Öffentliches Recht
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Entscheidungen von 2021
Berliner Mietendeckel BVerfG
Berliner Mietendeckel BVerfG
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Im Bundesland Berlin steigen die Mieten immer weiter an. Das Abgeordnetenhaus beschließt daher ein Gesetz zur Regulierung des Wohnungsmarkts (MietenWoG), das die Miethöhen für die nächsten fünf Jahre "einfriert" und die Mieten auf eine gesetzlich bestimmte Maximalhöhe herabsetzt.
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Einordnung des Falls
Im Bundesland Berlin steigen die Mieten immer weiter an. Das Abgeordnetenhaus beschließt daher ein Gesetz zur Regulierung des Wohnungsmarkts (MietenWoG), das die Miethöhen für die nächsten fünf Jahre „einfriert“ und die Mieten auf eine gesetzlich bestimmte Maximalhöhe herabsetzt. Das Bundesverfassungsgericht erklärt das Gesetz für verfassungswidrig, da es bereits an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlins scheitert. Wir haben euch den Fall in der Jurafuchs App aufbereitet. Euch erwartet: Detaillierter Aufbau der abstrakten Normenkontrolle und Erläuterungen zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 17 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zwei Bundestagsfraktionen halten das MietenWoG für verfassungswidrig. Ist eine Fraktion an sich berechtigt beim BVerfG einen Antrag zur abstrakten Normenkontrolle zu stellen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76ff. BVerfGG)?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die 284 Abgeordneten aus CDU/CSU und FDP stellen gemeinsam mehr als ein Viertel der Mitglieder des Bundestags. Sind sie damit antragsberechtigt zur abstrakten Normenkontrolle?
Ja!
3. Ist das MietenWoG zulässiger Antragsgegenstand i.R.d. abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76ff. BVerfGG)?
Genau, so ist das!
4. Die Abgeordneten halten das MietenWoG für nichtig. Stützen sie ihre abstrakte Normenkontrolle damit auf einen zulässigen Antragsgrund (§ 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG)?
Ja, in der Tat!
5. Die Antragsteller müssten ein objektives Klarstellungsinteresse haben. Müssen die Abgeordneten dabei die Verletzung eigener Rechte geltend machen?
Nein!
6. Ist der Antrag auf abstrakte Normenkontrolle begründet, soweit die angegriffene Norm gegen höherrangiges Recht verstößt, also formell und bzw. oder materiell verfassungswidrig ist?
Genau, so ist das!
7. Ausgangspunkt für die Prüfung der Gesetzgebungskompetenz ist Art. 70 Abs. 1 GG. Haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Befugnis dazu verleiht?
Ja, in der Tat!
8. Von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG einmal abgesehen: Enthält das Grundgesetz eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder?
Nein!
9. Spricht bei der Auslegung von Kompetenztiteln eine Vermutung für die Zuständigkeit der Länder?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Ist das MietenWoG öffentlich-rechtlicher Natur und fällt damit aus dem Gegenstand des Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Bürgerliches Recht) der konkurrierenden Kompetenz des Bundes (Art. 72 Abs. 1 GG) heraus?
Nein, das trifft nicht zu!
11. Ergibt sich die Kompetenz des Landes Berlin aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG a.F. ("Wohnungswesen"), die mit der Föderalismusreform durch Streichung in die Kompetenz der Länder überging?
Nein!
12. Fällt die Regulierung von Miethöhen als Gegenstand des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Bürgerliches Recht) in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 72 Abs. 1 GG)?
Genau, so ist das!
13. Sind Regelungen, die der Landesgesetzgeber im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung erlässt, stets verfassungswidrig?
Nein, das trifft nicht zu!
14. Ist das Mietpreisrecht in den §§ 556ff. BGB abschließend geregelt?
Ja!
15. Lassen sich die Regelungen des MietenWoG auf den Kompetenztitel der konkurrierenden Gesetzgebung des „Recht der Wirtschaft“ aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG stützen?
Nein, das ist nicht der Fall!
16. Ist der Berliner Mietendeckel (MietenWoG) außerhalb der Gesetzgebungskompetenz des Landes ergangen und damit verfassungswidrig?
Ja, in der Tat!
17. Hat das BVerfG das MietenWoG wegen Verfassungswidrigkeit mangels Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin für nichtig erklärt?
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tigerwitsch
28.4.2021, 07:45:11
Danke für die sehr schnelle Aufarbeitung! 👍🏻😊
Jonas Neudecker
29.4.2021, 08:57:04
Angesichts der vielen Kritiken gerade auch von Verfassungsrechtlern wäre vlt eine etwas differenziertere Darstellung und nicht ein reines Wiedergeben der Meinung des zweiten Senats wünschenswert gewesen.
Wendelin Neubert
1.5.2021, 15:43:33
Lieber Jonas Neudecker, danke für deine Anregung. In der Tat wollen wir hier noch mehr Input als Vertiefungshinweise aufnehmen. Aktuell findest du dahingehende differenzierte Meinungen zum Thema in den Fundstellen. Es ist allerdings anzuerkennen, dass - unabhängig von der Frage nach der politischen Berechtigung der Zielsetzung des Mietendeckels - die ganz überwiegende Mehrheit der Verfassungsrechtler:innen in Deutschland von Anfang an von der formellen Verfassungswidrigkeit des Berliner Mietendeckels überzeugt war. Beste Grüße - Wendelin von Jurafuchs
Wendelin Neubert
1.5.2021, 15:46:08
P.S. In Bezug auf die Frage nach der Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit des Mietendeckels hatten wir im Übrigen im letzten Hinweistext einen Vertiefungshinweis aufgenommen.
