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Erwerb und Verlust von Grundstücksrechten

Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung - Streitstand: Argumente I

Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung - Streitstand: Argumente I

19. Februar 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K hat gegen V einen Eigentumsverschaffungsanspruch. Zu dessen Sicherung soll für K eine Vormerkung bestellt werden. Wegen eines Mangels bei der Bewilligung entsteht die Vormerkung aber nicht. K tritt nun seinen Eigentumsverschaffungsanspruch an den gutgläubigen G ab.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung - Streitstand: Argumente I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn (wie hier) die zu sichernde Forderung besteht, die Vormerkung aber wegen Mängeln bei ihrer Bestellung nicht entstanden ist, ist fraglich, ob die Vormerkung dennoch bei Abtretung des gesicherten Anspruchs kraft guten Glaubens erworben werden kann.

Ja, in der Tat!

Wenn die Vormerkung zunächst nicht wirksam entstanden ist, ist fraglich, ob die Vormerkung bei der Abtretung des gesicherten Anspruchs kraft guten Glaubens erworben werden kann. Dies ist streitig. Streitgegenstand ist die (analoge) Anwendbarkeit des § 892 BGB. Teilweise wird im Schrifttum der gutgläubige Zweiterwerb einer Vormerkung abgelehnt. Der BGH hingegen hält einen gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung analog § 892 BGB für möglich, wenn der zu sichernde Anspruch tatsächlich besteht und die Vormerkung nur wegen Mängeln bei ihrer Bestellung (z.B. fehlende Bewilligung) nicht zur Entstehung gelangt ist.
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2. Im Einklang mit der Literaturansicht könnte man gegen einen gutgläubigen Zweiterwerb anführen, dass die Vormerkung bereits kein dingliches Recht ist, wie durch § 892 Abs. 1 S. 1 BGB vorausgesetzt.

Ja!

Die Literatur betont, dass die direkte Anwendung des § 892 Abs. 1 S. 1 BGB ein dingliches Recht voraussetze. Die Vormerkung sei jedoch ein Sicherungsmittel eigener Art. Allerdings ähnele die Vormerkung - so der BGH - zumindest einem dinglichen Recht (=vergleichbare Interessenlage). Zum Beispiel bewirke sie nach § 883 Abs. 2 BGB die relative Unwirksamkeit von Zwischenrechten. Aus diesem Grund hält der BGH den § 892 BGB analog für anwendbar.

3. Allerdings schützt auch § 892 BGB analog nur den gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerb. Könnte daher gegen einen gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung sprechen, dass der Vormerkungsübergang kraft Gesetzes (analog § 401 BGB) und nicht durch Rechtsgeschäft erfolgt?

Genau, so ist das!

Die Anwendung des § 892 BGB setzt voraus, dass ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts vorliegt. Die Vormerkung folgt jedoch analog § 401 BGB der Forderung. Dass die Vormerkung somit nicht durch Rechtsgeschäft, sondern per Gesetz übergeht, spricht nach Ansicht der Literatur gegen einen gutgläubigen Zweiterwerb. Dem hält der BGH entgegen: Auch wenn der Vormerkungsübergang direkt nicht durch Rechtsgeschäft, sondern kraft Gesetzes analog § 401 BGB erfolgt, habe er jedoch bei einer funktionellen Gesamtbetrachtung rechtsgeschäftlichen Charakter. Er sei nämlich Folge der Abtretung (§ 398 BGB), welche ein Rechtsgeschäft sei. ‌

4. Zudem könnte für die Anerkennung des gutgläubigen Zweiterwerbs einer Vormerkung ein gewisses praktisches Bedürfnis (Verkehrsfähigkeit der Vormerkung) bestehen. Spricht dies gegen eine analoge Anwendung von § 892 BGB?

