Zivilrecht

Sachenrecht

Erwerb und Verlust von Grundstücksrechten

Gutgläubiger Zweiterwerb bei fehlender Forderung?

Gutgläubiger Zweiterwerb bei fehlender Forderung?

2. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E und V vereinbaren ein dingliches Vorkaufsrecht. Die Grundbuchbeamte hält dieses nicht für eintragungsfähig und trägt stattdessen eine Auflassungsvormerkung ein. Die V nutzt die Gelegenheit und verkauft das Grundstück an K, wobei V dem K zugleich die eingetragene Vormerkung übertragen will.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger Zweiterwerb bei fehlender Forderung?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V fragt sich, wie eine Vormerkung überhaupt übertragen wird. Kann man – wegen der Akzessorietät der Vormerkung – diese nur gemeinsam mit der gesicherten Forderung übertragen?

Ja!

Die Vormerkung ist streng akzessorisch. Sie dient der Sicherung einer Forderung und ist rechtlich an diese Forderung gebunden. Daher kann sie nicht selbständig übertragen oder abgetreten werden. Vielmehr geht mit der Abtretung der gesicherten Forderung (§ 398 BGB) die Vormerkung in analoger Anwendung des § 401 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes automatisch mit über.V könnte die Vormerkung auf K übertragen haben, sofern die Vormerkung bereits wirksam bestand und V die gesicherte Forderung an K abgetreten hat.
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2. Damit K die Vormerkung von V erwerben kann, müsste zunächst überhaupt eine Vormerkung zu Gunsten des V entstanden sein. Besteht vorliegend ein zu sichernder Eigentumsverschaffungsanspruch, sodass V wirksam eine Vormerkung von E erworben hat (§§ 883, 885 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bevor Du prüfst, ob K von V eine Vormerkung erworben hat, musst Du zunächst prüfen, ob überhaupt eine Vormerkung zu Gunsten des V bestand, die dieser übertragen konnte. Die wirksame Entstehung einer Vormerkung setzt voraus: (1) Bestehen eines wirksamen schuldrechtlichen, vormerkungsfähigen Anspruchs (§ 883 Abs. 1 BGB), (2) Bewilligung des Betroffenen oder einstweilige Verfügung (§ 885 Abs. 1 S. 1 BGB), (3) Eintragung in das Grundbuch (§ 883 Abs. 1 BGB), (4) Berechtigung und Verfügungsbefugnis des Bestellers (§ 885 Abs. 1 S. 1 BGB). Mangels bestehender zugrunde liegender Forderung (Anspruch auf Eigentumsverschaffung, z.B. aus einem Kaufvertrag) hat V nicht wirksam eine Vormerkung von E erworben (§§ 883, 885 BGB). Dieser „Mangel“ kann auch nicht durch einen etwaigen guten Glauben des V in das Bestehen einer Forderung überwunden werden. Der gutgläubige Ersterwerb einer Vormerkung kann nur die fehlende Verfügungsbefugnis des Bestellers überwinden. Das ist hier aber gerade nicht das Problem.

3. Als K davon erfährt, dass die aus dem Grundbuch ersichtliche Vormerkung gar nicht wirksam bestand, fragt er sich, ob er trotzdem wirksam eine Vormerkung von V erworben hat. Regelt § 405 BGB, dass man Forderungen in jedem Fall gutgläubig erwerben kann?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Erwerb einer Vormerkung erfolgt durch Abtretung der gesicherten Forderung (§§ 398, 401 BGB). Gibt es keine Forderung, stellt sich die Frage, ob diese gutgläubig erworben werden kann. Allerdings kennt das BGB grundsätzlich keinen gutgläubigen Forderungserwerb. Nur in ganz engen Ausnahmefällen ist ein solcher möglich (z.B. § 405 BGB).

4. K fragt sich, warum Forderungen grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden können. Liegt der Grund darin, dass es bei Forderungen an einem Rechtsscheinsträger fehlt?

Ja!

Forderungen können nur in ganz engen Ausnahmefällen gutgläubig erworben werden (z.B. nach § 405 BGB). Grund dafür ist, dass es bei Forderungen i.d.R. keinen tragfähigen Rechtsscheinträger gibt, auf den sich der gute Glaube beziehen könnte. Ein gutgläubiger Erwerb einer Forderung von V durch K kommt damit grundsätzlich nicht in Betracht. Führe Dir das einmal ganz bildlich vor Augen: Wenn A dem B ein Buch übergibt, dann hat B aufgrund von As Besitz an dem Buch, einen Anlass zu glauben, dass A auch Eigentümer des Buches ist und das Eigentum auf B übertragen kann. Dieser Glaube muss geschützt werden. Anders bei Forderungen: A kann einfach behaupten, eine Forderung gegen C zu haben, die er an B abtreten will. Es gibt hier aber keinen „äußerlichen” Anhaltspunkt für B, dass dies wirklich so ist. Aus diesem Gedanken ergibt sich dann auch die Ausnahme des § 405 BGB: Hat A eine Urkunde, die besagt, dass A gegen C eine Forderung hat, so kann diese „Verkörperung der Forderung“ Bs schutzwürdigen Glauben daran begründen, dass diese Forderung tatsächlich existiert.

5. Die Vormerkung ist jedoch (fälschlicherweise) ins Grundbuch eingetragen. Besteht damit ein Rechtsscheinsträger, der einen gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung durch K ermöglicht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn die Vormerkung zunächst nicht wirksam entstanden ist, stellt sich die Frage, ob sie bei der Abtretung des gesicherten Anspruchs kraft guten Glaubens erworben werden kann. Bei der Frage, ob etwas gutgläubig erworben werden konnte, kommt es immer auf den konkreten Bezugspunkt an. Frage Dich immer: Woran genau ist die Entstehung der Vormerkung gescheitert? Und dann im zweiten Schritt: Ist das ein Mangel, der durch den guten Glauben des Erwerbers überwunden werden kann? Wenn die Vormerkungsbestellung daran scheitert, dass der zu sichernde und abzutretende Anspruch gar nicht existiert, scheidet ein gutgläubiger Zweiterwerb aus. Das Grundbuch vermittelt im Hinblick auf das Bestehen der Forderung keinen öffentlichen Glauben! Es bleibt aufgrund der strengen Akzessorietät also dabei, dass ein gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung von vornherein ausscheidet, wenn die zugrunde liegende Forderung nicht besteht. K hat somit weder den angeblichen Auflassungsanspruch, noch die Vormerkung gutgläubig erworben. Hier gilt also im Ergebnis nichts anderes, als beim gutgläubigen Ersterwerb einer Vormerkung ohne zu sichernde Forderung.
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