Ausnahme: Verdecktes Geschäft für den, den es angeht


leicht

Diesen Fall lösen 86,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K bittet Nachbarin F, ihm ein paar Brötchen vom Bäcker mitzubringen. F bestellt bei Bäcker B drei Brötchen mehr, ohne dass F den B über den Auftrag des K aufklärt. Sie erhält die Brötchen und bezahlt sofort.

Einordnung des Falls

Ausnahme: Verdecktes Geschäft für den, den es angeht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F hat eine eigene Willenserklärung abgegeben (§ 164 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine eigene Willenserklärung gibt ab, wer nicht lediglich eine fremde Willenserklärung übermittelt (Erklärungsbote, vgl. § 120 BGB). Die Abgrenzung, ob der Erklärende eine eigene Willenserklärung abgibt oder eine fremde übermittelt, erfolgt nach dem äußeren Erscheinungsbild. Ein Indiz für eine Stellvertretung liegt vor, wenn der Mittelsmann Entscheidungsspielraum eingeräumt bekommt, der bei Übermittlung einer fremden WE nicht genutzt werden könnte. Hier hat K den F lediglich gebeten, ihr ein "paar" Brötchen zu kaufen, ohne eine eigene Willenserklärung in Form eines Kaufangebots vorzuformulieren. Des Weiteren steht F ein Ermessensspielraum in Bezug auf die Menge der Brötchen zu.

2. F hat diese Erklärung in fremden Namen abgegeben (§ 164 Abs. 1 BGB).

Nein!

Nach dem Offenkundigkeitsprinzip muss der Geschäftspartner des Vertretenen in seiner Privatautonomie geschützt werden, indem der Vertreter entweder ausdrücklich (§ 164 Abs. 1 S. 2. Alt. 1 BGB) oder konkludent (§ 164 Ab. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) beim Handeln gegenüber dem Erklärungsempfänger erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft Fremdwirkung entfalten soll. Hier lässt F nicht erkennen, dass sie für den K handelt.

3. Das „verdeckte Geschäft für den, den es angeht“ stellt eine Ausnahme zum Offenkundigkeitsprinzip dar.

Genau, so ist das!

Eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip liegt immer dann vor, wenn der Geschäftspartner nicht schutzwürdig in Bezug auf die Fremdwirkung ist. Das liegt insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens vor, bei denen die Leistungen sofort ausgetauscht werden (sog. verdeckte Geschäft für den, den es angeht). Dem Geschäftsgegner ist sein Geschäftspartner dann völlig gleichgültig. Ein solches Geschäft liegt hier vor. B war nicht schutzwürdig und F musste die Stellvertretung nicht offenlegen.

4. F hat die Willenserklärung im Rahmen ihrer Vertretungsmacht abgegeben (§ 164 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Vertretungsmacht kann sich (1) aus Rechtsgeschäft (gewillkürten Vertretung), (2) aus Gesetz oder (3) aus organschaftlicher Stellung in einer Gesellschaft (gesetzliche und organschaftliche Vertretung) ergeben. K hat F bevollmächtigt, „ein paar“ Brötchen für ihn zu kaufen. Sie hat eine Willenserklärung über den Kauf von drei Brötchen abgegeben. Damit handelte sie im Rahmen ihrer Vollmacht.

Jurafuchs kostenlos testen


Tigerwitsch

Tigerwitsch

20.2.2021, 17:27:21

Wieso handelte F in Vertretungsmacht, wenn sie (laut Text und Bild) drei Brötchen „extra“ gekauft hat? Selbst wenn man die Bevollmächtigung durch K, „ein paar“ Brötchen zu kaufen, dergestalt auslegt, dass F einige Brötchen (Anzahl unbestimmt, jedoch zumindest nicht übermäßig viele) kaufen soll. Sobald F jedoch separat noch etwas bestellt (ich nehme mal an durch die Wortwahl „extra“ würde der Bäcker die Brötchen separat anpacken), ist dies nicht mehr von ihrer Vollmacht umfasst. Was meint Ihr?

Speetzchen

Speetzchen

21.2.2021, 21:51:28

Hey, sie sagt zwar 'extra' daraus ergibt sich ja nicht, dass sie in Vertretungsmacht der K gehandelt hat, die K wird von F doch zu keinem Zeitpunkt genannt. ;)

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.2.2021, 22:42:56

Mir ist bewusst, dass es ein Bargeld des alltäglichen Lebens ist. Mir geht es um das Innenverhältnis zwischen F und K. Ich habe das „extra“ so verstanden, dass F zusätzlich für sich noch Brötchen kauft (und ich vermute mal, dass die auch separat abgepackt werden). Das wäre ja wohl nicht mehr von der Vertretungsmacht bzw Vollmacht der K erfasst. Das war meine Frage :)

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.2.2021, 22:43:11

*Bargeschäft des alltäglichen Lebens

Lea_6.9

Lea_6.9

23.2.2021, 15:03:42

Ich würde hier weniger auf das Bild als auf den Sachverhalt achten und in diesem steht lediglich, dass F drei Brötchen mehr bestellt. Es ist davon auszugehen, dass sie diese drei Brötchen für K und die restlichen für sich selbst kauft. Der Text im Bild „heute 3 Brötchen extra“ lässt auch nur darauf schließen, dass F regelmäßig bei dieser Bäckerei einkaufen geht und an diesem Tag nunmal 3 Brötchen mehr möchte als sonst. Ob diese Brötchen extra eingepackt werden oder nicht, ist mMn zudem völlig irrelevant, was die Vertretungsmacht betrifft. :)

S

s

16.9.2021, 23:59:41

Sind denn hier zwei Kaufverträge zustandekommen? Auch wenn hier eine Ausnahme vom Offenkundigkeitsprinzip vorliegt, hat sich die F ja eigentlich bezüglich ihrer Brötchen verpflichtet und den K bezüglich der anderen drei. Hier gab es aber nur jeweils eine Willenserklärung von B und K. Kann dieser Kaufvertrag dann quasi aufgespalten werden?

🔥1312

🔥1312🔥

17.10.2021, 09:45:28

Spannende Frage! Ich weiß es leider auch nicht, aber gerade bei einer fehlerhaften WE bei einem der beiden Rechtsgeschäfte würde ja tatsächlich relevant werden, ob die Erklärungen z. B separat angefochten werden können. Vielleicht antwortet ja noch jemand?!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

16.11.2021, 09:20:43

Hallo ihr beiden, in der Tat eine interessante Frage. Hier dürften tatsächlich zwei Verträge zustande gekommen sein. Durch ihre Bestellung hat F insoweit zwei Angebote abgebeben, nämlich a) Brötchen für sich und b) 3 Brötchen für K. Beide Angebote wurden vom Bäcker angenommen, sodass am Ende zwei Verträge vorliegen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SI

silasowicz

9.8.2023, 16:09:37

Wieso nehmt ihr in der Erläuterung bei dieser Aufgabe den "Rechtsschein" in der Aufzählung wieder raus unter "Vertretungsmacht kann sich ergeben aus..."?


© Jurafuchs 2024