Gutgläubiger lastenfreier Erwerb (§ 366 Abs. 2 HGB)

19. Mai 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D steht ein Vermieterpfandrecht an Bürostühlen in den Büroräumen zu, die Kaufmann V von ihm gemietet hat. Da V knapp bei Kasse ist, veräußert er die Stühle an K. K weiß zwar von dem Pfandrecht, denkt aber, dass D dem Verkauf zugestimmt hätte, um Vs Zahlungsfähigkeit zu sichern. Das ist nicht der Fall.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger lastenfreier Erwerb (§ 366 Abs. 2 HGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K nach § 929 S. 1 BGB Eigentum an den Stühlen erworben?

Genau, so ist das!

Eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB setzt (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsbefugnis voraus.V und K haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. Die Stühle wurden übergeben. Bei der Übergabe waren sie sich einig. Auch war V Eigentümer der Stühle.
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2. Infolge des Verkaufs ist Ds Vermieterpfandrecht nach § 936 BGB erloschen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der gutgläubige lastenfreie Erwerb ist grundsätzlich nach § 936 BGB möglich. Er erfordert (1) den Eigentumserwerb des Erwerbers nach § 929 S. 1 BGB, (2) die Belastung der Sache mit dem Recht eines Dritten, (3) kein Abhandenkommen beim Inhaber des Rechts (§ 935 BGB) und (4) keine Bösgläubigkeit des Erwerbers mit Blick auf die dingliche Belastung. Die Voraussetzungen des § 929 S. 1 BGB sind erfüllt. Mit dem Vermieterpfandrecht liegt auch eine Belastung der Sache mit einem Recht des D vor. Allerdings wusste K von der Belastung des Eigentums an den Stühlen. Er war also diesbezüglich bösgläubig. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb scheidet aus.

3. Ist ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb auch möglich, wenn der Erwerber an die Berechtigung zur lastenfreien Veräußerung glaubt (§ 366 Abs. 2 HGB)?

Ja!

Unter den weiteren Voraussetzungen des § 366 Abs. 1 HGB ist auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb möglich (§ 366 Abs. 2 HGB). § 366 Abs. 2 HGB erfordert hierbei den guten Glauben des Erwerbers an die Befugnis des Veräußerers, über die Sache ohne Vorbehalt des Rechts zu verfügen, also sodass das Recht an der Sache erlischt.

4. Besteht das Vermieterpfandrecht des D an den Stühlen auch nach der Veräußerung an K weiter (§ 366 Abs. 2 HGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 366 Abs. 2 HGB wird auch der gute Glaube an die vorbehaltslose Verfügungsbefugnis des Eigentümers erfasst. Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs sind weiter: (1) Der Verfügende ist Kaufmann. (2) Es wird eine bewegliche Sache (3) im Betrieb eines Handelsgewerbes übereignet. (4) Der Erwerber ist in gutem Glauben an die vorbehaltslose Verfügungsbefugnis des Kaufmanns. (5) Die Sache ist nicht abhandengekommen (§ 935 BGB). Zu 4: Guter Glaube liegt vor, wenn dem Erwerber nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist, dass der Veräußerer keine Berechtigung vorbehaltslosen Verfügung hat (§ 932 Abs. 2 BGB, § 366 Abs. 1 HGB). V ist Kaufmann. Die Stühle stellen eine bewegliche Sache dar, die im Betrieb eines Handelsgewerbes übereignet wurden. Auch war K in gutem Glauben an die vorbehaltslose Verfügungsbefugnis des V. K hat somit gutgläubig lastenfrei Eigentum an den Stühlen erworben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MI

millisiewert

12.4.2025, 13:17:23

Kann der Gegenstand bei einem besitzlosen

Pfandrecht

nicht

abhandenkommen

?

BEN

benjaminmeister

27.4.2025, 19:13:25

Könnte hier nicht grobe Fahrlässigkeit des K vorliegen? K weiß nämlich von dem

Vermieterpfandrecht

an den Sachen und es gibt laut Sachverhalt auch keine Angaben, dass V dem K mitteilt, dass er (V) zur lastenfreien

Übereignung

ermächtigt wurde. Vielmehr denkt sich K das einfach nur und fragt auch nicht nach. Wenn man eine Parallele zu den Fällen zieht, bei denen der Kaufmann als Nicht-Eigentümer über

fremd

e Sachen verfügt: Dort behauptet der Kaufmann mWn immer, er sei zwar nicht Eigentümer aber jedenfalls zur Veräußerung berechtigt. Hier fehlt so eine Behauptung des veräußernden Kaufmanns. Indem K nichtmal nachfragt verhält er sich mMn. grob fahrlässig. Anders würde ich es sehen, wenn K den V nach der Berechtigung fragt, dieser ihn dann aber anlügt (was hier nicht der Fall ist).


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