Strafrecht

BT 7: Nachtatdelikte u.a.

Hehlerei (§ 259 StGB)

(Echte) Wahlfeststellung im Zusammenhang mit alternativ begangenem Diebstahl

(Echte) Wahlfeststellung im Zusammenhang mit alternativ begangenem Diebstahl

22. November 2024

4,9(3.527 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

As teure Briefmarkensammlung wurde gestohlen. Sie wird vier Wochen später bei einer Hausdurchsuchung in Bs Wohnung gefunden. Es lässt sich nicht feststellen, ob B die Briefmarken gestohlen oder später als Hehler erhalten hat.

Diesen Fall lösen 84,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

(Echte) Wahlfeststellung im Zusammenhang mit alternativ begangenem Diebstahl

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Strafprozess gilt der Grundsatz „in dubio pro reo”.

Genau, so ist das!

Der „in dubio pro reo” Grundsatz leitet sich aus der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) ab. Er kommt zum Tragen, wenn das Gericht nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache gewonnen hat. Verbleiben also Zweifel, ist zu Gunsten des Angeklagten zu entscheiden.Es kann nicht festgestellt werden, ob B einen Diebstahl oder eine Hehlerei begangen hat. In dubio pro reo müsste B damit grundsätzlich sowohl wegen des Diebstahls, als auch wegen der Hehlerei freigesprochen werden.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Der „in dubio pro reo” Grundsatz wird von der Rspr. strikt angewandt. Ist nicht klar, nach welchem Delikt bestraft werden müsste, darf es nur einen Freispruch geben.

Nein, das trifft nicht zu!

In Fällen, in denen feststeht, dass der Täter sich strafbar gemacht hat, nicht aber, welches Delikt er verwirklicht hat, wird ein Freispruch von der Rspr. als unbillig angesehen. Im Rahmen der sog. „echten Wahlfeststellung” ist es deswegen möglich, wegen des einen oder des anderen Delikts zu verurteilen.Unter der „unechten” Wahlfetstellung werden hingegen Fälle erfasst, in denen sicher ist, dass ein Delikt verwirklicht wurde, nicht jedoch, durch welche von mehreren Handlungen. Hier ist eine Verurteilung unproblematisch möglich.

3. Eine „echte Wahlfeststellung” kann zwischen sämtlichen Delikten getroffen werden.

Nein!

Die echte Wahlfeststellung darf nur angewandt werden, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen: (1) Strafbarkeit nach jeder ausermittelten Sachverhaltsvariante (2) Kein Stufenverhältnis der Delikte im Sinne eines „Weniger-Mehr-Verhältnisses” (3) Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit der Delikte

4. B hat sich nach jeder ausermittelten Sachverhaltsvariante strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Es steht zweifelsfrei fest, dass B entweder einen Diebstahl oder eine Hehlerei begangen hat. Nach jeder ausermittelten Sachverhaltsvarainte hätte er sich strafbar gemacht.

5. Weiterhin dürften Diebstahl und Hehlerei nicht in einem Stufenverhältnis zueinander stehen. Ist Diebstahl „weniger“ als Hehlerei?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Stufenverhältnis zwischen zwei Delikten liegt vor, wenn ein „Weniger-Mehr-Verhältnis” gegeben ist. Dies ist etwa der Fall bei (1) Vorsatz und Fahrlässigkeit, (2) Täterschaft und Teilnahme, (3) Tun und unechtem UnterlassenDiebstahl und Hehlerei stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander.

6. Sind Diebstahl und Hehlerei rechtsethisch und psychologisch vergleichbare Delikte?

Ja!

Delikte sind rechtsethisch vergleichbar, wenn sie nach dem allgemeinen Rechtsempfinden sittlich ähnlich zu bewerten sind. Die psychologische Vergleichbarkeit liegt bei einer gleich gearteten seelischen Beziehung des Täters zu den in Frage stehenden Verhaltensweisen vor.Diebstahl und Hehlerei haben den gleichen Strafrahmen. Als Vermögensdelikte betreffen sie ähnliche Rechtsgüter: der Diebstahl richtet sich gegen fremdes Eigentum, die Hehlerei gegen fremdes Vermögen. Die Delikte sind damit rechtsethisch und psychologisch vergleichbar.

7. B wird demnach im Rahmen der echten Wahlfeststellung wegen Diebstahl oder Hehlerei verurteilt.

Genau, so ist das!

Im Urteilsausspruch kommt zum Ausdruck, dass B entweder einen Diebstahl oder eine Hehlerei begangen hat. Das ist nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden: Verurteilungen im Wege der echten Wahlfeststellung stünde weder das Bestimmtheitsgebot, noch das Analogieverbot entgegen (Art. 103 Abs. 2 GG).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eileen 🦊

Eileen 🦊

28.6.2024, 15:32:36

Ich frage mich, ob tatsächlich eine Gleichwertigkeit von Diebstahl und Hehlerei vorliegt. Mit Blick auf den Strafrahmen scheint das naheliegend. Dennoch ist nach meinem Empfinden Diebstahl aufgrund des Entschlusses erstmals Unrecht zu verwirklichen als

verwerflich

er anzusehen, als die Hehlerei (die ähnlich der Beihilfe), die bestehendes Unrecht lediglich vertieft. Habt ihr dazu hilfreiche Gedanken? Danke schonmal im Voraus. Liebe Grüße!

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

22.7.2024, 12:35:15

Hallo Eileen, danke für Deine Nachfrage. Dein Gedanke hierzu ist durchaus nachvollziehbar. In der einschlägigen Rspr. wird allerdings nicht so „kleinteilig“ differenziert, wie Du es tust. Für die Vergleichbarkeit kommt es lediglich darauf an, ob die „Richtung“ der Tat vergleichbar ist, also hier eben erstmaliger Entzug der Sache bzw. Vertiefung dieses rechtswidrigen Zustands. Es kommt nur darauf an, ob die Grunddelikte vergleichbar sind und es einen vergleichbaren Strafrahmen gibt (st.Rspr., vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 19.01.2000 - 3 StR 500/99, openjur - RdNr. 17). Es wird nicht danach differenziert, ob es das Unrecht erstmalig begründet oder „nur“ vertieft wird. Dies hat der Gesetzgeber ja auch gerade dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er dieselben Strafrahmen festgeschrieben hat. Darin liegt ja gerade die „Bewertung“ des Unrechtsgehalts. Es wäre daher schwer vertretbar, davon abzuweichen. Abgesehen davon erscheint mir eine solche Differenzierung auch nicht notwendig zu sein, denn in beiden Fällen entschließt sich der Täter ja dazu, Unrecht bzgl. des Eigentums eines anderen zu verwirklichen. Ob das nun zum ersten oder zum hundertsten Mal passiert, darf bei der Bewertung des Unrechts eigentlich keine Rolle spielen (auch wenn ich Dein Gefühl dazu, dass das einen Unterschied machen müsste, durchaus verstehen kann). Ich hoffe, ich habe Dir damit weitergeholfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

Eileen 🦊

Eileen 🦊

22.7.2024, 13:09:57

Vielen lieben Dank für deine Antwort!


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen