Grundfall: Sachmangelbegriff, gewöhnliche Verwendung (§ 633 Abs. 2 S. 2 BGB)

29. April 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bauunternehmerin B soll für die Stadt S alle größeren Verkehrsstraßen ausleuchten. S möchte die Laternen mit einer Veranstaltung um Mitternacht feierlich einweihen. Als die Beleuchtung eingeschaltet wird, sieht Bürgermeisterin M jedoch nicht einmal die Hand vor Augen.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Sachmangelbegriff, gewöhnliche Verwendung (§ 633 Abs. 2 S. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat ein Werk frei von Sachmängeln herzustellen. Ein Sachmangel ist das Abweichen der Ist- von der Sollbeschaffenheit.

Ja!

Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- oder Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 633 Abs. 1 BGB). Ein Sachmangel ist genauso wie im Kaufrecht das Abweichen der Ist- von der Sollbeschaffenheit.
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2. Für die Bestimmung der Sollbeschaffenheit kommt es primär auf die vereinbarte Beschaffenheit und die vertraglich vorausgesetzte Verwendung an.

Genau, so ist das!

Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB). Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB). Bei beidem kommt es auf die vertragliche Vereinbarung an. Deshalb handelt es sich hierbei um den subjektiven Mangelbegriff.

3. Besteht keine Beschaffenheitsvereinbarung oder eine besondere vertragliche Verwendung muss sich das Werk für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine gewöhnliche Beschaffenheit aufweisen (§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Primär ist der subjektive Mangelbegriff. Besteht keine Beschaffenheitsvereinbarung oder besondere vertragliche Verwendung, muss sich das Werk für die gewöhnliche Verwendung eignen und eine Beschaffenheit aufweisen, die bei Werken gleicher Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann (§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB). Das ist der objektive Mangelbegriff.

4. Weder eine Beschaffenheitsvereinbarung noch eine besondere vertragliche Verwendung der Laternen liegen vor.

Ja!

S und B haben keine Beschaffenheit vereinbart. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Laternen besonders eingesetzt werden sollen.

5. Die von B gebaute Beleuchtung eignet sich für die gewöhnliche Verwendung von Straßenlaternen und hat eine Beschaffenheit, die der Besteller erwarten kann.

Nein, das ist nicht der Fall!

Erst in letzter Linie kommt es für einen Sachmangel auf das objektive Kriterium der gewöhnlichen Verwendung an. Die Beschaffenheit muss bei Sachen der gleichen Art üblich sein. Welche Beschaffenheit der Besteller erwarten kann, bestimmt sich nach dem Erwartungshorizont eines Durchschnittsbestellers. Straßenlaternen werden gewöhnlicherweise für das Ausleuchten der Straße verwendet. Sie müssen dafür hell genug sein. Dies kann der Käufer auch erwarten. Die von B gebauten Straßenlaternen sind jedoch zu dunkel. Sie leuchten die Straße nicht aus.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

S.

s.t.

5.9.2021, 18:36:02

Ich verstehe nicht wieso das keine vereinbarte Beschaffenheit ist ? Die B soll die Straßen aufleuchten, das impliziert doch eine Vereinbarung der Beleuchtung über das normalerweise hinausgehende Beöeichtungsmittel, welches alles (!) Sichtbar machen soll.. durch das zu dunkle Licht ist, es eben nicht gegeben..

