Gesetzlicher Ausgangsfall §§ 709, 714

14. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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inkl. MoPeG

A und B sind Gesellschafter einer Pizzeria mit Lieferdienst, der City-Service GbR. Weder Geschäftsführung noch Vertretung sind im Gesellschaftsvertrag geregelt. A kauft namens der Gesellschaft bei D eine neue Pizzaschaufel, die groß genug für Jumbo-Pizzen ist. B weiß von dem Kauf nichts.

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Einordnung des Falls

Gesetzlicher Ausgangsfall §§ 709, 714

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Kauf der Pizzaschaufel ist eine Geschäftsführungsmaßnahme.

Ja, in der Tat!

Unter die Geschäftsführung im Innenverhältnis fällt jede auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtete Tätigkeit der Gesellschafter mit Ausnahme von Grundlagengeschäften. Dies können sowohl rechtsgeschäftliche als auch rein tatsächliche Tätigkeiten sein. A kauft rechtsgeschäftlich für die Gesellschaft eine Pizzaschaufel, wodurch der Gesellschaftszweck gefördert werden soll.
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2. A hatte Geschäftsführungsbefugnis für den Kauf.

Nein!

Grundsätzlich steht die Führung der Geschäfte der Gesellschaft den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§ 715 Abs. 1, 3 BGB, Gesamtgeschäftsführung). Von der dispositiven Regel des § 715 Abs. 1, 3 BGB abweichend können im Gesellschaftsvertrag andere Regeln getroffen werden, etwa die Mehrheitsentscheidung oder eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis (vgl. § 715 Abs. 4 BGB). Mangels Zustimmung der B war er nicht zur Geschäftsführungsmaßnahme des Kaufs befugt.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): § 715 Abs. 1, 3 BGB n.F. entspricht § 709 Abs. 1 BGB a.F, § 715 Abs. 4 BGB n.F. entspricht § 711 BGB a.F.

3. A hat die Gesellschaft aber dennoch wirksam vertreten und einen gültigen Kaufvertrag abgeschlossen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Vertretung der GbR gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 164ff. BGB. Danach setzt eine Verpflichtung der GbR voraus, dass der handelnde Gesellschafter im Namen der GbR und im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt (§ 164 Abs. 1, 2 BGB). Ist im Gesellschaftsvertrag die Vertretung nicht gesondert geregelt, so sind alle Gesellschafter nur gemeinsam zur Vertretung befugt (§ 720 Abs. 1 BGB). Mangels vertraglicher Regelung konnte A die GbR nach außen nicht wirksam vertreten. Er hat die GbR daher nicht wirksam verpflichtet.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): Bis zum 31.12.2023 war die Vertretungsmacht in § 714 BGB a.F. geregelt, wobei die Vertretungsmacht im Zweifel nicht weiterreichen sollte, als die Geschäftsführungsbefugnis. Die Neufassung (§ 720 Abs. 1 BGB) enthält diese Zweifelsregelung nicht mehr und entkoppelt die Vertretungsbefugnis nach dem Vorbild des § 126 HGB a.F. somit von der Geschäftsführungsbefugnis.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

1.4.2021, 14:49:16

Die Aussage ist in der Allgemeinheit mE falsch. A hat die Gesellschaft nicht wirksam vertreten, weil er keine Vertretungsmacht hatte. Und A hatte keine Vertretungsmacht, weil für deren Umfang mangels spezieller Regelung im Gesellschaftsvertrag die allgemeine Zweifelsregel des § 714 greift, die ihrerseits auf die Geschäftsführungsbefugnis abstellt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.4.2021, 18:51:10

Hallo Puchta, zunächst einmal herzlich willkommen bei Jurafuchs und vielen Dank für Deinen Hinweis. In der

Tat

hast Du recht, dass wir in der Frage die Zwischenschritte weggelassen haben (diese finden sich in der Erläuterung des Maßstabes). Ungeachtet dessen bleibt die fehlende Geschäftsführungsbefugnis der ausschlaggebende Faktor für die Unwirksamkeit der Vertretung. Denn – wie Du vollkommen zurecht eingewandt hast – führt die fehlende Geschäftsführungsbefugnis im konkreten Fall dazu, dass die Zweifelsregelung des § 714 BGB nicht greift und somit die Vertretungsmacht des A fehlt. Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team

MAT

Matthias

22.11.2024, 20:06:00

Er ist für die Rede stehende im Maßnahme (Verfügung über Gesellschaftsvermögen und Anschaffung Aktiva) zweifelsfrei nicht befugt. Denn die Geschäftsführung steht allein (gemeinsam) zu. Ergo eine Maßnahme durch einen Unbefugte. Die Befugnis richtet sich allein nach dem Innenverhältnis, die Vertretung wirkt im Außenverhältnis. Also ein Überschreiten von Dürfen und Können.

FML

FML

8.4.2021, 17:48:26

Gibt es hier die Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung des Rechtsgeschäft durch die GbR?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.4.2021, 10:09:22

Hallo FML, das ist wie bei anderen Vertretern ohne Vertretungsbefugnissen (oder zB auch bei beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen, die nachteilige Geschäfte abschließen) möglich (§ 184 Abs. 1 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AN

Anonym

4.5.2024, 15:17:09

In einer Antwort taucht die Formulierung „kauft rechtsgeschäftlich“ auf. Kann ein Kauf denn „nicht rechtsgeschäftlich“ erfolgen?

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

11.11.2024, 17:34:43

§ 720 III S. 1, S. 2: "Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam." - Demzufolge müsste er doch hier mit Vertretungsmacht gehandelt haben. Eine Pizzaschaufel lässt sich doch als Geschäft der Gesellschaft einstufen. Ebenso würde ich den Kauf als Geschäft, welches die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr gewöhnlich mit sich bringt sehen, § 715 II S. 1 BGB, sodass auch Geschäftsführungsbefugnis gegeben ist. Was übersehe ich hier?

SEBA

Sebastiano82

13.11.2024, 17:09:30

A hat im vorliegenden Fall gerade nicht mit Vertretungsmacht gehandelt. Im Sachverhalt heißt es, "Weder Geschäftsführung noch Vertretung sind im Gesellschaftsvertrag geregelt". Und wenn nix geregelt ist, greift die gesetzliche Regelung des § 720 I BGB, wonach zur Vertretung der Gesellschaft alle Gesellschafter gemeinsam befugt sind. § 720 I BGB regelt also den Grundsatz der Gesamtvertretung bei der GbR mit der Möglichkeit, vertraglich eine Einzelvertretung zu vereinbaren "es sei den...". Anders zB bei der OHG, wo die Einzelvertretung der gesetzliche Normalfall ist (§ 124 I HGB). In § 720 III BGB ist dagegen der Umfang der Vertretungsmacht geregelt. Die Vertretungsmacht gilt für alle Geschäfte der Gesellschaft und nicht etwa nur für eine bestimmte Art von Geschäften. Kurz lässt sich vielleicht formulieren, in § 720 I BGB geht es um das "Ob" der Vertretungsmacht, in § 720 III BGB um deren Umfang/Reichweite. Und da bereits gar keine Vertretungsmacht des A vorlag (§ 720 I BGB), musste auch nicht thematisiert werden, ob das konkret abgeschlossene Rechtsgeschäft hiervon gedeckt war (§ 720 III BGB).


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