KingInTheNorth
28.10.2021, 09:33:41
Als Zwischeneinschub wurde erwähnt, dass das GG die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern vollständig regelt. Allerdings gibt es doch auch die ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes (
kraft Sachzusammenhangs etc.). Ist der Einschub unvollständig, oder verwechsele ich etwas?
Lukas_Mengestu
28.10.2021, 10:15:21
Hi KingInTheNorth, du irrst Dich keineswegs. In der Tat gibt es sog. "ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen". Hier unterscheidet man drei verschiedene Arten der ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen: a)
kraft Natur der Sache(sachlogische Gründe): Bundessymbole, nationale Feiertage (Art. 22 GG u. BVerfGE 3, 407, 422) b) kraft Annex ("geht in die Tiefe"): Gefahrenabwehr im wirtschafts- und Gewerberecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG), obwohl Gefahrenabwehr eigentlich Ländersache ist c)
Kraft Sachzusammenhang("geht in die Breite"): Wahlwerbung im Rundfunk, obwohl Rundfunkrecht Ländersache ist. (aus Art. 21 Abs. 3 GG ableitbar, BVerfGE 12, 205 (240)). Der Begriff der ungeschriebenen Kompetenz ist allerdings nicht ganz präzise. Treffender könnte man diese als "stillschweigend mitgeschriebene Gesetzgebungskompetenz" bezeichnen, denn auch wenn sie nicht explizit im Grundgesetz als Kompetenztitel erwähnt werden, so ergeben sie sich aus dem geschriebenen Verfassungsrecht mit den gängigen Auslegungsmethoden (Wortlaut, Systematik, Telos, Entstehungsgeschichte). Insofern enthält das Grundgesetz durchaus alle Gesetzgebungskompetenzen, wenn auch nicht explizit ;-). Beste Grüße, Jon Snow aka Lukas - für das Jurafuchs-Team
Julia
18.11.2021, 11:18:57
Ich finde die Formulierung der ersten Frage etwas zweideutig, vor allem wenn man die zweite Frage noch nicht kennt. Die Frage, ob "die Fraktionen" antragsberechtigt sind, kann man entweder so verstehen, dass es sich auf die Fraktionen als solche bezieht oder auf die beiden genannten Fraktionen im Sachverhalt (die durch ihre Mitgliederzahl antragsberechtigt sind). Vielleicht könnte man die Formulierung in "die Fraktionen als solche" o.Ä. ändern, damit klar wird, dass ersteres gemeint ist.
Lukas_Mengestu
18.11.2021, 11:31:00
Danke Julia, wir haben die Frage insoweit nun etwas präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Hannah B.
15.12.2021, 15:14:25
Examenstreffer in Thüringen im Februar/März 2021. :)
Lukas_Mengestu
15.12.2021, 17:52:26
Vielen Dank, Hannah :-)!
Pilea
12.10.2022, 10:31:12
Irgendwo am Anfang wurde auf Art. 70 I GG verwiesen, ich meine, es müsste aber Art. 70 II sein (daraus soll sich ergeben, dass man zunächst ausschließliche und dann konkurrierende GGK prüft). Und eine andere Verweisung (ich meine § 78 S. 1 BVerfGG) verweist auf §1.
Johanna K
12.7.2024, 09:24:51
Hallo! Richtig cool, dass ihr solche Urteile umfangreich besprecht! Ich habe eine Frage zu der 8. Frage. Ich fand das etwas schwierig einzuordnen… In der Frage wurde gesagt, dass es eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten gibt. Ich habe die Frage so verstanden, dass es sich um einen abschließenden Katalog für alle Aufgaben an sich gibt. Weil das ist ja nicht der Fall. Sondern, wie in der Erläuterung ja zutreffend beschrieben, die Doppelzuständigkeit ausgeschlossen ist. Also ich weiß nicht, ob ich zu „pingelig“ bin, aber ich finde das die Formulierung „vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten“ nicht ganz treffend für den Sachverhalt ist. Aber ich habe auch das Urteil nicht gelesen, sodass ihr das eventuell auch nur übernommen habt! In der Retrospektive weiß ich nun was damit gemeint ist, aber am Anfang hab ich es gar nicht nachvollziehen können..
Linne_Karlotta_
13.9.2024, 11:07:56
Hey @[Johanna K](135257), danke für den Hinweis. Ich stimme dir zu, dass man die Aussage leicht falsch verstehen kann. Ich habe die Aufgabe jetzt entsprechend überarbeitet und hoffe, sie lässt sich jetzt besser lösen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Juraddicted
12.9.2024, 19:13:15
Muss ich die Vereinbarkeit dann nicht mit dem Landesverfassungsrecht als vereinbar prüfen? (ich meine, in dem Text steht BundesR und nur GG) vielen Dank :)