Öffentliches Recht

VwGO

Normenkontrollverfahren

Behördennormenkontrolle: § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO: abgesenkte Anforderungen

Behördennormenkontrolle: § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO: abgesenkte Anforderungen

24. November 2024

4,8(8.334 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

Gemeinde G erlässt einen Bebauungsplan. Nachbargemeinde F ist der Meinung, der Bebauungsplan enthält Festsetzungen für Fs Planungsbereich, und sie sich dadurch in ihrer eigenen Planungshoheit betroffen. Fs Bürgermeisterin B will deswegen gegen die Satzung vorgehen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Behördennormenkontrolle: § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO: abgesenkte Anforderungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO kann nur eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts stellen.

Nein, das trifft nicht zu!

Bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit der in § 47 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO genannten Vorschriften mit höherrangigem Recht, kann das OVG die Normen überprüfen. Einen entsprechenden Antrag können zum einen natürliche und juristische Personen stellen (§ 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 VwGO). Zudem sind auch Behörden antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO). Die zentrale Behörde in einer Gemeinde ist in der Regel der Bürgermeister. Der Bebauungsplan ist ein möglicher Antragsgegenstand nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. B kommt in ihrer Funktion als Behörde der Gemeinde F als Antragstellerin in Betracht.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Im Rahmen der Normenkontrolle einer natürlichen oder juristischen Person ist antragsbefugt, wer die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung geltend machen kann.

Ja!

Bei der sog. „Bürgernormenkontrolle“ nach § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 VwGO ist klagebefugt, wer die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung geltend machen kann. Dies muss sich im Rahmen der Begründetet allerdings nicht bewahrheiten. Dort reicht - im Gegensatz zu der Begründetheit anderer verwaltungsrechtlicher Klagen - eine objektive Rechtsverletzung aus. Bei der Normenkontrolle handelt es sich um ein objektives Beanstandungsverfahren. Trotzdem soll es grundsätzliche keine Popularklagen geben. In der Klausur solltest Du Dich für die Prüfung der Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 VwGO inhaltlich an der Dir aus § 42 VwGO bekannten Klagebefugnis orientieren. Nur schreib bitte nicht, dass sich die Antragsbefugnis aus § 42 VwGO ergibt - das ist ein häufiger, unschöner Fehler.

3. Auch eine Behörde muss eine subjektive Rechtsverletzung geltend machen, um im Rahmen einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO antragsbefugt zu sein.

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Gegensatz zu natürlichen und juristischen Personen ist die Antragsbefugnis von Behörden nach dem eindeutigen Wortlaut des § 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VwGO nicht an eine mögliche Rechtsverletzung gebunden. Anders als Gerichte haben Behörden keine Normenverwerfungskompetenz. Deswegen sollen sie wenigstens die Möglichkeit haben, untergesetzliche Normen dem OVG zur Prüfung vorzulegen. Soweit die antragsstellende Behörde derselben juristischen Person angehört, wie die Behörde, die die angegriffene Norm erlassen hat, handelt es sich um einen unzulässigen Insichprozess.

4. Normenkontrollanträge von Behörden nach § 47 VwGO sind uneingeschränkt zulässig.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Normenkontrollantrag einer Behörde wird zwar nicht durch das Erfordernis der Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung eingeschränkt, allerdings gibt es die ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung des objektiven Kontrollinteresses. Dabei handelt es sich um eine Parallelfigur zum Rechtsschutzbedürfnis, welches zusätzlich zur Antragsbefugnis vorliegen muss. B ist antragsbefugt nach § 47 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwGO. Das darüberhinaus erforderliche objektive Kontrollinteresse kann darin gesehen werden, dass der Bebauungsplan der Gemeinde G den Planungsbereich der Gemeinde F und damit ihre eigene Planungshoheit berühren könnte. Für das Kontrollinteresse ist erforderlich, dass die antragstellende Behörde die angegriffene Rechtsvorschrift bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beachten hat. Angriffe auf Normen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde scheiden damit aus. F kann hier nur deshalb ein objektives Kontrollinteresse geltend machen, weil sie durch Gs Bebauungsplan in ihrer Planungshoheit betroffen sein könnte.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RAP

Raphaeljura

24.8.2023, 12:17:00

Wie ist das objektive Kontrollinteresse konkretisiert? Und wenn das ungeschrieben ist, dann gibt es da doch bestimmt verschiedene Meinungen dazu, oder nicht? Nach dem Wortlaut könnte ja tatsächlich jede

Behörde

jede betreffende Norm überprüfen lassen.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

5.4.2024, 11:32:52

Hallo @[Raphaeljura](207944), danke für Deine Frage. Sehr gute Frage! Das objektive Kontrollinteresse (auch Klarstellungsinteresse genannt) soll verhindern, dass jede

Behörde

jede Norm überprüfen lassen könnte (keine „

Behörde

n-Popularklage“!). Deshalb hat die antragstellende

Behörde

nur dann ein Kontrollinteresse, wenn sie die angegriffene Vorschrift bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beachten hat. Sollte die

Behörde

in Rechtsstreitigkeiten verwickelt werden können, in denen es auf die Gültigkeit der Norm ankommt, besteht das Kontrollinteresse. Damit scheidet ein Kontrollinteresse typischerweise aus, wenn die angegriffene Norm im Zuständigkeitsbereich der

Behörde

keine Geltung beanspruchen kann (zum Ganzen vertiefend Panzer/Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. EL März 2024, § 47 Rn. 78f.). Wir haben in der Aufgabe einen Vertiefungshinweis am Ende aufgenommen. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

8.6.2024, 13:16:05

Nach einer Lösung von Hemmer haben benachbarte Gemeinden gerade kein objektives Kontrollinteresse, da sie bezüglich anderer Gemeinden eben nicht befugt sind. Vielmehr sind sie als juristische Person im Gewährleistungsbereich des Art. 28 II GG betroffen und damit klagebefugt.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen