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Erwerb und Verlust von Grundstücksrechten
Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung - Streitstand: Argumente I
Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung - Streitstand: Argumente I
4. November 2025
9 Kommentare
4,7 ★ (7.379 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

K hat gegen V einen Eigentumsverschaffungsanspruch. Zu dessen Sicherung soll für K eine Vormerkung bestellt werden. Wegen eines Mangels bei der Bewilligung entsteht die Vormerkung aber nicht. K tritt nun seinen Eigentumsverschaffungsanspruch an den gutgläubigen G ab.
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Einordnung des Falls
Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung - Streitstand: Argumente I
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn (wie hier) die zu sichernde Forderung besteht, die Vormerkung aber wegen Mängeln bei ihrer Bestellung nicht entstanden ist, ist fraglich, ob die Vormerkung dennoch bei Abtretung des gesicherten Anspruchs kraft guten Glaubens erworben werden kann.
Ja, in der Tat!
2. Im Einklang mit der Literaturansicht könnte man gegen einen gutgläubigen Zweiterwerb anführen, dass die Vormerkung bereits kein dingliches Recht ist, wie durch § 892 Abs. 1 S. 1 BGB vorausgesetzt.
Ja!
3. Allerdings schützt auch § 892 BGB analog nur den gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerb. Könnte daher gegen einen gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung sprechen, dass der Vormerkungsübergang kraft Gesetzes (analog § 401 BGB) und nicht durch Rechtsgeschäft erfolgt?
Genau, so ist das!
4. Zudem könnte für die Anerkennung des gutgläubigen Zweiterwerbs einer Vormerkung ein gewisses praktisches Bedürfnis (Verkehrsfähigkeit der Vormerkung) bestehen. Spricht dies gegen eine analoge Anwendung von § 892 BGB?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lisa
6.12.2024, 19:02:07
Warum ist der gutgläubige
Zweiterwerb der Vormerkung(nur) nach § 892 I BGB analog möglich, wohingegen beim gutgläubigen Ersterwerb zusätzlich § 893 Alt. 2 BGB (analog) neben § 892 I BGB zitiert wird?
Leo Lee
8.12.2024, 10:35:34
Hallo Lisa, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat scheint es komisch, dass bei dem gutgläubigen Ersterwerb der
Vormerkungder 892 nicht immer "analog" angewandt wird. Dies hat den folgenden Grund: Beim Ersterwerb der
Vormerkunggibt es einen Streit, der (i.E. nicht ausschlaggebend ist, aber) diskutiert, ob 892 analog oder direkt angewandt werden soll (die h.M. wendet nur analog an, da die
Vormerkungkeine Verfügung darstellt). Beim gutgläubigen Zweiterwerb hingegen besteht dieser Streit nicht mehr, weil der Gutglaubensschutz von Rechtsscheintatbeständen sich eigentlich unmittelbar nur auf die Ersterwerbtatbestände bezieht. D.h. also, dass man beim Ersterwerb noch dogmatisch streiten kann, beim Zweiterwerb hingegen weniger. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schöner/Stöber Grundbuchrecht 16. Auflage, Schöner/Stöber Rn. 1534 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
okalinkk
15.5.2025, 17:09:05
Ich glaube die Frage war, weshalb 893 Alt 2 beim gutgläubigen Zweiterwerb nicht mehr neben 892 zitiert werden muss (so scheint es im Aufgabentext, da lediglich “892 analog” zitiert wird). Das frage ich mich ehrlicherweise auch. Ich glaube, dass JF den 893 Alt 2 vergessen hat zu zitieren. Googlet man den gutgläubigen Zweiterweb der
Vormerkung, so wird auch immer 893 Alt 2 analog iVm 892 zitiert @[Lisa](158178) @[Leo Lee](213375)
simonr
3.1.2025, 14:52:58
Wie ließe sich dieser Streit am besten innerhalb einer Klausur aufbauen? Spreche ich diesen bereits vor der Prüfung des gutgläubigen Zweiterwerbs der
Vormerkungan, oder baue ich diesen erst im Rahmen der Prüfung des guten Glaubens (Rechtscheinstatbestand des öffentl. Glauben des Grundbuchs) einige Prüfungspunkte später ein? Ich persönlich störe mich daran, die Prüfung des gutgläubigen Zweiterwerbs einer
Vormerkungmit dem Streit, ob im Rahmen des guten Glaubens denn §
892 BGBanwendbar wäre, zu Beginnen, da ich somit die Prüfung teilweise vorwegnehmen muss und "Verweise nach Unten" oder Aufbauerklärungen in Klausuren ja generell nicht gerne gesehen sind. Verneinte man jedoch die Analogie mit der h.L. erst innerhalb der eröffneten Prüfung, wären die bisherigen Prüfungspunkte obsolet, man würde ja schon gar nicht in die Prüfung einsteigen müssen und könnte sich Zeit sparen. Gibt es hierzu eine bevorzugte Klausurtaktik? Wenn ich innerhalb der Streitdarstellung die jeweiligen Argumente für und gegen die Analogie des §
892 BGBanführe, begründe ich ja somit auch schon die Prüfungspunkte der Analogie (planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage). Folge ich dann der Ansicht des BGH, muss ich erneut die Analogie prüfen? (Im Streit habe ich ja zuerst die Anwendung generell für möglich erklärt) Oder wäre es sauberer einfach auf die Argumente für und gegen die Analogie in vorangegangenem Streit zu verweisen und die Prüfung des gutgläubigen Zweiterwerbs damit abzuschließen? Ich hoffe die Ausführungen sind verständlich und bedanke mich im Voraus für die Hilfe!
