Schmähkritik oder beleidigendes Werturteil?

17. Februar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens fordert Angeklagter A ein psychologisches Gutachten der Nebenklägerin N, da diese eine Persönlichkeit besäße, deren „geistig seelische Absonderlichkeit“ ihre Zurechnungsfähigkeit ausschließe. Daraufhin wird A wegen Beleidigung verurteilt. ‌

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Einordnung des Falls

Schmähkritik oder beleidigendes Werturteil?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ob Schmähkritik unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fällt, ist umstritten.

Ja, in der Tat!

Unter Schmähkritik versteht man Äußerungen, bei denen nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung oder Darstellung dient in diesen Fällen also in erster Linie der Verunglimpfung, Diffamierung und Herabwürdigung des Adressaten. Grundsätzlich unterfallen auch polemische oder überspitzte Werturteile dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Bei Fällen, in denen allein die Diffamierung im Vordergrund steht, ist der Schutzbereich hingegen nicht eröffnet (a.A. vertretbar). Ob hier tatsächlich Schmähkritik vorliegt, kann dahinstehen, wenn der Eingriff durch das strafrechtliche Urteil jedenfalls gerechtfertigt wäre. Ist die Meinungsfreiheit das einzige von Euch zu prüfende Grundrecht in einer Klausur, spricht das natürlich tendenziell dafür, den Schutzbereich als eröffnet anzusehen.
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2. Die Meinungsfreiheit unterliegt nur verfassungsimmanenten Schranken, Art. 5 Abs. 2 GG.

Nein!

Die Meinungsfreiheit kann durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden, Art. 5 Abs. 2 GG. Die Anwendung des allgemeinen Gesetzes fordert zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung und eine meinungsfreundliche Auslegung der beschränkenden Norm. Sodann ist eine konkrete Abwägung im Einzelfall zwischen der Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit und dem anderen betroffenen Rechtsgut vorzunehmen. Als Grundrechtsschranke kommt hier § 185 StGB in Betracht. A äußerte sich wertend zur geistig seelischen Verfassung der N. Dies beeinträchtigt Ns allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

3. Eine Abwägung zwischen den beeinträchtigten Rechtsgütern ist nicht vorzunehmen, wenn die Äußerung die Menschenwürde des anderen antastet.

Genau, so ist das!

Grundsätzlich ist eine Einzelfallabwägung zwischen der Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit und dem anderen betroffenen Rechtsgut vorzunehmen. Eine solche Einzelfallabwägung findet ausnahmsweise nicht statt, wenn die Äußerung die Menschenwürde eines anderen antastet oder eine Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt. A spricht N die Fähigkeit und den Anspruch ab, in zurechnungsfähiger und verantwortlicher Weise mit anderen Menschen umzugehen. Nach dem BVerfG liegt hierin aber noch kein Eingriff in die Menschenwürde der N. Allerdings spricht dennoch viel dafür, dass Ns allgemeines Persönlichkeitsrecht bei einer Einzelfallabwägung gegenüber As Meinungsfreiheit überwiegen würde. Selbst wenn As Äußerung noch in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit fiele (und nicht bloß als reine Schmähkritik zu qualifizieren ist), wäre der Eingriff insofern gerechtfertigt.
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