Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Stellvertretung
Rechtsfolge fehlender Offenkundigkeit: Eigengeschäft + fehlendes Anfechtungsrecht
Rechtsfolge fehlender Offenkundigkeit: Eigengeschäft + fehlendes Anfechtungsrecht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V bittet seinen Bruder B, seinen alten Kühlschrank in seinem Namen zu verkaufen. B verkauft den Kühlschrank an Käuferin K, vergisst aber bei Vertragsschluss zu erwähnen, dass er für V handelt. Bald darauf meldet sich K bei B. Der Kühlschrank hat mehrere Mängel, die B beheben soll.
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Einordnung des Falls
Rechtsfolge fehlender Offenkundigkeit: Eigengeschäft + fehlendes Anfechtungsrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat eine eigene Willenserklärung abgegeben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat die Willenserklärung im Namen des V abgegeben.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Zwischen V und K ist ein Kaufvertrag zustande gekommen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. K hat einen Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 434, 437 Nr. 1 BGB) gegen B.
Ja!
5. B kann den Kaufvertrag wegen Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB) anfechten.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
juramen
30.12.2021, 14:38:01
Ist nicht eigentlich doch ein Vertrag zwischen K und V zustande gekommen? Es klingt zumindest als wären die Verpflichtung aus dem Vertrag sofort erfüllt worden. In diesem Fall würde es sich doch um ein
Geschäft für den den es angehthandeln und dabei ist es ja in Ordnung, dass das
Offenkundigkeitsprinzipvernachlässigt wurde.
Lukas_Mengestu
3.1.2022, 09:29:43
Hallo juramen, sehr guter Gedanke. Das "
Geschäft für den, den es angeht" regelt allerdings primär solche Geschäfte, bei denen die Person des eigentlichen Vertragspartners keine wirkliche Relevanz für eine Seite besitzt. Richtig ist, dass diese Figur häufig bei Kaufverträgen Anwendung findet, bei denen der Käufer nicht offenbart, dass er für eine andere Person handelt. Dem Verkäufer dürfte regelmäßig egal sein, mit wem er den Vertrag schließt, sofern er direkt den vollen Kaufpreis erhält. Auch bei Mangelhaftigkeit der Ware ist es für ihn in der Regel unerheblich, wem er zur Nacherfüllung verpflichtet wäre. Im Hinblick auf die dem Käufer zustehenden Mängelrechte kann es dagegen durchaus relevant sein, wie solvent der Vertragspartner ist und ob er in der Lage ist, nachzuerfüllen.
Lukas_Mengestu
3.1.2022, 09:31:09
In der Konstellation, in der auf Seiten des Verkäufers ein Mittelsmann auftritt, sollte man also eher vorsichtig sein, ein "
Geschäft für den, den es angeht" anzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Johannes Nebe
1.5.2022, 10:08:47
Den Punkt "Vertiefung" könnte man noch verbessern. Eine eigene Willenserklärung des B lag nicht nur wegen mangelnder Offenkundigkeit vor, sondern hätte auch bei einer regelrechten Stellvertretung vorgelegen.
Lukas_Mengestu
2.5.2022, 10:25:25
Hallo Johannes, vielen Dank für den guten Hinweis. In der Tat setzt die Stellvertretung eine eigene Willenserklärung voraus. Diese muss also auch vorliegen, wenn der Stellvertreter offenkundig für einen anderen handelt. In diesem Fall ist aber noch stärker abzugrenzen, ob es sich hierbei um eine "eigene" Willenserklärung (=Stellvertreter) handelt oder lediglich das Überbringen einer "fremden" Willenserklärung (=Bote). Der Vertiefungshinweis soll insoweit lediglich darauf hinweisen, dass eine vertiefte Auseinandersetzung damit bei fehlender Offenkundigkeit entbehrlich ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
GilgameshTG
10.9.2022, 16:17:54
Wie würde dieser Fall weiterhin zu lösen sein? Ich bin etwas verunsichert, welche Ansprüche sich für B und V zueinander ergeben würden.