K.Attalla
21.6.2025, 22:17:22
Nachdem ich mir jetzt auch den Kopf über den Aufbau zerbrochen habe, hier meiner: ________________________________________ A. Übergang der
Vormerkungnach §§ 398, 401 analog I.
Abtretungder gesicherten Forderung 1. Einigung 2. Berechtigung des
Zedenten3. Kein Ausschluss II. Übergang der
Vormerkunggem. § 401 analog - Nach hM grundsätzlich möglich - ABER: Es besteht keine
Vormerkung, insofern kann auch nichts übergehen III. Ergebnis - §§ 398, 401 analog (-) ________________________________________ B. Gutglaubenserwerb nach § 892 I analog I. Erwerb eines dinglichen Rechts P)
Rechtsnaturder
Vormerkung- hM: Sicherungsrecht eigener Art - Aber: Bewilligung einer
Vormerkung= Verfügung iSd. § 893 Alt.2, dh § 892 I entsprechend anwendbar II. Unrichtigkeit des Grundbuchs III. Rechtsgeschäft iSe.
Verkehrsgeschäfts P) Nach § 401 analog ist eine
Vormerkungnicht als solche rechtsgeschäftlich übertragbar, sondern ist als akzessorisches Recht an die
Abtretungdes gesicherten Anspruchs gebunden und geht somit KRAFT GESETZ auf den
Zessionarübergeht - hL:
Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkungscheitert also am Wortlaut - BGH: Rechtsgeschäft liegt zumindest mittelbar vor, sodass
gutgläubiger Zweiterwerbmöglich ist - ACHTUNG: Für diesen mittelbaren Zusammenhang muss eine Bewilligung der nicht-existenten
Vormerkungvorliegen, sonst liegt kein Rechtsgeschäft vor, an welches man anknüpfen könnte! IV. Weiteren Vrss. ________________________________________ Gerne korrigieren/ergänzen.
jc1909
3.4.2025, 10:29:54
Vielleicht könnte man im Sachverhalt ergänzen, dass die
Vormerkungins Grundbuch eingetragen wurde. Das hatte mich gerade etwas verwirrt.
okalinkk
15.5.2025, 17:07:23
Mich auch
Juramaus
21.10.2025, 13:16:51
für mich wurde das hier nicht ganz deutlich: Kann eine Eintragung einer
Vormerkungtrotz fehlerhafter Bewilligung erfolgen? Und wenn ja, was ist dann unter einer fehlerhaften Bewilligung zu verstehen?
Foxxy
21.10.2025, 13:16:56
Eine Eintragung der
Vormerkungkann auch bei fehlerhafter Bewilligung erfolgen, da das Grundbuchamt nur prüft, ob eine Bewilligung vorliegt, nicht aber deren inhaltliche Wirksamkeit (§ 19 GBO). Eine fehlerhafte Bewilligung bedeutet, dass die Erklärung des Betroffenen zwar abgegeben wurde, aber z.B. formale oder inhaltliche Mängel aufweist (z.B. fehlende Vertretungsmacht, falsche Person, inhaltliche Unbestimmtheit). Die
Vormerkungist dann zwar im Grundbuch eingetragen, entsteht aber materiell-rechtlich nicht wirksam. Trotzdem kann der Rechtsschein des Grundbuchs für einen gutgläubigen Erwerb relevant werden.


