Öffentliches Recht

Grundrechte

Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)

Negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Kruzifix im Klassenzimmer

Negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Kruzifix im Klassenzimmer

24. Januar 2025

6 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im Klassenzimmer des Grundschülers A hängt, wie von den Schülern und Eltern mehrheitlich befürwortet, ein Kruzifix. Eltern E erziehen A jedoch im Sinne einer anthroposophischen Weltanschauung und fordern die Entfernung des Kreuzes. Schulleiter S nimmt das Kreuz ab.

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Einordnung des Falls

Negative Religions- und Weltanschauungsfreiheit: Kruzifix im Klassenzimmer

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Minderjährige A ist selbst Träger der negativen Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

Genau, so ist das!

Träger der positiven als auch negativen Glaubensfreiheit sind alle natürlichen Personen und somit auch Kinder. Diese sind bereits ab ihrer Geburt grundrechtsfähig. Das bedeutet, sie selbst sind Träger ihrer Grundrechte. A ist Träger seiner negativen Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Er ist trotz seiner Minderjährigkeit grundrechtsfähig. Bis zur Religionsmündigkeit im Alter von 14 Jahren muss das Recht des Kindes auf Glaubensfreiheit jedoch durch seine Eltern oder einen Betreuer vor Gericht geltend gemacht werden. Dies folgt aus § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (KErzG).
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2. Die negative Glaubensfreiheit gewährleistet, dass A im Sinne seiner elterlichen Erziehung gar nicht mit religiösen Symbolen konfrontiert werden darf.

Nein, das trifft nicht zu!

Die negative Glaubensfreiheit umfasst das Recht, keine religiöse Überzeugung zu bilden bzw. diese abzulehnen. Nicht geschützt ist es, überhaupt nicht mit der Religion oder den Überzeugungen anderer konfrontiert zu sein. Es existiert kein Konfrontationsschutz. Die negative Glaubensfreiheit gewährleistet mithin nicht, dass A grundsätzlich im Sinne der elterlichen Erziehung von der Konfrontation mit religiösen Symbolen verschont bleibt.

3. Das Aufhängen des Kruzifixes im Klassenraum auf Wunsch der Mehrheit von Eltern und Schülern gibt deren positiver Glaubensfreiheit Raum.

Ja!

Die Bekenntnisfreiheit als Teil des forum externum der Glaubensfreiheit umfasst das Recht des Einzelnen, seinen Glauben im Wege religiös geprägter Meinungsäußerung nach außen kundzutun. Dieses Bekenntnis kann in Wort, Schrift und durch Symbolik erfolgen. Das Aufhängen des Kruzifixes ermöglicht den christlichen Eltern und Schüler, ihre Glaubensüberzeugung im Rahmen staatlicher Institutionen zu betätigen. Damit betrifft es deren positive Religionsfreiheit. Das Kruzifix stellt ein Symbol dar, mithilfe dessen ein religiöses Bekenntnis zum Ausdruck gebracht wird. Ob der Schutz der negativen Glaubensfreiheit des A oder der positiven Glaubensfreiheit der Mehrheit der Schüler nun Vorrang hat, ist eine Frage der Rechtfertigung. Dort erfolgt die Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen. Dazu später mehr.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SCH

Schwanzanwaltschaft

2.7.2024, 13:09:36

Moin Moin, warum wird das Aufhängen des Kreuzes, auch wenn dies auf Wunsch der Eltern geschah, nicht dem Staat zugerechnet. So dass ein Berufen auf die Glaubensfreiheit ausgeschlossen wäre (

Konfusionsargument

) ?

ROBE

Robert

9.8.2024, 12:11:32

Das würde ich auch gern wissen. An dieser Stelle ist die Rechtslage und -sprechung dogmatisch schwammig und nicht konsequent. Der Staat hat sich keiner religiösen Symbole zu bedienen.

Tobias Krapp

Tobias Krapp

19.10.2024, 00:03:14

Hallo @[Schwanzanwaltschaft](102976), danke für deine sehr berechtigte Nachfrage! Dogmatisch war der Gedanke des BVerfG der Folgende: Zwar kann der Staat, wie du richtig ausführst, nicht selbst Grundrechtsträger sein. Allerdings gibt er durch das Aufhängen des Kreuzes der Glaubensfreiheit der Eltern und Schüler christlichen Glaubens Raum. Das Aufhängen schafft die Möglichkeit, die christliche Glaubensüberzeugung im Rahmen staatlicher Institutionen zu betätigen. Die Folgefrage, die sich dann stellt: Hat der Bürger denn darauf einen Anspruch gegen den Staat? Wenn ja, könnte man ja sagen, diesen erfüllt der Staat hier durch das Aufhängen. Das ist also hier der Ansatzpunkt. Antwort des BVerfG übrigens: Nein, so einen Anspruch gibt es nicht, da in einer staatlichen Institution keine "Ausweichmöglichkeit" besteht. Mehr dazu hier: https://applink.jurafuchs.de/boj0QTeVNNb. Als kurze Vertiefung kann ich hierzu auch NJW 2017, 3072 empfehlen! Die Aufgabenstellung war hier bisher insoweit etwas ungenau, da das Aufhängen selbst ja nicht durch die Glaubensfreiheit "geschützt" ist, sondern lediglich die Ausübung der positiven Glaubensfreiheit ermöglicht. Ich habe das sprachlich präzisiert. Vielen Dank dir hier und @[Robert](242524) für das Nachhaken! Ich hoffe, das hat die Frage geklärt. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias


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