Rücknahme eines begünstigenden VAs: Verwirkung der Rücknahmebefugnis


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Stadt S bewilligt G Wirtschaftshilfen (€ 20.000). 40 Jahre später bemerkt S, dass G keinen Anspruch auf die Zahlungen hatte. S nimmt die Bewilligung innerhalb eines Jahres zurück. G wusste nichts von seiner fehlenden Berechtigung und hat das Geld bereits ausgegeben.

Einordnung des Falls

Rücknahme eines begünstigenden VAs: Verwirkung der Rücknahmebefugnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG eingehalten.

Genau, so ist das!

Die Behörde kann einen begünstigenden Verwaltungsakt nur innerhalb eines Jahres, nachdem dem zuständigen Sachbearbeiter alle für die Rücknahme relevanten Tatsachen bekannt sind, zurücknehmen (Entscheidungsfrist, § 48 Abs. 4 VwVfG). S hat den Bescheid über die Gewährung der Wirtschaftshilfen (= begünstigender Verwaltungsakt) innerhalb eines Jahres zurückgenommen, nachdem ihm bekannt wurde, dass G nicht nicht berechtigt war, den Bescheid zu erhalten.

2. Die Rücknahme unterliegt den allgemeinen Verjährungsfristen. S' Rücknahmebefugnis ist verjährt.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Rücknahme könnte auch daran scheitern, dass die Rücknahmebefugnis der Behörde nicht bestand. Bei längerem Zeitablauf nach Erlass des Verwaltungsakt kommt dabei vor allem die Verjährung der Befugnis in Betracht. § 48 VwVfG trifft hierzu allerdings keine Regelungen. Auch scheidet eine analoge Anwendung der allgemeinen Vorschriften aus dem Zivil- oder Strafrecht aus. S' Rücknahmebefugnis ist nicht verjährt.

3. Weil S's den Verwaltungsakt bereits vor 40 Jahren erlassen hat und G nicht mehr mit der Rücknahme rechnen musste, kommt eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis in Betracht.

Ja!

Weil die Behörde nach herrschender Meinung die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG sehr lange hinauszögern kann, hat die Rechtsprechung die Möglichkeit der Verwirkung der Rücknahmebefugnis entwickelt. Unter dem Aspekt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt die Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung in Betracht, wenn sich die Behörde mit der Rücknahme zu viel Zeit lässt und der Begünstigte mit der Rücknahme schlechthin nicht mehr rechnen musste. S hat den Verwaltungsakt 40 Jahre nach Erlass zurückgenommen. In Betracht kommt daher die Verwirkung der Rücknahmebefugnis nach § 242 BGB.

4. Bereits die schlichte Untätigkeit der Behörde seit 40 Jahren begründet vorliegend die Verwirkung der Rücknahmebefugnis.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem BVerwG bedarf es für die Annahme der Verwirkung ein Zeitmoment, das heißt die Möglichkeit der Rechtsausübung seit längerer Zeit, sowie ein Umstandsmoment. Dieser Umstandsmoment besteht daraus, dass (1) der Begünstigte darauf vertrauen durfte, dass die Behörde ihre Befugnis nach so langer Zeit nicht mehr geltend macht (Vertrauensgrundlage), (2) der Begünstigte auch tatsächlich darauf vertraut hat (Vertrauenstatbestand) und (3) dem Begünstigten durch die Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Es ist nicht ausreichend, dass S seit 40 keinen Gebrauch von der Rücknahmebefugnis gemacht hat.

5. In der Praxis nimmt die Rechtsprechung das Vorliegen der Verwirkung selten an. Im vorliegenden Fall kann sie aber gut begründet werden.

Ja, in der Tat!

Das öffentliche Interesse an der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakt überwiegt oftmals auch nach längerer Zeit dem Interesse des Begünstigten. Die Verwirkung muss besonders begründet werden. Hier spricht für die Annahme der Verwirkung, dass 40 Jahre eine extrem lange Zeit sind und dass G nicht wusste, dass er nicht berechtigt war und in diesem guten Glauben das Geld ausgegeben hat. Wenn du diese Konstellation überhaupt thematisierst, ist das Ergebnis (wie so oft) nicht entscheidend. Erläutere die Kriterien der Rspr., werte die Angaben des Sachverhalts kreativ aus, wäge die Postionen ab und begründe deine Entscheidung.

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