Erschwerung der Verjährung

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K möchte einen großen Eichentisch bei Schreiner S in Auftrag geben. Um auf Nummer sicher zu gehen, fragt sie S nach einer Verlängerung der Verjährungsfrist für Mängelgewährleistungsrechte auf 35 Jahre. S ist einverstanden, da er von seinem Können überzeugt ist.

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Einordnung des Falls

Erschwerung der Verjährung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K und S haben einen Kaufvertrag geschlossen.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 650 Abs. 1 S. 1 BGB handelt es sich bei einem Vertrag, der die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, um keinen Kaufvertrag. Vielmehr handelt es sich um einen Werklieferungsvertrag, auf den die Vorschriften über den Kauf jedoch Anwendung finden. Lieferung iSd § 650 Abs. 1 BGB meint die Verschaffung von Eigentum und Besitz an der hergestellten Sache. K und S haben sich darauf geeinigt, dass S einen großen Eichentisch für sie herstellt und der K anschließend Eigentum und Besitz daran verschafft.
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2. K und S haben die Verjährungsfrist wirksam auf 35 Jahre verlängert.

Nein!

Die Verjährung kann durch Rechtsgeschäft nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden (§ 202 Abs. 2 BGB). Eine hiergegen verstoßende vertragliche Abrede ist nichtig. Stattdessen gilt dann die gesetzliche Verjährungsfrist. K und S haben vereinbart, dass die Verjährungsfrist für Mängelgewährleistungsrechte 35 Jahre und damit mehr als 30 Jahre betragen soll. Diese Vereinbarung ist daher nichtig und es gilt die gesetzliche Verjährungsfrist.

3. Für die Mängelgewährleistungsrechte der K gilt die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Sie gilt immer dann, wenn keine gesetzliche Sonderregelung besteht. Nach § 650 Abs. 1 S. 1 BGB finden auf Werklieferungsverträge die Vorschriften über den Kauf Anwendung. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB sieht für Mängelgewährleistungsansprüche im Kaufrecht grundsätzlich eine Verjährungsfrist von 2 Jahren vor. K und S haben einen Werklieferungsvertrag geschlossen. Für ihre Mängelansprüche greift somit die kurze kaufrechtliche Verjährungsfrist von zwei Jahren.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Annasaramarie

Annasaramarie

4.8.2023, 10:35:43

Wo kommt denn der T da her? Dachte es geht um K und S? 😅

SI

silasowicz

16.8.2023, 18:27:05

Wieso würde man dann nicht auf 30 Jahre "reduzieren" und sofort runter auf die gesetzliche Verjährungsfrist von 2 Jahren? Nach § 202 II wäre doch nur eine Erschwerung von mehr als 30 Jahren unzulässig und das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion würde doch nur für AGB gelten, oder?

LELEE

Leo Lee

17.8.2023, 12:37:01

Hallo silasowicz, in der Tat findet hier keine geltungserhaltende Reduktion statt. Deshalb bräuchten wir bei einem - wie hier - "normalen" Vertrag zunächst eine Parteiabrede oder im Zweifel die

ergänzende Vertragsauslegung

, §§ 133, 157, 242 BGB. Zunächst besteht keine explizit Parteiausrede. Für die

ergänzende Vertragsauslegung

ist erste Voraussetzung, dass eine Lücke im Vertrag besteht bzgl. der zu "anpassenden" Regelung. Allerdings gab es hier gerade keine Lücke, denn die Parteien haben sich sehr wohl Gedanken gemacht über eine Frist: Dummerweise in einer "rechtswidrigen" Art und Weise. Mithin greift mangels weitere Anhaltspunkte die normale gesetzliche Regelung, und die wäre hier eben die 2 Jahre über die Kaufrechtsvorschriften :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Dogu

Dogu

10.10.2023, 21:57:40

Aber wieso ist die geltungserhaltende Reduktion hier verboten, wenn es keine AGB sind? Ich sehe hier nicht, wieso der Unternehmer diesen Schutz benötigen sollte?

AN

Ani

8.4.2024, 10:28:24

Ich würde mich @[silasowicz](213132) und @[Dogu](137074) anschließen. Es gibt doch eine Parteiabrede und würde man diese entsprechend auslegen, dann hätten die Parteien doch einfach die maximal zulässigen 30 Jahre vereinbart, schließlich wollte der Tischler sich sogar auf 35 Jahre einlassen. Vielleicht könnt ihr das nochmal genauer ausführen, danke! :)

Dogu

Dogu

28.6.2024, 14:53:59

Ich würde die Situation auch mit einer Kündigung vergleichen: Wenn ich eine außerordentliche Kündigung in eine ordentliche umdeuten kann, § 140 BGB, dann muss das doch erst Recht von einer Verjährungserweiterung von 35 Jahre auf 30 Jahre gelten. Der Wille, auf BIS ZU 35 Jahre zu verlängern, enthält zwangsläufig auch den Willen, sich auf 30 Jahre zu binden.

Jakob G.

Jakob G.

14.8.2024, 20:45:42

Eine

Haltbarkeitsgarantie

kann auch für 40 Jahre bestehen und ist nicht wettbewerbswidrig. BGH NJW 2008, 2995. Gefunden per BeckOGK/Piekenbrock, 1.5.2024, BGB § 202 Rn. 22. Insofern würde ich die (nichtige) Abrede gemäß § 140 BGB als

Haltbarkeitsgarantie

auslegen. Diese könnte z.B. 33 Jahre betragen und durch ihre Verjährung in 2 Jahren per § 438 I Nr. 3 BGB wäre ebenso die 35-jährige Verjährung erreicht.

Jakob G.

Jakob G.

14.8.2024, 20:46:25

Verjährung in 35 Jahren ;)


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