Nicht anwesender Beteiligter

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A stiftet T dazu an, den O zu verprügeln. T stellt also den O und fügt ihm schwere Verletzungen zu. Währenddessen telefoniert er mit A und tauscht sich über die weitere Abendplanung aus.

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Einordnung des Falls

Nicht anwesender Beteiligter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn T die Körperverletzung "mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich" begangen hat, macht er sich auch der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) strafbar.

Ja, in der Tat!

Die abstrakt erhöhte Gefährlichkeit besteht darin, dass durch das Zusammenwirken mehrerer Personen die Angreiferseite massiver vorgehen kann und die Fähigkeit oder Bereitschaft des Opfers zu Verteidigung oder Flucht eingeschränkt wird. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfordert keine konkrete Gefahr erheblicher Verletzungen. Maßgebend ist allein die gefahrerhöhende Mitwirkung am Ort.
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2. "Gemeinschaftliches Begehen" erfordert ein einverständliches Zusammenwirken mindestens zweier Beteiligter.

Ja!

Eine gemeinschaftliche Tatbegehung erfordert, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort als Angreifer einverständlich zusammenwirken.

3. Die "Beteiligten" müssen nach h.M. mittäterschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) handeln.

Nein, das ist nicht der Fall!

Beteiligte sind Täter und Teilnehmer (§ 28 Abs. 2 StGB). Täter sind die in § 25 StGB genannten Täter, Teilnehmer sind Anstifter und Gehilfen (§ 28 Abs. 1 StGB). Nach h.M. ist "gemeinschaftlich" somit nicht (wie in § 25 Abs. 2 StGB) als Terminus technicus der Mittäterschaft gemeint. Dieses Verständnis trifft die gesteigerte Gefährlichkeit, die Nr. 4 beschreibt: Der Täter bedient sich der Unterstützung weiterer Mitwirkender und bringt hierdurch das Opfer in größere Gefahr. Für die im einverständlichen Zusammenwirken liegende Gefahrerhöhung ist die gesetzestechnische Beteiligtenrolle (Täter oder Teilnehmer) irrelevant. Auch ein Anstifter wie A kann Beteiligter sein.

4. T hat die Körperverletzung des O "mit einem andere Beteiligten gemeinschaftlich" (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) begangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine gemeinschaftliche Tatbegehung erfordert, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort als Angreifer einverständlich zusammenwirken. Da wenigstens eine abstrakt gefahrerhöhende Mitwirkung am Tatort nötig ist, genügt der bloße Anstifter nie den Anforderungen der Nr. 4. Erforderlich wäre, dass er am Tatort konstruktiv mitwirkt. A ist nicht am Tatort anwesend. Auch das Telefonat hat sich nicht gefahrerhöhend ausgewirkt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LEN

Lenny

25.6.2021, 07:51:28

Guten Tag, wie wäre der Fall eurer Meinung nach zu bewerten, wenn A am Tatort zugegen ist und den T zu weiteren verschiedenen (gefährlicheren) Körperverletzungen anstiftet. Was ich meine ist, worauf muss sich die abstrakt gesteigerte Gefährlichkeit beziehen? Muss es tatsächlich eine potienzielle körperliche Gefährlichkeit des Beteiligten gegeben sein oder reicht die (durch die Anstiftung psychisch erfolgte) Erhöhung der physischen Gefahr des Täters.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.7.2021, 18:42:30

Moin Lenny, auch dies mal wieder eine sehr schöne Frage. Eine abstrakt erhöhte Gefährlichkeit liegt vor, wenn durch die Mitwirkung die Angreiferseite massiver vorgehen kann oder die Fährigkeit oder Bereitschaft des Opfers zur Verteidigung oder Flucht herabgesetzt ist. Insofern zählen nur solche Mitwirkungen, bei denen das der Fall sein kann, zB Der Beteiligte 1) schreitet tatsächlich physisch ein, indem er verletzt, festhält, an der Flucht hindert... oder er ist 2) tatsächlich unterstützungsbereit und wird vom Opfer auch so wahrgenommen oder 3) er ist zwar tatsächlich nicht unterstützungsbereit, aber suggeriert dem Opfer die Unterstützungsbereitschaft. Maßgeblich ist insoweit weniger die Anwesenheit, sondern die gefahrerhöhende Mitwirkung (vgl. MüKo-StGB/Hardtung, 4. A. 2021, § 224 Rn. 38). Bei dem von Dir gebildeten Fall handelt es sich um einen Grenzfall. Wenn sich die Handlung allein auf eine Bestärkung des Tatentschlusses beschränkt und es ist vollkommen klar, dass A nicht eingreifen wird (also keine Erhöhung der körperlichen Gefährlichkeit), so liegt darin regelmäßig keine spezifische Gefahrerhöhung und eine gemeinschaftliche Begehung wäre insoweit abzulehnen (vgl. MüKo-StGB/Hardtung, 4.A. 2021, § 224 Rn. 38). Allerdings wird man hier - je nach konkreter Lage - wohl häufig auch annehmen können, dass das Opfer befürchten musste, der Teilnehmer würde sich ggfs. ebenfalls an der körperlichen Auseinandersetzung beteiligen. Wenn A dagegen den T nicht nur abstrakt motiviert, sondern konkrete Ratschläge gibt (zB Beteiligter gibt dem Täter bei Herannahen des Opfers ein Signal zum Schuss - BGH, NStZ 2006, 572), so kann hierdurch bereits eine spezifische Gefahrerhöhung vorliegen, weswegen von einer abstrakt gesteigerten Gefährlichkeit ausgegangen werden kann. Hier bedürfte es also nicht der potenziellen körperlichen Gefährlichkeit des Beteiligten. Ich hoffe jetzt ist es klar geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LEN

Lenny

2.7.2021, 22:03:22

Hallo Lukas, wahnsinn, danke für die tolle Antwort 🙏Auf jeden Fall eine sehr große Hilfe. Danke auch für die Quellenangaben. Gruß Lenny

lennart20

lennart20

21.3.2023, 19:38:28

Kann man das Qualifikationsmerkmal Nr.4 auch prüfen, wenn im Bearbeitervermerk von Alleintäterschaft auszugehen ist?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.3.2023, 14:21:03

Hallo lennart20, danke für deine Frage. Wenn nur die auf die Strafbarkeit eines Beteiligten eingegangen werden soll, kann dennoch der § 224 Nr. 4 StGB zu prüfen. Wenn im Bearbeitervermerk Alleintäterschaft vorgeschrieben ist, kommt es drauf an. Es war lange umstritten, ob der § 224 Nr. 4 StGB eine Mittäterschaft erfordert oder auch die Teilnahmehandlung ausreichend ist. Nach heute herrschender Meinung reicht ein gemeinschaftliches Zusammenwirken mit einem Gehilfen aus, jedoch müssen die Beteiligten gemeinschaftlich am Tatort tätig sein. Dies setzt ein einverständliches aktives Zusammenwirken vor Ort voraus. Es reicht also nicht, wenn zwei unabhängig voneinander zeitgleich mit Flaschen auf eine Person werfen. Sofern es aber ein Gehilfenstadium erreicht hat, ist der § 224 Nr. 4 StGB möglich. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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