Öffentliches Recht

Grundrechte

Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)

Negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Kruzifix im Klassenzimmer

Negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Kruzifix im Klassenzimmer

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im Klassenzimmer des Grundschülers A hängt, wie von den Schülern und Eltern mehrheitlich befürwortet, ein Kruzifix. Eltern E erziehen A jedoch im Sinne einer anthroposophischen Weltanschauung und fordern die Entfernung des Kreuzes. Schulleiter S nimmt das Kreuz ab.

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Einordnung des Falls

Negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Kruzifix im Klassenzimmer

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Minderjährige A ist selbst Träger der negativen Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

Genau, so ist das!

Träger der positiven als auch negativen Glaubensfreiheit sind alle natürlichen Personen und somit auch Kinder. Diese sind bereits ab ihrer Geburt grundrechtsfähig. Das bedeutet, sie selbst sind Träger ihrer Grundrechte. A ist Träger seiner negativen Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Er ist trotz seiner Minderjährigkeit grundrechtsfähig. Bis zur Religionsmündigkeit im Alter von 14 Jahren muss das Recht des Kindes auf Glaubensfreiheit jedoch durch seine Eltern oder einen Betreuer vor Gericht geltend gemacht werden. Dies folgt aus § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (KErzG).
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2. Die negative Glaubensfreiheit gewährleistet, dass A im Sinne seiner elterlichen Erziehung gar nicht mit religiösen Symbolen konfrontiert werden darf.

Nein, das trifft nicht zu!

Die negative Glaubensfreiheit umfasst das Recht, keine religiöse Überzeugung zu bilden bzw. diese abzulehnen. Nicht geschützt ist es, überhaupt nicht mit der Religion oder den Überzeugungen anderer konfrontiert zu sein. Es existiert kein Konfrontationsschutz. Die negative Glaubensfreiheit gewährleistet mithin nicht, dass A grundsätzlich im Sinne der elterlichen Erziehung von der Konfrontation mit religiösen Symbolen verschont bleibt.

3. Das Aufhängen des Kruzifixes im Klassenraum auf Wunsch der Mehrheit von Eltern und Schülern ist von deren positiver Glaubensfreiheit geschützt.

Ja!

Die Bekenntnisfreiheit als Teil des forum externum der Glaubensfreiheit umfasst das Recht des Einzelnen, seinen Glauben im Wege religiös geprägter Meinungsäußerung nach außen kundzutun. Dieses Bekenntnis kann in Wort, Schrift und durch Symbolik erfolgen. Das Aufhängen des Kruzifixes im Klassenraum auf mehrheitlichen Wunsch von Eltern und Schülern ist von deren positiver Religionsfreiheit gedeckt. Das Kruzifix stellt ein Symbol dar, mithilfe dessen ein religiöses Bekenntnis zum Ausdruck gebracht wird. Ob der Schutz der negativen Glaubensfreiheit des A oder der positiven Glaubensfreiheit der Mehrheit der Schüler nun Vorrang hat, ist eine Frage der Rechtfertigung. Dort erfolgt die Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen. Dazu später mehr.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SCH

Schwanzanwaltschaft

2.7.2024, 13:09:36

Moin Moin, warum wird das Aufhängen des Kreuzes, auch wenn dies auf Wunsch der Eltern geschah, nicht dem Staat zugerechnet. So dass ein Berufen auf die Glaubensfreiheit ausgeschlossen wäre (

Konfusionsargument

) ?

ROBE

Robert

9.8.2024, 12:11:32

Das würde ich auch gern wissen. An dieser Stelle ist die Rechtslage und -sprechung dogmatisch schwammig und nicht konsequent. Der Staat hat sich keiner religiösen Symbole zu bedienen.


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