Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Teilverwirklichung des objektiven Tatbestands
Teilverwirklichung des objektiven Tatbestands
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T gibt sich bei O unter dem Namen eines Geschäftsführers eines bekannten Unternehmens aus. Er beabsichtigt, das Vertrauen von O zu erschleichen. Das aufgebaute Vertrauen möchte T dann zu einem späteren Zeitpunkt nutzen, um O von der vorübergehenden fehlenden Liquidität des Unternehmens zu täuschen und diesen dann zu einem Darlehen zu bewegen, welches er dem T in bar überreichen sollte.
Diesen Fall lösen 79,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Teilverwirklichung des objektiven Tatbestands
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat einen vollendeten Betrug begangen (§ 263 Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Betruges.
Ja!
3. T hat durch die Täuschung über seine Stellung als Geschäftsführer „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Der Versuch setzt voraus, dass der Täter „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung“ ansetzt.
Ja!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Claudia
27.10.2021, 17:00:25
Eine Teilverwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale genügt nicht. Danke!
Lukas_Mengestu
28.10.2021, 11:01:18
Hi Claudia, war das ein Hinweis auf einen entsprechenden Fehler in den Hinweistexten oder nur die Kurzzusammenfassung des wesentlichen Inhalts? Konnte nämlich keinen Fehler entdecken :D Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Claudia
28.10.2021, 11:03:19
Sorry, nein das war nur eine Info aus dem Hinweistext, die ich für mich persönlich abgespeichert habe. 😅
Lukas_Mengestu
28.10.2021, 13:50:49
:D alles klar!
inchen9
13.9.2024, 12:38:25
huhu, ich habe immer gelernt, dass eine Teilverwirklichung sehr wohl zu einem unmittelbaren Ansetzen führen kann (Hemmer). Dabei wird geprüft, wo der Unrechtsschwerpunkt bei der Verwirklichung liegt. Bei §
154 StGBwäre dann ein
unmittelbares Ansetzenzu bejahen, wenn der Täter zum Schwur angesetzt hat. Bei § 263 ist demnach ein
unmittelbares Ansetzenzu bejahen, wenn der Täter die Täuschung vollzogen hat, die dann zu der Irrtumserregung führt. Diese Annahme fand ich auch immer sehr logisch.
luc1502
25.9.2024, 14:13:42
Hi @[inchen9](230171) Die Teilverwirklichung ist immer nur ein Indiz, aber mehr auch nicht. Gedanklich hilft mir dabei immer der Fall: Stell dir vor, du willst aus einem Geschäft irgendetwas stehlen und denkst dir, dass du ggf. Gewalt anwenden willst, wenn dich jemand dabei erwischt. Bevor du aber das Geschäft mit dem Produkt in der Tasche verlassen kannst, erkennst du die Sicherheitskameras und legst das Produkt wieder zurück ins Regal. Dementsprechend hättest du einen Tatentschluss bzgl. eines Räuberischen Diebstahls gehabt. Würde man jetzt das Kriterium der Teilverwirklichung für absolut halten, dann müsstest du wegen versuchten räuberischen Diebstahls verurteilt werden (denn du hast ja tatbestandlich bereits einen Teil des räuberischen Diebstahls verwirklicht, nämlich die Wegnahme), was aber kein StA tun würde. Hierzu kann ich dir den Beitrag von Putzke in JuS 2009,894 empfehlen.
inchen9
25.9.2024, 14:19:04
Danke!
Lorenz
27.9.2024, 15:53:06
Man sollte sich vor Augen führen, dass das "Strafrecht das schärfste Schwert" ist. Folglich soll nicht schon sehr früh die "Falle zuschnappen", indem schon frühe Stadien sanktioniert werden.
millisiewert
31.10.2024, 19:03:03
Hey, ich habe auch gelernt, dass eine Teilverwirklichung immer zum unmittelbaren Ansetzen führt. Aber liegt hier überhaupt schon eine vor? Die Täuschungshandlung, die zur Vermögensverfügung führen soll, also die Täuschung über die Liquidität des Unternehmens, wurde doch noch gar nicht durchgeführt? LG
Leo Lee
3.11.2024, 09:55:01
Hallo milisiewert, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Beachte, dass eine Teilverwirklichung bei Delikten wie dem Betrug gerade NICHT immer zum unmittelbaren Ansetzen führt (hier ist nötig, dass dann unm. zur Vermögensverfügung angesetzt wird). Abgesehen davon: Beachte zudem, dass der T den O dadurch täuscht, indem er unter dem Namen eines Geschäftsführers eines bekannten Unternehmens auftritt. Hierdurch nimmt er eine intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild des O vor (nämlich dass O glaubt, der T sei eben der Geschäftsführer des Unternehmens). Da hierdurch auch ein Irrtum (Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit) herbeigeführt wird, ist der TB in der Tat zum Teil verwirklicht (was aber beim Betrug eben noch nicht ausreicht). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hefendehl § 263 Rn. 1176 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo