Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Stellvertretung
Rechtsfolge fehlender Offenkundigkeit: Eigengeschäft + fehlendes Anfechtungsrecht
Rechtsfolge fehlender Offenkundigkeit: Eigengeschäft + fehlendes Anfechtungsrecht
14. Februar 2025
24 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V bittet seinen Bruder B, seinen alten Kühlschrank in seinem Namen zu verkaufen. B verkauft den Kühlschrank an Käuferin K, vergisst aber bei Vertragsschluss zu erwähnen, dass er für V handelt. Bald darauf meldet sich K bei B. Der Kühlschrank hat mehrere Mängel, die B beheben soll.
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Einordnung des Falls
Rechtsfolge fehlender Offenkundigkeit: Eigengeschäft + fehlendes Anfechtungsrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat eine eigene Willenserklärung abgegeben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat die Willenserklärung im Namen des V abgegeben.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Zwischen V und K ist ein Kaufvertrag zustande gekommen.
Nein, das trifft nicht zu!
4. K hat einen Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 434, 437 Nr. 1 BGB) gegen B.
Ja!
5. B kann den Kaufvertrag wegen Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB) anfechten.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

juramen
30.12.2021, 14:38:01
Ist nicht eigentlich doch ein Vertrag zwischen K und V zustande gekommen? Es klingt zumindest als wären die Verpflichtung aus dem Vertrag sofort erfüllt worden. In diesem Fall würde es sich doch um ein
Geschäft für den den es angehthandeln und dabei ist es ja in Ordnung, dass das
Offenkundigkeitsprinzipvernachlässigt wurde.

Lukas_Mengestu
3.1.2022, 09:29:43
Hallo juramen, sehr guter Gedanke. Das "
Geschäft für den, den es angeht" regelt allerdings primär solche Geschäfte, bei denen die Person des eigentlichen Vertragspartners keine wirkliche Relevanz für eine Seite besitzt. Richtig ist, dass diese Figur häufig bei Kaufverträgen Anwendung findet, bei denen der Käufer nicht offenbart, dass er für eine andere Person handelt. Dem Verkäufer dürfte regelmäßig egal sein, mit wem er den Vertrag schließt, sofern er direkt den vollen Kaufpreis erhält. Auch bei Mangelhaftigkeit der
Wareist es für ihn in der Regel
unerheblich, wem er zur
Nacherfüllungverpflichtet wäre. Im Hinblick auf die dem Käufer zustehenden Mängelrechte kann es dagegen durchaus relevant sein, wie solvent der Vertragspartner ist und ob er in der Lage ist, nachzuerfüllen.

Lukas_Mengestu
3.1.2022, 09:31:09
In der Konstellation, in der auf Seiten des Verkäufers ein Mittelsmann auftritt, sollte man also eher vorsichtig sein, ein "
Geschäft für den, den es angeht" anzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Johannes Nebe
1.5.2022, 10:08:47
Den Punkt "Vertiefung" könnte man noch verbessern. Eine eigene Willenserklärung des B lag nicht nur wegen mangelnder Offenkundigkeit vor, sondern hätte auch bei einer regelrechten Stellvertretung vorgelegen.

Lukas_Mengestu
2.5.2022, 10:25:25
Hallo Johannes, vielen Dank für den guten Hinweis. In der Tat setzt die Stellvertretung eine eigene Willenserklärung voraus. Diese muss also auch vorliegen, wenn der Stellvertreter offenkundig für einen anderen handelt. In diesem Fall ist aber noch stärker abzugrenzen, ob es sich hierbei um eine "eigene" Willenserklärung (=Stellvertreter) handelt oder lediglich das Überbringen einer "fremden" Willenserklärung (=Bote). Der Vertiefungshinweis soll insoweit lediglich darauf hinweisen, dass eine vertiefte Auseinandersetzung damit bei fehlender Offenkundigkeit entbehrlich ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GilgameshTG
10.9.2022, 16:17:54
Wie würde dieser Fall weiterhin zu lösen sein? Ich bin etwas verunsichert, welche Ansprüche sich für B und V zueinander ergeben würden.

Nora Mommsen
13.9.2022, 15:12:18
Hallo GilgameshTG, zwischen B und V besteht ein Auftragsverhältnis, sofern beide mit Rechtsbindungwillen gehandelt haben. Dem V stehen Schadensersatzansprüche aus § 280 I BGB zu, wobei das Auftragssverhältnis das
Schuldverhältnisdarstellt. B könnte Aufwendungsersatz geltend machen unter den Voraussetzungen des
§ 670 BGB. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Rechthaber
27.4.2024, 12:23:27
Kann man über einen Aufwendungsersatz auch einen Befreiungsanspruch des B gegen V im Hinblick auf die
Nacherfüllungnach
670 BGBGegebenfalls Analog wegen riskotypischer Begleitschäden konstruieren. Der Käufer ist nicht schützenswert im Hinblick auf die Person, die die
Nacherfüllungerbringt, da der Verkäufer sich im Rahmen der
Nacherfüllungauch im Normalfall einer Dritten Person bedienen kann, Ebenso verdient der ursprünglich beabsichtigte Verkäufer V keinen Schutz, da er ursprünglich ja als Verkäufer agieren sollte und die Nacherfülung sowieso hätte erbringen müssen. 119 II trifft nur Wertungen hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen Dritten und Vertreter, macht aber keine Wertungen über das Innenverhältnis.

HGWrepresent
23.3.2024, 11:06:45
In der Erklärung, weshalb eine Anfechtung wegen Nichtwahrung des Offenkundigkeitsprinuips nicht in Betracht kommt, steht nicht, warum das so ist, sondern nur, dass es nicht in Betracht kommt. Es wäre sinnvoll, zur Erklärung hinzuzufügen, warum das so ist.