Nora Mommsen
13.9.2022, 15:12:18
Hallo GilgameshTG, zwischen B und V besteht ein Auftragsverhältnis, sofern beide mit Rechtsbindungwillen gehandelt haben. Dem V stehen Schadensersatzansprüche aus § 280 I BGB zu, wobei das Auftragssverhältnis das Schuldverhältnis darstellt. B könnte
Aufwendungsersatzgeltend machen unter den Voraussetzungen des § 670 BGB. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Rechthaber
27.4.2024, 12:23:27
Kann man über einen
Aufwendungsersatzauch einen Befreiungsanspruch des B gegen V im Hinblick auf die Nacherfüllung nach 670 BGB Gegebenfalls Analog wegen riskotypischer Begleitschäden konstruieren. Der Käufer ist nicht schützenswert im Hinblick auf die Person, die die Nacherfüllung erbringt, da der Verkäufer sich im Rahmen der Nacherfüllung auch im Normalfall einer Dritten Person bedienen kann, Ebenso verdient der ursprünglich beabsichtigte Verkäufer V keinen Schutz, da er ursprünglich ja als Verkäufer agieren sollte und die Nacherfülung sowieso hätte erbringen müssen. 119 II trifft nur Wertungen hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Dritten und Vertreter, macht aber keine Wertungen über das Innenverhältnis.
HGWrepresent
23.3.2024, 11:06:45
In der Erklärung, weshalb eine Anfechtung wegen Nichtwahrung des Offenkundigkeitsprinuips nicht in Betracht kommt, steht nicht, warum das so ist, sondern nur, dass es nicht in Betracht kommt. Es wäre sinnvoll, zur Erklärung hinzuzufügen, warum das so ist.
Gruttmann
25.3.2024, 09:03:43
Man könnte tatsächlich die letzte Erklärung etwas ausbauen.
Sambajamba10
14.4.2024, 09:07:47
Der Geschäftspartner soll hier in seinem Vertrauen auf einen Vertrag geschützt und die Durchführung dessen erleichtert. Allerdings wird er durch diese nicht zwingende rechtspolitische Entscheidung ohne besonderen Grund privilegiert.
caulpoy
27.8.2024, 21:59:09
scheitert eine Anfechtung nicht bereits vielmehr an dem Vorrang des Gewährleistungsrechts?
G0d0fMischief
2.9.2024, 10:25:19
Nein der Vorrang des Gewährleistungsrechts gilt nur für den
Eigenschaftsirrtumi.S.v. § 119 II BGB, da ein Sachmangel gem.
§ 434 BGBtypischer Weise auch einen
Eigenschaftsirrtumdarstellt und ansonsten die spezielleren Regelungen des Kaufrechts unterlaufen werden würden. :)
Skra8
16.9.2024, 18:07:35
Hi @[caulpoy](245038), @[G0d0fMischief](217996) hat natürlich vollkommen recht mit dem, was er sagt. Allerdings hier noch ein weiterer Hinweis: Der Vorrang der Gewährleistungsrechte blockiert nur die Anfechtung des Käufers im Rahmen der §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB und nicht die des Verkäufers. (Mich hat das Thema mal kalt erwischt) Sprich, hätte der B einen Anfechtungsgrund gemäß §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB auf seiner Seite, wäre eine Anfechtung noch möglich, und zwar mit der Überlegung, dass dem B in seiner Funktion als Verkäufer der eben thematisierte Gewährleistungsanspruch nicht zusteht. In dieser Konstellation ist das natürlich nur ein theoretischer Gedanke.
Stella2244
21.11.2024, 17:53:21
würde der Nacherfüllungsanspruch von K gegen B bestehen? oder wäre er wegen Unmöglichkeit untergegangen? wie würde man ihn prüfen?
Lorenz
21.11.2024, 18:58:07
Ja, er besteht und wird ganz normal geprüft. Wieso unmöglich? Dass B den Kühlschrank nicht reparieren kann, steht nicht im SV.
Stella2244
22.11.2024, 15:05:27
weil er doch beispielsweise nicht das Eigentum übertragen könnte oder?
Lorenz
22.11.2024, 15:14:16
Ich habe den SV so verstanden, dass K gutgläubig Eigentum erworben hat. Und auch wenn nicht, wird subjektive Unmöglichkeit gem. § 275 BGB grs. nur angenommen, wenn der wahre Eigentümer die Übereignung kategorisch ausschließt.