Lockspitzel (agent provocateur) 1

25. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Die verdeckte Ermittlerin E vermutet, dass D hinter einer Einbruchsserie steckt. Sie will ihn auf frischer Tat ertappen und schlägt ihm deswegen einen Einbruch in Vs Villa vor. Das hat E mit V abgesprochen. D wird nach dem Einsteigen in Vs Villa von der Polizei festgenommen.

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Einordnung des Falls

Lockspitzel (agent provocateur) 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D hat sich wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls strafbar gemacht, indem er in Vs Villa eingestiegen ist (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Ja!

D hat den Wohnungseinbruchsdiebstahl nicht vollendet. Der Versuch ist strafbar, §§ 242 Abs. 2, 244 Abs. 2 StGB. D war zur Tat (Wegnahme fremder beweglicher Sachen aus dauerhaft genutzter Privatwohnung) entschlossen. Als er in die Villa einstieg, hat er zudem unmittelbar zur Tatausführung angesetzt. Zudem handelte er rechtswidrig und schuldhaft und ist nicht vom Versuch zurückgetreten.Je nach Umfang der Einwirkung durch den Lockspitzel, kann es sich allerdings um eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation handeln, die zur Verfahrenseinstellung führen kann. Mehr dazu erfährst Du: hier.
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2. D hat sich zudem wegen Hausfriedensbruchs strafbar gemacht, indem er in die Wohnung des V eingestiegen ist (§ 123 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 123 Abs. 1 Var. 1 StGB sind: (1) Tatobjekt: Wohnung, Geschäftsraum, befriedetes Besitztum, abgeschlossene Diensträume (2) Tathandlung: Eindringen Der Täter muss darüber hinaus vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Für die Verfolgung muss das Opfer einen Strafantrag stellen, § 123 Abs. 2 StGB.Die Villa des V dient bestimmungsgemäß Menschen zum Aufenthalt, ohne primär Arbeitsraum zu sein. Sie ist damit eine Wohnung. D müsste in die Wohnung eingedrungen sein, sie also gegen den Willen des Berechtigten betreten haben. E hatte den Plan zum versuchten Einbruch des D in die Villa mit V abgesprochen. V war damit einverstanden. Das Betreten der Wohnung geschah deswegen schon nicht gegen den Willen des Berechtigten. D ist nicht in die Wohnung eingedrungen.Achtung! Auf keinen Fall darfst du im Anschluss einen versuchten Hausfriedensbruch prüfen: dieser ist nicht strafbar!

3. Kann zu einer bloß versuchten Tat angestiftet werden?

Ja, in der Tat!

Eine strafbare Anstiftung verlangt lediglich eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat. Diese kann auch in einer versuchten Tat liegen. Voraussetzung dafür ist, dass der Versuch der Haupttat strafbar ist. Beachte: Die Anstiftung zum Versuch ist von der versuchten Anstiftung zu unterscheiden. Die Strafbarkeit letzterer richtet sich nach § 30 Abs. 1 StGB. Dazu später mehr.

4. E hat sich wegen Anstiftung zum versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl strafbar gemacht, indem sie D den Einbruch in Vs Villa vorschlug, §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23 Abs. 1, 26 StGB.

Nein!

Der versuchte Wohnungseinbruchsdiebstahl des D ist eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat. E hat D den Einbruch in Vs Villa vorgeschlagen. Sie hat damit den Tatentschluss durch kommunikative Einwirkung auf D hervorgerufen (=bestimmen). Jedoch sollte D nach Es Plan direkt nach dem Einsteigen von der Polizei festgenommen werden. E wollte also nie, dass D die Tat tatsächlich vollenden konnte. Der Vorsatz des Anstifters muss aber stets auf die Begehung einer vollendeten Haupttat gerichtet sein. E hatte keinen Vollendungsvorsatz. Sie hat sich deswegen nicht nach §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4, 22, 23 Abs. 1, 26 StGB strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jonas22

Jonas22

18.4.2024, 21:51:02

Warum wird wegen der Strafbarkeit des Versuchs § 244 Abs. 2 zitiert? Gem. § 244 Abs. 4 (der hier einschlägig ist) ist es doch ein Verbrechen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.4.2024, 12:27:10

Hallo Jonas, danke für deine Frage! In Bezug auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl nach Abs. 4 stimmt es durchaus. Die Strafbarkeit des Versuchs einer Qualifikation ergibt sich dennoch nur aus Abs. 2, denn diese Qualifikationstatbestände steigen nicht zum Verbrechen "auf", indem auch die Qualifikation des Wohnungseinbruchsdiebstahls aus Abs. 4 erfüllt ist. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JJO

JJO

13.8.2024, 17:53:41

Woraus folgt, dass der Anstifter

Vorsatz

zur vollendeten Haupttat haben muss? Er kann doch auch bewusst zum Versuch anstiften oder nicht?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

14.8.2024, 21:34:23

Hallo JJO, danke für deine dogmatisch absolut folgerichtige Nachfrage! Es mutet wirklich zunächst widersprüchlich an: Ein Versuch ist, wie in der Aufgabe beschrieben, taugliche Haupttat, da er eine vorsätzliche rechtswidrige Tat iSd § 26 StGB ist. Warum soll dann für den

Anstiftervorsatz

erforderlich sein, dass der

Vorsatz

des Anstifters sich auf die Vollendung erstrecken muss? Die Antwort entnimmt die hM dem Strafgrund der Teilnahme: Deren Unrecht besteht nach heute hM nicht schon in der reinen Beteiligung an einer fremden Strafbarkeit, sondern in dem "mittelbaren Angriff" des Teilnehmers selbst auf das von der Strafnorm geschützte Interesse. Würde der Teilnehmer auch deshalb bestraft, weil er einen anderen (= den Täter) bildlich gesprochen "in Unrecht und Schuld verstrickt", würde die Teilnahme im Ergebnis den Täter, nicht aber das Rechtsgut der Haupttat schützen. Das würde dem Strafzweck widersprechen: Nur, wenn der Teilnehmer das Rechtsgut der Haupttat angreifen will, soll er bestraft werden. Und wenn er von vornherein nur einen Versuch des Täters erreichen will, wird das Rechtsgut im Ergebnis nicht verletzt. Deswegen ist erforderlich, dass er hinsichtlich der Vollendung der Tat vorsätzlich handelt. Das muss man wirklich einmal gehört haben, denn es klingt (hoffe ich) logisch, aber ist so nicht ohne Weiteres dem Gesetz zu entnehmen. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

JJO

JJO

15.8.2024, 08:18:34

Danke für die Rückmeldung @[Tobias Krapp](259492). Hättest du eine Fundstelle für mich, damit ich es nochmal nachlesen kann? Kann es leider noch nicht vollständig nachvollziehen.

Tobias Krapp

Tobias Krapp

15.8.2024, 16:15:50

Hallo, JJO, gerne, in der Kommentarliteratur ist es meist etwas knapp, ausführlich stellt es zB Rönnau in JuS 2015, 19-22 dar. Nochmal der Versuch in Kurzform: Strafgrund der Teilnahme ist ein eigener Angriff des Teilnehmers auf ein geschütztes Rechtsgut. Ein solcher eigener Angriff kann nur vorliegen, wenn der Teilnehmer das Rechtsgut auch tatsächlich verletzen will. Beim bloßen Versuch des Täters wird das Rechtsgut aber gerade nicht verletzt. Will der Teilnehmer daher nur den Versuch des Täters, will er das Rechtsgut nicht verletzen. Dann läge kein eigener Angriff und damit auch kein Strafgrund vor. Aus dieser telologischen Sicht heraus wäre die Strafbarkeit dann abzulehnen. Daher setzt die Strafbarkeit

Vorsatz

hinsichtlich der Vollendung voraus. Viele Grüße!


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