Gruttmann
25.3.2024, 09:03:43
Man könnte tatsächlich die letzte Erklärung etwas ausbauen.

Sambajamba10
14.4.2024, 09:07:47
Der Geschäftspartner soll hier in seinem Vertrauen auf einen Vertrag geschützt und die Durchführung dessen erleichtert. Allerdings wird er durch diese nicht zwingende rechtspolitische Entscheidung ohne besonderen Grund privilegiert.
caulpoy
27.8.2024, 21:59:09

G0d0fMischief
2.9.2024, 10:25:19
Nein der Vorrang des
Gewährleistungsrechts gilt nur für den
Eigenschaftsirrtumi.S.v. § 119 II BGB, da ein
Sachmangelgem. §
434 BGBtypischer Weise auch einen
Eigenschaftsirrtumdarstellt und ansonsten die spezielleren Regelungen des Kaufrechts unterlaufen werden würden. :)

Skra8
16.9.2024, 18:07:35
Hi @[caulpoy](245038), @[G0d0fMischief](217996) hat natürlich vollkommen recht mit dem, was er sagt. Allerdings hier noch ein weiterer Hinweis: Der Vorrang der
Gewährleistungsrechte blockiert nur die Anfechtung des Käufers im Rahmen der §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB und nicht die des Verkäufers. (Mich hat das Thema mal kalt erwischt) Sprich, hätte der B einen Anfechtungsgrund gemäß §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB auf seiner Seite, wäre eine Anfechtung noch möglich, und zwar mit der Überlegung, dass dem B in seiner Funktion als Verkäufer der eben thematisierte
Gewährleistungsanspruch nicht zusteht. In dieser Konstellation ist das natürlich nur ein theoretischer Gedanke.
Deno
13.1.2025, 20:32:21
@[Skra8](184520) Das gilt aber nicht, wenn der B versuchen würde, sich durch Anfechtung nach §§ 142 I, 119 II BGB den Mängelrechten der K zu entziehen, oder?

Skra8
13.1.2025, 21:58:13
Hi @[Deno](267269), ja, genau, dem ist so! Hier gilt auch die gleiche Überlegung wie oben: Die Anfechtung im Rahmen der §§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB ist dem Verkäufer verwehrt, sofern sie in ein Konkurrenzverhältnis mit den
Gewährleistungsrechten tritt (MüKoBGB/Armbrüster, 10. Aufl. 2025, BGB § 119 Rn. 31, beck-online). Simple ausgedrückt: Anfechtung Verkäuferseite (+), wenn dadurch dem Käufer keine Ansprüche oder Rechte wegen eines Mangels entzogen werden. Der Vollständigkeit halber sollte jedoch noch darauf hingewiesen werden, dass nicht nur kaufrechtliche Regelungen Konkurrenzprobleme mit § 119 Abs. 2 BGB haben können. Denkbar sind unter anderem auch Konkurrenzprobleme im Hinblick auf mietvertragliche oder werkvertragliche Mängelhaftung.
Stella2244
21.11.2024, 17:53:21
würde der
Nacherfüllungsanspruchvon K gegen B bestehen? oder wäre er wegen
Unmöglichkeituntergegangen? wie würde man ihn prüfen?
Lorenz
21.11.2024, 18:58:07
Ja, er besteht und wird ganz normal geprüft. Wieso unmöglich? Dass B den Kühlschrank nicht reparieren kann, steht nicht im SV.
Stella2244
22.11.2024, 15:05:27
weil er doch beispielsweise nicht das Eigentum übertragen könnte oder?
Lorenz
22.11.2024, 15:14:16
Ich habe den SV so verstanden, dass K gutgläubig Eigentum erworben hat. Und auch wenn nicht, wird
subjektive Unmöglichkeitgem. § 275 BGB grs. nur angenommen, wenn der wahre Eigentümer die Übereignung kategorisch ausschließt.
nmew
9.12.2024, 12:00:41
Ist bei dem Verkauf eines gebrauchten Artikels die Identität des Vertragspartners so wichtig? Ich dachte hier an ein Geschäft für den , den es angeht? Oder verstehe ich das zu weit?
Timurso
9.12.2024, 12:43:25
Das
Geschäft für den, den es angeht, beschränkt sich nach meinem Verständnis auf
Bargeschäfte des täglichen Lebens, also solche, die massenhaft und ohne Ansehung der Person durchgeführt werden. Beim Gebrauchtverkauf eines Kühlschranks handelt es sich dagegen um ein schon höherwertigeres Geschäft, bei es dem zudem (gerade weil er gebraucht ist) eine Rolle spielt, wer Vertragspartner wird (Vertrauenswürdigkeit etc.). Zudem gibt der Sachverhalt nichts darüber her, dass es sich um ein Bargeschäft handelt, welches von der K sofort in bar beglichen wurde. Insgesamt ist ein
Geschäft für den, den es angeht, hier daher meiner Meinung nach abzulehnen. Ansprechen kann/sollte man es aber auf jeden Fall.
praragrafix
19.12.2024, 17:06:09
Ich würde hier der Korrektheit halber beim
Nacherfüllungsanspruchneben 434 und 437 tunlichst noch 439 mitzitieren als eigentliche AGL für den
Nacherfüllungsanspruch. Danke!
Tinki
5.1.2025, 18:16:26
Worin wäre genau der ausgeschlossene
Erklärungsirrtumzu sehen? Der B hat doch genau das erklärt, was er erklären wollte; er hat nur vergessen, etwas anderes auch noch zu sagen. Das ist aber doch kein
Erklärungsirrtum, oder? Lieben Dank vorab!