Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

AGB

§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB

§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB

22. November 2024

4,8(13.904 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Studentin S kauft bei Fahrradhändler H ein Fahrrad für €100 Euro. H legt der S wie jedem Kunden vor Unterzeichnung des Kaufvertrags einen handgeschriebenen kleinen Zettel vor. Darauf steht, dass sämtliche Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sind.

Diesen Fall lösen 95,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klausel ist eine „Vertragsbedingung“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Vertragsbedingung ist eine Regelung, die nach dem objektiven Empfängerhorizont den Vertragsinhalt festlegen will. Abzugrenzen sind Vertragsbedingungen von unverbindlichen Hinweisen, Bitten, oder Empfehlungen, die mangels Regelungsgehalt nicht auf den Vertragsinhalt einwirken. Der Gewährleistungsausschluss wirkt auf den Vertragsinhalt ein, sodass es sich um eine Vertragsbedindung handelt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Klausel ist „vorformuliert“ und „für eine Vielzahl von Verträgen“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) aufgestellt.

Ja, in der Tat!

Eine Vertragsbedingung ist vorformuliert, wenn sie vor Abschluss des Vertrags oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts entworfen wurde. Die Klausel ist für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt, wenn der Verfasser die Klausel in dem Bewusstsein erstellt hat, dass diese mehrfach verwendet wird. Der Zettel war bereits vor Vertragsschluss geschrieben und H wollte diesen für sämtliche Fahrradverkäufe nutzen, sodass die Gewährleistungsklausel vorformuliert und für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt wurde.

3. Die Klausel ist „von einer Vertragspartei (Verwender) gestellt“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Eine Klausel ist von einer Vertragspartei gestellt, wenn die Partei die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag einseitig veranlasst hat und so der anderen Partei den Vertrag zu diesen Bedingungen anbietet. Der handgeschriebene Zettel wurde von Fahrradhändler H der S vorgelegt, sodass H die Einbeziehung der Klausel in den Mietvertrag einseitig veranlasst hat. Damit wurde die Klausel von einer Vertragspartei gestellt.

4. Da die Klausel bloß handschriftlich geschrieben ist und sich auf einem Zettel befindet, der bei Vertragsschluss vorlegt wird, handelt es sich nicht um AGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Liegen die Merkmale des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB vor, handelt es sich bei der Klausel um AGB. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei der Gewährleistungsklausel handelt es sich um eine Vertragsbedingung, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist und von einer Vertragspartei gestellt wurde (§305 Abs. 1 S. 1 BGB). Die handschriftliche Form und die Nichtaufnahme in die Vertragsurkunde hindern die AGB Eigenschaft der Klausel nicht.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

30.12.2021, 12:56:02

Wie sieht es bei AGBs i.R. von Grundstückskaufverträgen aus?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.12.2021, 08:32:12

Hallo Mariam, bei Grundstückskaufverträgen müssen auch die AGB mit beurkundet werden, um Teil des Grundstückskaufvertrages zu werden. Ansonsten sind sie nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Law🦥

Law🦥

4.2.2024, 20:51:54

Nach Paragraf 305 Abs.1 S.1 BGB ist der handgeschriebene Zettel eine AGB- absolut agreed. Ich kann aber aus dem Sachverhalt nicht erkennen, warum dies eine vorformulierte Klausel ist, die für eine Vielzahl von Verträgen genutzt wird- also gerade dass die AGB handschriftlich vorgelegt wird, kann doch eine exakte erneute Nutzung nicht garantieren oder? Schon alleine wenn orthographische Änderungen auf dem nächsten Zettel sind, ist es doch nicht die selbe Klausel, sondern nur die Gleiche? Wie ordne ich dies richtig aus einer objektiven Sicht ein/ bewerte es?

Kathi

Kathi

11.6.2024, 10:36:22

ich hab's so verstanden, dass es immer der selbe Zettel ist, der nicht ausgegeben, sondern vorgelegt wird. Damit wäre es für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert.

Skra8

Skra8

9.11.2024, 15:08:18

Hi @[Law🦥](223461) und @[Kathi](189118), ich habe den Sachverhalt ebenfalls so gedeutet, dass H für jeden Kunden einen neuen eigenen handgeschriebenen Zettel erstellt. Das ändert allerdings nichts an dem Ergebnis, dass es sich hier um eine vorformulierte Klausel handelt, die für eine Vielzahl von Verträgen genutzt wird. Ich kann Dein Störgefühl im Hinblick auf die Definition von "vorformuliert" gut nachvollziehen. Allerdings nimmt unsere Rechtsprechung auch dann eine Vorformulierung an, wenn die Vertragsbedingungen noch nicht einmal schriftlich vorliegen, sondern zum Zweck künftiger Verwendung im Kopf des AGB-Verwenders oder als Textbausteine in einem System gespeichert sind. (BGH NJW-RR 2014, 1133; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 13, beck-online) Aus dieser Überlegung resultiert, dass Du eine Vorformulierung im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB auch dann annehmen kannst, wenn der AGB-Verwender seinen Vertretern eine bestimmte Formulierung auswendig lernen lässt und sie beauftragt, diese Formulierung bei künftigen Vertragsschlüssen in den schriftlichen Vertragstext aufzunehmen oder diese von der anderen Partei mündlich akzeptieren zu lassen. (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 13, beck-online) Silver-Lining: Auf welche Weise die jeweilige Klausel vorformuliert oder in den Vertragstext aufgenommen wurde, ist unerheblich. (BeckOK BGB/Becker, 71. Ed. 1.5.2024, BGB § 305 Rn. 17, beck-online) Entsprechend sind auch orthografische Änderungen bei handschriftlichen Klauseln unbeachtlich. Das ist auch insoweit folgerichtig, denn es macht im Hinblick auf den Schutzzweck der AGB-Bestimmungen keinen Unterschied, ob der Verwender die Vertragsbedingungen in schriftlicher Form vorbereitet oder ob er eine bestimmte Formulierung auswendig gelernt hat. (BGH NJW 1

988

, 410) Vielleicht hilft das weiter?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen