Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Teilverwirklichung des objektiven Tatbestands

Teilverwirklichung des objektiven Tatbestands

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T gibt sich bei O unter dem Namen eines Geschäftsführers eines bekannten Unternehmens aus. Er beabsichtigt, das Vertrauen von O zu erschleichen. Das aufgebaute Vertrauen möchte T dann zu einem späteren Zeitpunkt nutzen, um O von der vorübergehenden fehlenden Liquidität des Unternehmens zu täuschen und diesen dann zu einem Darlehen zu bewegen, welches er dem T in bar überreichen sollte.

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Einordnung des Falls

Teilverwirklichung des objektiven Tatbestands

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat einen vollendeten Betrug begangen (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Vollendet ist die Tat, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Der Betrugstatbestand setzt voraus eine Täuschung über Tatsachen, die zu einem Irrtum führt, infolgedessen das Opfer eine Vermögensverfügung vornimmt, die zu einem Vermögensschaden führt. T hat den O getäuscht und bei diesem einen Irrtum erregt, da er diesen überzeugt hat, dass er Geschäftsführer eines bekannten Unternehmens sei. Es fehlt jedoch an einer Vermögensverfügung durch den O. Der Betrug ist unvollendet. In Betracht kommt jedoch eine Versuchsstrafbarkeit (§§ 263 Abs. 2, 23 Abs. 1 Var. 2 StGB).
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2. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Betruges.

Ja!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist fest entschlossen O zu betrügen und ihn dadurch zu einer Vermögensverfügung zu bewegen. T hatte auch Bereicherungsabsicht.

3. T hat durch die Täuschung über seine Stellung als Geschäftsführer „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt“.

Nein, das ist nicht der Fall!

T hat einen Teil des objektiven Tatbestandes, nämlich eine Täuschung und Irrtumserregung bereits erfüllt. Es fehlt jedoch weiterhin an einer Vermögensverfügung. Nach der Vorstellung des T sollte erst die spätere Täuschung die Vermögensgefährdung bewirken. Eine unmittelbare Gefährdung lag daher nicht vor (RdNr. 11). Es fehlt an einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, da dieser für T noch nicht absehbar war und einen beträchtlichen Zeitraum ausmachen könnte. Auch ein räumlicher Zusammenhang war nach der Vorstellung des T nicht gegeben. Die Formulierung, dass bei Teilverwirklichung des objektiven Tatbestandes immer ein Versuch vorliegt, ist somit falsch, da es bei Erfolgsdelikten auf den Taterfolg ankommt.

4. Der Versuch setzt voraus, dass der Täter „unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung“ ansetzt.

Ja!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CLAUD

Claudia

27.10.2021, 17:00:25

Eine Teilverwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale genügt nicht. Danke!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 11:01:18

Hi Claudia, war das ein Hinweis auf einen entsprechenden Fehler in den Hinweistexten oder nur die Kurzzusammenfassung des wesentlichen Inhalts? Konnte nämlich keinen Fehler entdecken :D Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CLAUD

Claudia

28.10.2021, 11:03:19

Sorry, nein das war nur eine Info aus dem Hinweistext, die ich für mich persönlich abgespeichert habe. 😅

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 13:50:49

:D alles klar!

inchen9

inchen9

13.9.2024, 12:38:25

huhu, ich habe immer gelernt, dass eine Teilverwirklichung sehr wohl zu einem unmittelbaren Ansetzen führen kann (Hemmer). Dabei wird geprüft, wo der Unrechtsschwerpunkt bei der Verwirklichung liegt. Bei §

154 StGB

wäre dann ein

unmittelbares Ansetzen

zu bejahen, wenn der Täter zum Schwur angesetzt hat. Bei § 263 ist demnach ein

unmittelbares Ansetzen

zu bejahen, wenn der Täter die Täuschung vollzogen hat, die dann zu der Irrtumserregung führt. Diese Annahme fand ich auch immer sehr logisch.

LUC1502

luc1502

25.9.2024, 14:13:42

Hi @[inchen9](230171) Die Teilverwirklichung ist immer nur ein Indiz, aber mehr auch nicht. Gedanklich hilft mir dabei immer der Fall: Stell dir vor, du willst aus einem Geschäft irgendetwas stehlen und denkst dir, dass du ggf. Gewalt anwenden willst, wenn dich jemand dabei erwischt. Bevor du aber das Geschäft mit dem Produkt in der Tasche verlassen kannst, erkennst du die Sicherheitskameras und legst das Produkt wieder zurück ins Regal. Dementsprechend hättest du einen Tatentschluss bzgl. eines Räuberischen Diebstahls gehabt. Würde man jetzt das Kriterium der Teilverwirklichung für absolut halten, dann müsstest du wegen versuchten räuberischen Diebstahls verurteilt werden (denn du hast ja tatbestandlich bereits einen Teil des räuberischen Diebstahls verwirklicht, nämlich die Wegnahme), was aber kein StA tun würde. Hierzu kann ich dir den Beitrag von Putzke in JuS 2009,894 empfehlen.

inchen9

inchen9

25.9.2024, 14:19:04

Danke!

LO

Lorenz

27.9.2024, 15:53:06

Man sollte sich vor Augen führen, dass das "Strafrecht das schärfste Schwert" ist. Folglich soll nicht schon sehr früh die "Falle zuschnappen", indem schon frühe Stadien sanktioniert werden.

MI

millisiewert

31.10.2024, 19:03:03

Hey, ich habe auch gelernt, dass eine Teilverwirklichung immer zum unmittelbaren Ansetzen führt. Aber liegt hier überhaupt schon eine vor? Die Täuschungshandlung, die zur Vermögensverfügung führen soll, also die Täuschung über die Liquidität des Unternehmens, wurde doch noch gar nicht durchgeführt? LG

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 09:55:01

Hallo milisiewert, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Beachte, dass eine Teilverwirklichung bei Delikten wie dem Betrug gerade NICHT immer zum unmittelbaren Ansetzen führt (hier ist nötig, dass dann unm. zur Vermögensverfügung angesetzt wird). Abgesehen davon: Beachte zudem, dass der T den O dadurch täuscht, indem er unter dem Namen eines Geschäftsführers eines bekannten Unternehmens auftritt. Hierdurch nimmt er eine intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild des O vor (nämlich dass O glaubt, der T sei eben der Geschäftsführer des Unternehmens). Da hierdurch auch ein Irrtum (Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit) herbeigeführt wird, ist der TB in der Tat zum Teil verwirklicht (was aber beim Betrug eben noch nicht ausreicht). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hefendehl § 263 Rn. 1176 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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