§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Studentin S kauft bei Fahrradhändler H ein Fahrrad für €100 Euro. H legt der S wie jedem Kunden vor Unterzeichnung des Kaufvertrags einen handgeschriebenen kleinen Zettel vor. Darauf steht, dass sämtliche Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sind.
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Einordnung des Falls
§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Klausel ist eine „Vertragsbedingung“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Klausel ist „vorformuliert“ und „für eine Vielzahl von Verträgen“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) aufgestellt.
Ja, in der Tat!
3. Die Klausel ist „von einer Vertragspartei (Verwender) gestellt“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).
Ja!
4. Da die Klausel bloß handschriftlich geschrieben ist und sich auf einem Zettel befindet, der bei Vertragsschluss vorlegt wird, handelt es sich nicht um AGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ehemalige:r Nutzer:in
30.12.2021, 12:56:02
Wie sieht es bei AGBs i.R. von Grundstückskaufverträgen aus?
Lukas_Mengestu
31.12.2021, 08:32:12
Hallo Mariam, bei Grundstückskaufverträgen müssen auch die AGB mit beurkundet werden, um Teil des Grundstückskaufvertrages zu werden. Ansonsten sind sie nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Law🦥
4.2.2024, 20:51:54
Nach Paragraf 305 Abs.1 S.1 BGB ist der handgeschriebene Zettel eine AGB- absolut agreed. Ich kann aber aus dem Sachverhalt nicht erkennen, warum dies eine vorformulierte Klausel ist, die für eine Vielzahl von Verträgen genutzt wird- also gerade dass die AGB handschriftlich vorgelegt wird, kann doch eine exakte erneute Nutzung nicht garantieren oder? Schon alleine wenn orthographische Änderungen auf dem nächsten Zettel sind, ist es doch nicht die selbe Klausel, sondern nur die Gleiche? Wie ordne ich dies richtig aus einer objektiven Sicht ein/ bewerte es?
Kathi
11.6.2024, 10:36:22
ich hab's so verstanden, dass es immer der selbe Zettel ist, der nicht ausgegeben, sondern vorgelegt wird. Damit wäre es für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert.
Skra8
9.11.2024, 15:08:18
Hi @[Law🦥](223461) und @[Kathi](189118), ich habe den Sachverhalt ebenfalls so gedeutet, dass H für jeden Kunden einen neuen eigenen handgeschriebenen Zettel erstellt. Das ändert allerdings nichts an dem Ergebnis, dass es sich hier um eine vorformulierte Klausel handelt, die für eine Vielzahl von Verträgen genutzt wird. Ich kann Dein Störgefühl im Hinblick auf die Definition von "vorformuliert" gut nachvollziehen. Allerdings nimmt unsere Rechtsprechung auch dann eine Vorformulierung an, wenn die Vertragsbedingungen noch nicht einmal schriftlich vorliegen, sondern zum Zweck künftiger Verwendung im Kopf des AGB-Verwenders oder als Textbausteine in einem System gespeichert sind. (BGH NJW-RR 2014, 1133; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 13, beck-online) Aus dieser Überlegung resultiert, dass Du eine Vorformulierung im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB auch dann annehmen kannst, wenn der AGB-Verwender seinen Vertretern eine bestimmte Formulierung auswendig lernen lässt und sie beauftragt, diese Formulierung bei künftigen Vertragsschlüssen in den schriftlichen Vertragstext aufzunehmen oder diese von der anderen Partei mündlich akzeptieren zu lassen. (MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, BGB § 305 Rn. 13, beck-online) Silver-Lining: Auf welche Weise die jeweilige Klausel vorformuliert oder in den Vertragstext aufgenommen wurde, ist unerheblich. (BeckOK BGB/Becker, 71. Ed. 1.5.2024, BGB § 305 Rn. 17, beck-online) Entsprechend sind auch orthografische Änderungen bei handschriftlichen Klauseln unbeachtlich. Das ist auch insoweit folgerichtig, denn es macht im Hinblick auf den Schutzzweck der AGB-Bestimmungen keinen Unterschied, ob der Verwender die Vertragsbedingungen in schriftlicher Form vorbereitet oder ob er eine bestimmte Formulierung auswendig gelernt hat. (BGH NJW 1
988, 410) Vielleicht hilft das weiter?