechtsfolge angeordnet hat. Dadurch, dass R durch sein Verhalten zeigt, dass er sich nicht entsprechend der Rechtsordnung der BRD verhalten wird, liegt die für die Erteilung einer Waffenbestizerlaubnins erforderliche Zuverlässigkeit (§§ 4 Abs.1 Nr. 2 WaffG, 5 WaffG) nicht mehr vor. Der Tatbestand des § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG ist erfüllt. Als Rechtsfolge ist die Waffenbesitzkarte zu widerrufen. Hier arbeitest Du in der Klausur bitte kleinschrittiger und ausführlicher. Die materielle Prüfung ist regelmäßig ein Klausurschwerpunkt.

6. Der Widerruf ist rechtmäßig und der R nicht in seinen Rechten verletzt. Die Anfechtungsklage ist unbegründet.

Genau, so ist das!

Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Eine subjektive Rechtsverletzung setzt rechtslogisch immer ein rechtswidriges Handeln (hier: rechtswidrigen Verwaltungsakt) voraus. Der Widerruf von Rs Waffenbesitzkarte ist formell und materiell rechtmäßig aufgrund einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage ergangen. Damit liegt auch keine subjektive Rechtsverletzung des R vor. Liegt schon kein rechtswidriger Verwaltungsakt vor, kannst Du auf die Prüfung der subjektiven Rechtsverletzung verzichten. Dein Ergebnis kann wie folgt lauten: "Der Verwaltungsakt ist rechtmäßig und der Kläger daher nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt. Die Anfechtungsklage ist unbegründet."
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SAUFE

Saufen_Fetzt

27.2.2023, 12:50:11

Am end wäre es nice, hier noch ausdrücklich zwischen Rücknahme (Abs 1) und Widerruf (Abs 2) zu differenzieren. Es kostet auch in der Klausur nur einen Satz, aber macht Korrektoren happy.

DeliktusMaximus

DeliktusMaximus

11.3.2023, 23:42:55

Wenn das bloße Nichtanerkennen unserer Rechtsordnung ausreicht, um einem Reichsbürger den Waffenschein zu entziehen, warum haben dann so viele Neonazis und Reichbürger trotdzem legale Schusswaffen, wie man aus der aktuellen Diskussion entnehmen kann? Das ist keine polemische Frage. Wenn es so einfach ist, einem Staatsfeind die Waffe wegzunehmen, wo liegt dann das Problem der Gerichte und

Behörde

n?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

12.3.2023, 10:01:29

Hallo DeliktusMaximus, danke für deine Frage. Ein bisschen bräuchte man für die Antwort eine Glaskugel, denn eine eindeutige pauschale Antwort gibt es dazu nicht. Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen Neonazis und Reichsbürgern, wobei letztere erst seit etwa 15 Jahren verstärkt in Erscheinung treten. Zu Neonazis lässt sich sagen, dass durchaus beobachtet wird, dass diese unter Verschleierung ihrer Ansichten durch Mitgliedschaft in Sportschützenvereinen eine Waffenerlaubnis erhalten. Scheidler führt dazu aus: "Naheliegend wäre es, bei Personen, die der rechtsextremen Szene angehören, prognostisch davon auszugehen, dass sie Waffen missbräuchlich verwenden, so dass ihnen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG die Zuverlässigkeit fehlt. Einer dermaßen strengen und pauschalierenden Auslegung des Waffengesetzes hat das BVerwG aber eine Absage erteilt: „Das Vorliegen einer ‚extremen politischen Einstellung und deren nicht verbotener Verbreitung’ besagt für sich genommen noch nichts darüber, ob der Antragsteller künftig mit Waffen und Munition ordnungsgemäß umgehen wird. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten." (Scheidler in LKRZ 2012, 86). Zu Reichsbürgern gilt ähnliches: neben der bloßen Sympathiebekundung mit der Bewegung müssen weitere Anhaltspunkte hinzutreten. Es lässt sich aber beobachten, dass Gerichte hier deutlich großzügiger die Unzuverlässigkeit annehmen und weniger konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall fordern. Wie du siehst, ist es nicht einfach eine Antwort zu geben. Politischer Wille spielt bei all dem natürlich auch eine Rolle. Viele Grüße - Nora, für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

18.11.2023, 17:22:41

Welche Nummer in § 5 I bzw. II WaffG wäre im konkreten Fall verwirklicht?

Paulah

Paulah

19.11.2023, 14:59:57

Im Urteil wurde auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG abgestellt.

LELEE

Leo Lee

25.11.2023, 14:30:39

Hallo Dogu, wie Paulah richtigerweise anmerkt, wurde in der Entscheidung § 5 I Nr. 2 WaffG benannt, hierunter wurde dann subsumiert, dass ein Reichsbürger, der die Rechtsordnung der BRD nicht anerkennt, vermutlich nich zuverlässig mit einer Waffe umgehen wird (etwa dadurch, dass er bereit ist, seine Waffe gegen die BRD einzusetzen, die er ablehnt). Die Erwähnung findest du bei Rn. 10 ff. bei https://openjur.de/u/2169237.html :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

23.3.2024, 14:33:17

Das klingt aber ein wenig konstruiert meiner Meinung nach.


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