Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

Problem: Auswirkungen eines rechtswidrigen Grundverwaltungsakts auf Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids?

Problem: Auswirkungen eines rechtswidrigen Grundverwaltungsakts auf Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids?

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B erteilt gegenüber A ein rechtswidriges Betretungsverbot von As und Es gemeinsamer Wohnung und droht ein Zwangsgeld an. Das Verbot wird bestandskräftig. Weil A sich nicht an das Verbot hält, wird das Zwangsgeld rechtmäßig vollstreckt. A erhält einen Kostenbescheid über die Kosten des Vollstreckungsverfahrens.

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Einordnung des Falls

Problem: Auswirkungen eines rechtswidrigen Grundverwaltungsakts auf Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Erlass des Kostenbescheids beruht auf §§ 19 Abs. 1, 11 Abs. 1 VwVG.

Genau, so ist das!

Nachdem eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung durchgeführt wurde (= Primärebene), stellt sich im zweiten Schritt (= Sekundärebene) die Frage, wer die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen hat. Die Kosten können dem Pflichtigen nur aufgrund einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage auferlegt werden (Vorbehalt des Gesetzes). Diese findet sich in § 19 Abs. 1 VwVG. B hat gegenüber A ein Zwangsgeld nach § 11 Abs. 1 VwVG vollstreckt. Die hierdurch entstehenden Kosten, insbesondere die Gebühren des Verfahrens, können A nach § 19 Abs. 1 VwVG auferlegt werden.Regelmäßig wird die Vollstreckungsmaßnahme, durch die die Kosten entstanden sind, bei der Nennung der Ermächtigungsgrundlage für den Kostenbescheid mitzitiert. Der Klarheit halber solltest Du das auch so handhaben oder de Rechtsgrundlage des Kostenbescheids durch ein „i.V.m.“ mit den Rechtsgrundlagen der Vollstreckungsmaßnahme verbinden.
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2. § 19 Abs. 1 VwVG setzt voraus, dass die Maßnahme der Zwangsvollstreckung rechtmäßig ist.

Ja, in der Tat!

§ 19 Abs. 1 VwVG enthält keine ausdrücklich Aussage dazu, ob die Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig sein muss. Die Formulierung „Amtshandlungen nach diesem Gesetz” wird jedoch dahingehend verstanden, dass nur rechtmäßige Amtshandlungen umfasst sind. Die Rechtmäßigkeit von As Kostenbescheid setzt zunächst voraus, dass die Vollstreckung des Zwangsgeldes (§§ 6 Abs. 1, 11 Abs. 1 VwVG) rechtmäßig war. An dieser Stelle würdest Du in der Klausur eine inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme vornehmen.

3. Ist der vollstreckte Grundverwaltungsakt rechtswidrig, führt dies ebenfalls immer zur Rechtswidrigkeit des Kostenbescheids.

Nein!

Die Frage, ob der Kostenpflichtige gegenüber dem Kostenbescheid einwenden kann, der vollstreckte Grundverwaltungsakt sei rechtswidrig, ist umstritten. Nur in bestimmten Fällen kann der Adressat des Kostenbescheids den Einwand der Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts erfolgreich im Verfahren gegen den Kostenbescheid erheben. Dass das vollstreckte Betretungsverbot rechtswidrig ist, führt nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit des Kostenbescheids.

4. Nach dem vollstreckungsrechtlichen Trennungsgebot bedeutet die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts immer auch die Rechtswidrigkeit des Kostenbescheids.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Frage, ob der Kostenpflichtige gegenüber dem Kostenbescheid einwenden kann, der vollstreckte Grundverwaltungsakt sei rechtswidrig, ist umstritten. Nach dem überwiegend vertretenen vollstreckungsrechtlichen Trennungsgebot hängt die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung nicht davon ab, ob der vollstreckte (bzw. ggf. fiktive) Grundverwaltungsakt rechtmäßig ist. Dafür spricht, dass ansonsten die Rechtsbehelfsfristen hinsichtlich des Grundverwaltungsakts unterlaufen würden. Setzt man diesen Grundsatz uneingeschränkt auf der Sekundäreben fort, so führt dies dazu, dass der Adressat des Kostenbescheids nicht den Einwand der Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsakts erheben kann, wenn er den Kostenbescheid anficht. Hiernach ist es für die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids nicht von Bedeutung, dass das gegenüber A ursprünglich erlassene und vollstreckte Betretungsverbot rechtswidrig ist.

5. Der effektive Rechtsschutz spricht dafür, das vollstreckungsrechtliche Trennungsgebot auf der Kostenebene nur eingeschränkt gelten zu lassen.

Ja, in der Tat!

Wird kein Grundverwaltungsakt erlassen, sondern die Maßnahme im sofortigen Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) durchgeführt, so kann (nachträglicher) Rechtsschutz gegen diese Maßnahme die Vollstreckung nicht verhindern. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) muss der Adressat einer Maßnahme im sofortigen Vollzug daher die Rechtswidrigkeit des fiktiven Grundverwaltungsakts gegen den Kostenbescheid vorbringen können.

6. Kann A trotz der Bestandskraft des vollstreckten Verwaltungsakts dessen Rechtswidrigkeit gegen den Kostenbescheid vorbringen?

Nein!

Der Adressat einer Maßnahme im sofortigen Vollzug kann die Rechtswidrigkeit des fiktiven Grundverwaltungsakts im Verfahren gegen den Kostenbescheid vorbringen. Wurde dagegen ein Grundverwaltungsakt erlassen und ist dieser bestandskräftig geworden, kann dessen Rechtswidrigkeit gegen den Kostenbescheid nicht mehr eingewendet werden. Ansonsten würden die Rechtsbehelfsfristen hinsichtlich des Grundverwaltungsakts unterlaufen. Das vollstreckte Betretungsverbot ist bestandskräftig. A hätte rechtzeitig gegen das Betretungsverbot vorgehen müssen. Die Rechtwidrigkeit des Betretungsverbot kann A nicht erfolgreich gegen der Kostenbescheid vorbringen. Ist der Grundverwaltungsakt noch nicht bestandskräftig, muss der Kostenschuldner diesen anfechten. Wird der Grundverwaltungsakt aufgehoben, entfällt die Grundlage für den Kostenbescheid und auch dieser muss aufgehoben werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RO

Roland

26.2.2024, 08:06:00

Ich glaube in der einen Frage wird die Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes mit dem der Vollstreckung verdreht. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss für die Kosten die Vollstreckung rechtmäßig gewesen sein. auf den Grund VA kommt es dabei nicht an. in der Frage steht aber glaube ich dass das Trennungsgebot nicht verlangt, dass die Vollstreckung rechtmäßig war.

HME

Hilfloser Melancholiker

25.3.2024, 22:28:22

ja, glaube ich auch

ALE

Aleks_is_Y

13.5.2024, 11:58:19

Ich glaube es ist immer noch so.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

7.6.2024, 11:35:31

Hallo @[Roland](29250), danke für den richtigen Hinweis. Wir haben den Fehler jetzt korrigiert. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

Major Tom(as)

Major Tom(as)

8.11.2024, 11:57:30

Hallo liebes Jurafuchs-Team/ alle, die sich hier für die deutsche Ansicht einsetzen möchten, Ich bin hier etwas verwundert über die Divergenz der bundesdeutschen von der bayrischen Sichtweise. In Bayern wird auf Art. 16 BayKG gestützt das Erfordernis der sogenannten "doppelten Konnexität" vertreten - als Schulderin muss ich nur Kosten tragen, die auf rechtmäßigem

Behörde

nhandeln beruhen. Somit muss auch der Grund-VA nicht nur bestandskräftig, sondern immer rechtmäßig sein. (Art. 16 V BayKG: "Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die

Behörde

nicht entstanden wären, sowie Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlaßte Verlegung eines Termins oder einer Verhandlung entstanden sind, werden nicht erhoben") Dies überzeugt mich persönlich auch mit dem Rechtsstaatsgedanken, schließlich ist es eine grobe Belastung, rechtswidriges Handeln nicht nur "ertragen" sondern auch noch "bezahlen" zu müssen. Dass nach Bestandskraft nicht mehr gegen VAe vorgegangen werden kann, soll die Effektivität der Verwaltung sichern und "Rechtsfrieden" eink

ehre

n lassen. Das ist bei einer Kostentragungspflicht nicht nötig, der Grundtatbestand ist schließlich "geklärt". § 346 I AbgO, auf den der § 19 I 1 VwVG verweist, entspricht dem Art. 16 V BayKG. Wie kann man hier trotz der Eindeutigkeit des Normtextes "Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, sind nicht zu erheben" annehmen, dass sie doch zu erheben sind? Die Behandlung der Sache war schließlich falsch. Dies nur aufgrund des Versäumnis der Anfechtungsklage anzunehmen, ist doch etwas "übetrieben" - auch, weil dem Grund-VA ja die Kostentragungsgefahr nur sehr mittelbar innewohnte und ich als Betroffene die Folgen u.U. noch nicht abschätzen konnte. (insb. bringt ein gerichtliches Verfahren nicht unerhebliche Kosten mit sich, da ist es mE nicht dermaßen "hart zu bestrafen", dass man es nicht anstrengt) Das ist natürlich eine schwierige Frage, aber vielleicht hat hier jemand noch Einblicke/ Meinungen. Danke!


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