Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Individuum (positive Glaubensfreiheit)
Individuum (positive Glaubensfreiheit)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der 20-jährige A und sein 14-jähriger Bruder B sind streng gläubige Juden. Über Nacht identifizieren sie sich plötzlich als Buddhisten. Gemeindevorsteher G verbietet den Glaubenswechsel. Vor allem B sei viel zu jung, dies selbst zu entscheiden.
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Einordnung des Falls
Individuum (positive Glaubensfreiheit)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A kann sich bezüglich seines Glaubenswechsels auf seine Glaubensfreiheit berufen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B ist als 14-Jähriger nicht selbst Träger der Glaubensfreiheit, sondern seine Eltern. Er kann sich nicht auf die Glaubensfreiheit berufen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Natze
14.2.2024, 16:44:24
nochmal zur Klarstellung für holzköpfen wie mir: Sofern ein 12 jähriges Kind den Wunsch hegt seine Religion zu wechseln o.ä. muss es sich von den Eltern vertreten lassen bzw erhält einen Betreuer, wenn die Eltern eine genehmigung/ vertretung verweigern? es könnte aber dennoch prozessual sein GR-ohne religionsmündig zu sein- durchsetzen?
Skra8
9.9.2024, 16:37:03
Hi @[Natze](211625), ich finde, das Thema ist auch nicht ganz trivial zu verstehen. Vorweg: Nein, der Zwölfjährige könnte vor dem Bundesverfassungsgericht nicht die Gesamtheit seiner Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG ohne wirksame Prozessvertretung durchsetzen. Zunächst ist es richtig, dass nach § 5 S. 1 KErzG (sog. "Alleinentscheidungsrecht") der Zwölfjährige nicht die Entscheidung darüber hat, welchem religiösen Bekenntnis er sich anschließen will. Das bedeutet: Haben seine Eltern ihn in den muslimischen Glauben eingeführt, kann der Zwölfjährige nicht einfach entscheiden, dass er lieber Christ sein möchte. Der Zwölfjährige kann allerdings gemäß § 5 S. 2 KErzG (sog. "Vetorecht") sich weigern, das bisherige Bekenntnis zu wechseln. Ein Beispiel: Wenn die Eltern Christen werden möchten, der Zwölfjährige aber nicht, darf er dem Religionswechsel widersprechen. Unter dem Strich regelt § 5 KErzG, wann und in welchem Umfang das Kind ein eigenes Antragsrecht im familiengerichtlichen Verfahren erhält (BeckOGK/Bongartz, 1.6.2024, RelKErzG § 5 Rn. 5, beck-online). Allerdings hat diese einfachgesetzliche Regelung auch Einfluss auf das Verfahren der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht nach §§ 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, da die
Prozessfähigkeiteines Minderjährigen infrage steht. Während die Religionsfreiheit grundsätzlich jedem Menschen zusteht (BeckOK GG/Germann, 58. Ed. 15.6.2024, GG Art. 4 Rn. 26, beck-online), also auch einem Zwölfjährigen, stellt sich bei Minderjährigen die Frage der "
Grundrechtsmündigkeit". In diesem Zusammenhang werden §§ 5, 6 KErzG regelmäßig relevant, da diese einfachgesetzlichen Regelungen auch die Verfahrensfähigkeit für eine Verfassungsbeschwerde bestimmen können (Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Bethge, 63. EL Juni 2023, BVerfGG § 90 Rn. 171, beck-online). Man kann natürlich fragen, ob der Inhalt und somit die Altersgrenze aus §§ 5, 6 KErzG verfassungsgemäß sind, aber ich meine, dieses Thema ist bereits geklärt worden. Vielleicht hilft Dir diese Einordnung?
Natze
9.9.2024, 17:24:48
Hey, vielen vielen Dank für die Antwort! Es hat mir sehr geholfen ☺️