„Haakjöringsköd“-Fall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K möchte Walfleisch kaufen. Er einigt sich mit V über den Kauf einer Kiste „Haakjöringsköd“. V und K gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich dabei um eine Bezeichnung für Walfleisch handele. In Wahrheit heißt es aber „Haifischfleisch“. V liefert Haifischfleisch.
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Einordnung des Falls
Der Haakjöringsköd-Fall ist ein Fall aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts von 1920. Zwei Personen schlossen einen Kaufvertrag über „Haakjöringsköd“, wobei beide davon ausgingen, es handele sich dabei um Walfleisch. Tatsächlich bedeutet der norwegische Begriff aber Haifischfleisch. Der Fall ist das perfekte Beispiel für den wichtigen zivilrechtlichen Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ („Falschbezeichnung schadet nicht“) im BGB AT. Dieser bedeutet, dass eine übereinstimmende Falschbezeichnung des Vertragsgegenstands durch beide Vertragsparteien unschädlich ist. Bei der Auslegung der Willenserklärungen geht das tatsächlich Gewollte (§ 133 BGB) dem objektiv Erklärten vor, sodass hier ein Kaufvertrag über Walfleisch – und nicht etwa über Haifischfleisch – geschlossen wurde.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat V K eine Kiste Walfleisch angeboten?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat K das Angebot des V über den Kauf von Walfleisch angenommen?
Ja, in der Tat!
3. Kann V den Kaufvertrag durch die Lieferung von Haifischfleisch erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB)?
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jan
21.7.2023, 17:27:59
Ist dann §313 anwendbar? Also kann die Vorstellung, das Haaköringsköd Walfleisch bedeutet, Grundlage des Vertrags geworden sein, die sich dann, Abs. 2, als falsch herausstellt?
Lukas_Mengestu
25.7.2023, 19:46:57
Hallo Jan, Geschäftsgrundlage iSv
§ 313 BGBsind nach h.M. die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der
Geschäftswilleder Parteien sich aufbaut. Die zentralen Vorstellungen der Parteien (nämlich der Verkauf von Walfischfleisch) haben sich hier bereits im Vertragsschluss manifestiert. Der Bedeutungsunterschied des Begriffs
Haakjöringsködist dagegen für sie irrelevant. Ein Rückgriff auf
§ 313 BGBhier insofern nicht denkbar. Generell ist es ratsam, sich bei der Anwendung der Norm auch die Entwicklung des Instituts in Erinnerung zu rufen (hierzu zB https://applink.jurafuchs.de/Jp7IyWB9IBb). Es handelt sich hierbei wirklich um eine subsidiäre Ausnahmevorschrift, auf die nur sehr behutsam zurückgegriffen werden darf und die für existenzielle Krisen (Hyperinflation der 1920er oder auch Corona-Pandemie) entwickelt wurde. Es handelt sich insoweit um eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind (pacta sunt servanda) und ist insoweit restriktiv auszulegen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jan
26.7.2023, 08:40:49
Danke für die Antwort, das hat sehr weitergeholfen!