Fehlender Dolmetscher

3. Juni 2025

7 Kommentare

4,8(17.017 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

T bringt bei einem Streit den O um und wird sofort von Polizist P gestellt. T ist ausländischer Herkunft. P belehrt den T noch am Tatort, dieser versteht jedoch wegen seiner eingeschränkten Deutschkenntnisse die Belehrung des P über die ihm als Beschuldigtem zustehenden Rechte nicht. Als P auf O zeigt und den T fragend ansieht, versteht T jedoch, dass diese von ihm wissen wollen, ob er O umgebracht habe, und nickt. T schweigt in der Hauptverhandlung.

Diesen Fall lösen 82,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Fehlender Dolmetscher

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T wurde ordnungsgemäß vernommen.

Nein!

Bei einem Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, muss ein Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen werden, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist (§ 187 Abs. 1 GVG iVm § 163a Abs. 5 StPO; Art. 6 Abs. 3 lit. a und e EMRK). Für eine ordnungsgemäße Beschuldigtenbelehrung und -vernehmung des T hatte daher ein Dolmetscher hinzugezogen werden müssen. Das Unterlassen stellt eine rechtswidrige Beweiserhebung dar.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Eine fehlende Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO führt grundsätzlich zu einem Beweisverwertungsverbot.

Genau, so ist das!

Weil dem Beschuldigten durch eine fehlende Belehrung faktisch sein Schweigerecht genommen wird, führt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO) grundsätzlich zu einem unselbständigen Verwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Aussage. Dieses Beweisverwertungsverbot stellt eine Konkretisierung des nemo tenetur-Grundsatzes aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar, wonach niemand gezwungen werden darf sich selbst zu belasten.

3. Ein Beweisverwertungsverbot besteht auch dann, wenn der Beschuldigte die erfolgte Belehrung nicht verstehen konnte.

Ja, in der Tat!

§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO ist dazu bestimmt, die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren zu sichern. Das Gesetz geht durch die Pflicht zum Hinweis auf das Schweigerecht davon aus, dass ein solcher Hinweis zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten notwendig ist, weil das Schweigerecht nicht allgemein bekannt ist. Insofern sichert der Hinweis auf das Schweigerecht ein faires Verfahren. Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn der Beschuldigte gar nicht belehrt wird. Sondern auch dann, wenn der Beschuldigte die Belehrung infolge seiner kognitiv-seelischen Beschaffenheit nicht verstanden hat oder sie mangels hinreichender Sprachkenntnisse nicht verstehen konnte. Daher besteht auch in diesen Fällen ein Verwertungsverbot.

4. P könnte aber als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden.

Nein!

Sofern bezüglich eines Beweismittels ein Beweisverwertungsverbot eingreift, ist dieses umfassend und darf auch nicht durch Rückgriff auf ein anderes Beweismittel umgangen werden. P kann daher nicht zur Umgehung des Verwertungsverbots als Zeuge vom Hörensagen vernommen werden.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Foxtrot Bravo

Foxtrot Bravo

17.1.2021, 09:23:12

Genügt bei

fremd

sprachigen Be

schuld

igten nicht (zunächst) das Aushändigen eines sog. Belehrungsbogens in ihrer jeweiligen Muttersprache? (Wird m.W. in der Praxis so gehandhabt solange kein Dolmetscher zur Verfügung steht)

FABY

Faby

29.5.2023, 20:47:48

Finde ich eine gute Frage. Habe ich mit dem Belehrungsbogen so auch schon mitbekommen, frage mich aber, wie das dann vor allem hinsichtlich der Eröffnung des Tatvorwurfs gehandhabt wird. Dafür wird es ja keinen Belehrungsbogen geben, weil ja nicht allein die Nennung der Norm bzw. des Delikts ausreicht, sondern der Sachverhalt ja zumindest in groben Zügen beschrieben werden soll. :) @[Lukas Mengestu](136780)

Antonia

Antonia

31.8.2023, 11:47:35

Wie wäre es denn, wenn der Be

schuld

igte aufgrund geistiger Mängel/ geistiger Behinderung grundsätzlich nicht dazu in der Lage wäre die Belehrung verstehen zu können?

sy

sy

16.2.2025, 18:24:36

s.o.

TT

Täter T

17.5.2025, 16:40:00

Die letzte Frage irritiert mich etwas. Da geht es ja durch die

Verwendung

von „könnte“ um die grds. Möglichkeit, P als Zeugin vom

Hörensagen

zu vernehmen, was ja möglich ist. Vorschlag wäre also, dass man noch eine Frage hinzufügt, ob P als Zeugin vom

Hörensagen

zu vernommen werden darf. So macht Ihr das schließlich ähnlich bei anderen Fällen :)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community