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Ebenso wie bei der Übertragung eines dinglichen Rechts bestehe auch bei der Vormerkung ein Bedürfnis, sich auf das Grundbuch zu verlassen (=vergleichbare Interessenlage). Insbesondere bei Kettenveräußerungen bedürfe es der Verkehrsfähigkeit der Vormerkung. Dem hält die Literatur wiederum den Schutzzweck der Vormerkung entgegen. Die Vormerkung solle nur den Zeitpunkt bis zur Eintragung des vorgemerkten Anspruchs sichern, also eine vorläufige Rechtsposition. Deshalb bedürfe es neben der wirksamen Abtretung des Anspruchs keine Steigerung der Verkehrsfähigkeit. Es gibt noch einige weitere Argumente für und gegen den gutgläubigen Zweiterwerb der Vormerkung. Diese sind am Ende dieser Session aufgelistet. In der Klausur solltest Du die jeweiligen Argumente strukturiert aufführen und schließlich den Streit entscheiden. Zur Verdeutlichung des Arguments der Verkehrsfähigkeit schauen wir uns die Kettenveräußerung in der nächsten Aufgabe an!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LI

Lisa

6.12.2024, 19:02:07

Warum ist der gutgläubige

Zweiterwerb der Vormerkung

(nur) nach § 892 I BGB analog möglich, wohingegen beim gutgläubigen Ersterwerb zusätzlich § 893 Alt. 2 BGB (analog) neben § 892 I BGB zitiert wird?

LELEE

Leo Lee

8.12.2024, 10:35:34

Hallo Lisa, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat scheint es komisch, dass bei dem gutgläubigen Ersterwerb der

Vormerkung

der 892 nicht immer "analog" angewandt wird. Dies hat den folgenden Grund: Beim Ersterwerb der

Vormerkung

gibt es einen Streit, der (i.E. nicht ausschlaggebend ist, aber) diskutiert, ob 892 analog oder direkt angewandt werden soll (die h.M. wendet nur analog an, da die

Vormerkung

keine Verfügung darstellt). Beim gutgläubigen Zweiterwerb hingegen besteht dieser Streit nicht mehr, weil der Gutglaubensschutz von Rechtsscheintatbeständen sich eigentlich unmittelbar nur auf die Ersterwerbtatbestände bezieht. D.h. also, dass man beim Ersterwerb noch dogmatisch streiten kann, beim Zweiterwerb hingegen weniger. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Schöner/Stöber Grundbuchrecht 16. Auflage, Schöner/Stöber Rn. 1534 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

SI

simonr

3.1.2025, 14:52:58

Wie ließe sich dieser Streit am besten innerhalb einer Klausur aufbauen? Spreche ich diesen bereits vor der Prüfung des gutgläubigen Zweiterwerbs der

Vormerkung

an, oder baue ich diesen erst im Rahmen der Prüfung des guten Glaubens (Rechtscheins

tatbestand

des öffentl. Glauben des Grundbuchs) einige Prüfungspunkte später ein? Ich persönlich störe mich daran, die Prüfung des gutgläubigen Zweiterwerbs einer

Vormerkung

mit dem Streit, ob im Rahmen des guten Glaubens denn

§ 892 BGB

anwendbar wäre, zu Beginnen, da ich somit die Prüfung teilweise vorwegnehmen muss und "Verweise nach Unten" oder Aufbauerklärungen in Klausuren ja generell nicht gerne gesehen sind. Verneinte man jedoch die Analogie mit der h.L. erst innerhalb der eröffneten Prüfung, wären die bisherigen Prüfungspunkte obsolet, man würde ja schon gar nicht in die Prüfung einsteigen müssen und könnte sich Zeit sparen. Gibt es hierzu eine bevorzugte Klausurtaktik? Wenn ich innerhalb der Streitdarstellung die jeweiligen Argumente für und gegen die Analogie des

§ 892 BGB

anführe, begründe ich ja somit auch schon die Prüfungspunkte der Analogie (planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage). Folge ich dann der Ansicht des BGH, muss ich erneut die Analogie prüfen? (Im Streit habe ich ja zuerst die Anwendung generell für möglich erklärt) Oder wäre es sauberer einfach auf die Argumente für und gegen die Analogie in vorangegangenem Streit zu verweisen und die Prüfung des gutgläubigen Zweiterwerbs damit abzuschließen? Ich hoffe die Ausführungen sind verständlich und bedanke mich im Voraus für die Hilfe!


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E verkauft ihr Grundstück an B. Zugunsten von B wird eine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen. Zur Eigentumsübertragung kommt es nie. 2014 verkauft E das Grundstück an Z, ebenfalls gesichert mit einer Auflassungsvormerkung. Anfang Mai 2017 wird Bs Vormerkung fälschlich aus dem Grundbuch gelöscht. Mitte Mai 2017 verkauft Z das Grundstück an K und überträgt K ihre Vormerkung. Im Juni 2017 lässt B gegen die Löschung ihrer Vormerkung einen Widerspruch eintragen. Im März 2018 wird K als Eigentümer eingetragen.

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