Unternehmenserwerb mit Firmenfortführung / Leistung an den Erwerber, § 25 Abs. 1 S. 2 HGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V veräußert seine als e.K. betriebene Landschaftsgärtnerei an K, der diese unter der bisherigen Firma fortführt. Die in V‘s Betrieb begründeten Forderungen wurden nicht an K abgetreten. Vor Unternehmensübertragung hat S die Dienste der Landschaftsgärtnerei in Anspruch genommen. S hat den Werklohn noch nicht bezahlt.
Einordnung des Falls
Unternehmenserwerb mit Firmenfortführung / Leistung an den Erwerber, § 25 Abs. 1 S. 2 HGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat von V ein Handelsgeschäft erworben (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB).
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Genau, so ist das!
2. K führt das Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fort (§ 25 Abs. 1 S. 1 HGB).
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Ja, in der Tat!
3. K hat einen Anspruch gegen S auf Zahlung des Werklohns.
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Nein!
4. S kann schuldbefreiend an K leisten (§ 362 Abs. 1 BGB i.V.m. § 25 Abs.1 S. 2 HGB).
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Genau, so ist das!
5. S kann schuldbefreiend an V leisten (§ 362 Abs. 1 BGB).
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Ja, in der Tat!
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jomolino
4.5.2022, 14:59:45
Das heißt die Abtretungsfiktion führt nicht dazu, dass der neue Inhaber die Forderung auch geltend machen kann?
Lukas_Mengestu
6.5.2022, 11:13:35
Hallo nomamo, so ist es in der Tat nach der wohl hM. Nach anderer Auffassung (u.a. Thiessen, in: MüKo-HGB, 5.A. 2021, § 25 RdNr. 72) wird dagegen vertreten, dass die Forderungen auch ohne Einzelabtretung übergehen, sofern der Veräußerer dies nicht explizit ausgeschlossen und diesen Ausschluss gem. § 25 Abs. 2 HGB publiziert hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Saufen_Fetzt
8.1.2023, 13:13:09
Aber welche Wertung steht denn dahinter? Es widerspricht sich doch etwas, zu sagen, dass der Erwerber für Altverbindlichkeiten haftet, aber noch offene Forderungen an den Verkäufer gehen? Von Gefühl her würde ich doch eher sagen, entweder übernehme ich das Geschäft “so wie es ist” (unter Firmenfortführung) mit allen dranhängenden Forderungen und Verbindlichkeiten oder ich mache einen “klaren cut” (und führe dementsprechend die Firma auch nicht weiter)?
Charliefux
21.3.2024, 14:02:28
Hallo @saufen_fetzt Bei dem § 25 I 2 HGB handelt es sich um eine Schuldnerschutzvorschrift. Die dahinter stehende Wertung ist, dass der Schuldner, der möglicherweise nichtmal etwas von dem Erwerb des Handelsgewerbes des K weiß, geschützt wird. Diese Vorschrift ermöglicht ihm, auch schuldbefreiend an K (Erwerber) zu leisten. Gäbe es diese Vorschrift nicht, müsste S erneut zahlen, damit Erfüllung eintritt („Wer falsch zahlt, zahlt doppelt“). Dann müsste der Schuldner sich vor seiner Leistung dahingehend erkundigen, wer das Handelsgewerbe unter welchen Voraussetzungen erworben hat und bei doppelter Zahlung das Insolvenzrisiko des K tragen (812ff. BGB). S kann demnach schuldbefreiend sowohl an K als auch an V leisten. Aber nur weil für S Erfüllung durch die Leistung an K eintritt, heißt das nicht, dass K einen Anspruch auf die Leistung hat. (Siehe eine der ersten Fragen, ob K die Leistung von S fordern kann). Die Vorschrift begründet eben keinen Anspruch sondern schützt nur den Schuldner vor doppelter Zahlung. K darf die Leistung des auch nicht behalten, er muss sich an V herausgeben nach § 816 II BGB.
Blotgrim
13.6.2023, 23:06:52
Müsste K dann den Werklohn an V herausgeben wenn an ihn geleistet wird und wenn ja was wäre die Rechtsgrundlage? Lg
Showstehler
2.7.2023, 17:00:41
Ich denke hier kommt dann § 816 Abs. 2 BGB zum tragen. § 25 Abs. 1 S.2 HGB ist als Schuldberschutzvorschrift wohl als handelsrechtliche Komplementärvorschrift zu § 407 BGB zu sehen.
Nils
28.1.2024, 05:04:05
Bei Leistung an den Erwerber des Handelsgeschäfts ist dieser Nichtberechtigter i.S.v. § 816 Abs. 2 BGB, sodass Herausgabe des Geleisteten an den Berechtigten (Veräußerer) geschuldet wird.