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

7.12.2021, 23:11:09

Die Straße wird ausgeleuchtet, allerdings nicht so hell, wie es regelmäßig üblich ist. Ich denke, so kann man jedenfalls den Sachverhalt drehen, so dass keine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit vorliegt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.12.2021, 11:56:10

Hallo ihr beiden, in der Tat ist die Frage, inwieweit eine Beschaffenheit vereinbart wurde, letztlich immer eine Auslegungsfrage des Einzelfalls. Da ein Mangel sowohl beim Abweichen von der vereinbarten Beschaffenheit (subjektiv) als auch beim Abweichen der objektiv geschuldeten Beschaffenheit vorliegt, führt das im Ergebnis aber in der Regel nicht zu identischen Lösungen. Wichtig ist insoweit, dass man die gewählte Variante entsprechend mit Argumenten unterfüttert. Im Kaufrecht wird zudem ab 1.1.2022 der subjektive dem objektiven Mangelbegriff gleichgestellt (§ 434 Abs. 1 BGB nF), wodurch sich die Abgrenzung noch weiter entschärft. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PR

Prokurist

26.9.2022, 15:32:43

Für mich wäre der Fall hier auch eher über den subjektiven Mangelbegriff zu lösen. Zwar liegt keine vereinbarte Beschaffenheit vor aber die Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung fehlt aus meiner Sicht, da für die B zu erkennen war, dass die Laternen für größere Verkehrsstraßen eine bestimmte Leuchtkraft haben müssen. Auch wenn es im Ergebnis natürlich keinen Unterschied macht…

CR7

CR7

12.10.2023, 12:42:23

Ich sehe das wie @[Prokurist](187690), ich hätte das auch so gelöst.

G0d0fMischief

G0d0fMischief

24.11.2024, 13:09:37

@[Prokurist](187690) @[CR7](145419) genau es hätte sich jedenfalls durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergeben müssen, dass hier eine bestimme Leuchtkraft vorausgesetzt wird. Zumal die Stadt ja auch aus der Daseinsfürsorge gewisse Verkehrssicherungspflichten gegenüber den Bürgern trifft und dies dem Werkunternehmer im konkreten Fall bewusst sein muss. Ich finde es generell befremdlich, wenn ein Unternehmer wirklich redlich davon ausgehen kann, dass sich Straßenlaternen, von so geringer Leuchtkraft für die im vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignen. @[Lukas_Mengestu](136780)

Lota Coffee

Lota Coffee

31.3.2025, 22:38:13

Ich schließe mich meinen Vorrednern an. Gerade im Vergleich zu dem „Auto–Tuning“ Fall (?) in diesem Abschnitt, bei welchem eine vertragliche Absprache zur Verwendung zum Rennenfahren angenommen wurde, erschließt sich mir i.v.F.nicht, warum die Leuchtkraft nach diesem Verständnis nicht subjektiv vorausgesetzt angenommen wird.

CSCH

cSchmitt

15.4.2025, 16:44:34

Ich vermute mal, es kommt daher, dass der Sachverhalt keinerlei Aussage zu einem subjektiven Moment enthält. Im Gegensatz dazu war im vorherigen "Auto-Tuning" Fall explizit die Rede davon, dass der Unternehmer die gewollte Verwendung erkannte (Rennen fahren). Deshalb wird hier auf den objektiven Mangelbegriff abgestellt. Im Ergebnis kommt man hier zum gleichen Fazit, sollte jedoch nicht etwas in den Sachverhalt reinlesen, was dort nicht steht.

KI

kim.

19.4.2025, 10:11:04

Liebes Jurafuchsteam, wie schon vor 3 Jahren geschrieben wurde, widersprechen sich bei der vorletzten Frage Sachverhalt und Lösung: Die Lösung verneint eine vereinbarte oder vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit, im Fall ist jedoch ausdrücklich die Rede davon, dass die Straße ausgeleuchtet werden soll. Unter "ausleuchten" ist ein die Sicht ermöglichendes Maß an Licht zu verstehen, das hier offensichtlich nicht vorliegt. Hier darauf abzustellen, es sei nur das - nicht als Vertragsinhalt genannte - Aufstellen von Laternen gefordert, wäre einerseits völlig fernab jeder alltagsnahen Auslegung, andererseits auch in Widerspruch zum Sachverhaltswortlaut. Wäre toll, wenn Ihr dies beheben könntet! Danke.


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