Abwandlung: Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb (grobe Fahrlässigkeit)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
U leiht sich Es Sportwagen für eine Spritztour in die Berge. Dort trifft sie S, der sie den Wagen spontan veräußert. U versichert, sie sei Eigentümerin, auch wenn sie die Zulassungsbescheinigung II nicht vorlegen könne. S fährt den Wagen 11 Jahre lang bis E ihn wiederfindet und Herausgabe verlangt.
Einordnung des Falls
Abwandlung: Bösgläubigkeit bei Besitzerwerb (grobe Fahrlässigkeit)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. War S zum Zeitpunkt der Veräußerung gutgläubig bezüglich der Eigentümerstellung der U (§ 932 Abs. 2 BGB)?
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Nein, das trifft nicht zu!
2. Scheitert ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb, so kommt immer noch ein gesetzlicher Eigentumserwerb in Betracht.
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Ja!
3. S hatte den Wagen mindestens zehn Jahre lang im Eigenbesitz (§ 937 Abs. 1 BGB).
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Genau, so ist das!
4. Hat S Eigentum an dem Wagen nach § 937 BGB erworben, obwohl sie bei Erwerb des Wagens nicht gutgläubig war?
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Nein, das trifft nicht zu!
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Blotgrim
24.11.2022, 11:27:30
Ist es wirklich immer grob fahrlässig, wenn ich mir die Bescheinigung nicht vorlegen lasse? Ich meine es kann doch wirklich passieren, das man so etwas Mal verliert, auch wenn man es eigentlich stets vorlegen können muss.

Lukas_Mengestu
25.11.2022, 18:13:43
Hallo Blotgrim, im Hinblick auf die Zulassungsbescheinigung Teil II ist die Rspr. recht streng. Wenn der wahre Eigentümer diese verliert, dann könnte er ja ohne weiteres diese neu beantragen. Dies kostet nur etwas Zeit und Geld. Selbstverständlich ist eine Veräußerung auch ohne Zulassungsbescheinigung II möglich, denn die fehlende Bescheinigung ändert nichts an der Verfügungsberechtigung. Ein gutgläubiger Erwerb ist allerdings ohne Zulassungsbescheinigung II nicht möglich, denn der Rechtsschein wird beim PKW-Verkauf nicht allein durch den Besitz begründet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Andeutungstheorie merken
6.9.2023, 08:37:31
Ich finde es sehr gut, wie ihr die einzelnen Erwerbstatbestände zueinander in den Kontext setzt. Sehr hilfreich :)
evanici
15.9.2023, 10:42:49
Und der Prüfungsstandort wäre dann unter (Nicht-)Berechtigung des Veräußerers nach Verneinung des gutgläubigen Erwerbs unter einem weiteren Punkt "gesetzlicher Erwerb", oder würde man in einer Klausur gleich auf den gesetzlichen Erwerb springen und den rechtsgeschäftlichen Erwerb gar nicht erwähnen?
Leo Lee
16.9.2023, 15:10:54
Hallo evanici, hier würdest du wie folgt vorgehen. Zunächst prüfst du den normalen rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb gem. § 929 1 BGB und lässt ihn dann scheitern aufgrund Bösgläubigkeit/Abhandenkommens etc. dann machst du einen neuen Gliederungspunkt auf (auf der gleichen Ebene) und prüfst den gesetzlichen Erwerbstatbestand. D.h. bspw.: A. Eigentumserwerb U – S (-) B. Eigentumserwerb gem. § 937 I BGB. Beachte, dass du immer kurz auch den rechtsgeschäftlichen Erwerb ansprichst (wegen des Vorrangs der Privatautonomie), ehe du zu den gesetzlichen Tatbeständen gelangst :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam - Leo