Vollstreckbarkeit bei Sieg des Säumigen

1. Juni 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B wird durch Versäumnisurteil zur Zahlung von €350.000 verurteilt. Nach ihrem zulässigem Einspruch wird das Versäumnisurteil vollständig aufgehoben und die Klage abgewiesen. Was gilt für die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit?

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Einordnung des Falls

Vollstreckbarkeit bei Sieg des Säumigen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es gelten die allgemeinen Regeln für das kontradiktorische Urteil.

Ja, in der Tat!

Im Hinblick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit nach Aufhebung des Versäumnisurteils gelten die allgemeinen Regeln zur vorläufigen Vollstreckbarkeit für das kontradiktorische Urteil, insbesondere §§ 708 Nr.11, 709, 711, 713 ZPO.
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2. Nur die Beklagte kann wegen der Kosten des Rechtsstreits vollstrecken.

Nein!

Nicht nur die Beklagte kann Kosten vollstrecken, sondern auch der Kläger.. Denn bei Aufhebung des Versäumnisurteils ergeht folgende Kostenentscheidung: „Die Beklagte trägt die Kosten ihrer Säumnis. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.“ Daraus folgt, dass sowohl eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit für den Kläger, der wegen der Kosten der Säumnis vollstrecken kann, als auch über die vorläufige Vollstreckbarkeit für die Beklagte, die wegen der übrigen Kosten des Rechtsstreits vollstrecken kann, zu treffen ist.

3. Für den Kläger lautet die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.“

Genau, so ist das!

Bis zu einer vollstreckbaren Summe von €1.500 greifen § 708 Nr.11 ZPO und § 711 ZPO ein. Die Vollstreckung kann ohne Sicherheitsleistung erfolgen, soweit der Vollstreckungsgegner nicht von seiner Abwendungsbefugnis Gebrauch machen. K kann nur wegen der Kosten der Säumnis vollstrecken (§ 344 ZPO), also der Mehrkosten, die durch den Einspruchstermin entstanden sind. Ohne weitere Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass diese unter €1.500 liegen, sodass § 708 Nr.11 ZPO und § 711 ZPO eingreift.Zu den weiteren Kosten gehören zB Reisekosten für die Wahrnehmung des Einspruchstermins durch den Einspruchsgegner; Kosten für eine zusätzliche oder nochmalige Ladung von Zeugen sowie deren eventuelle Kosten für einen Verdienstausfall.

4. Für die Beklagten lautet die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: „Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.“

Ja, in der Tat!

Liegt der Ausnahmetatbestand des § 708 ZPO nicht vor, sind grundsätzlich alle Urteile nach § 709 S. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.B kann wegen der übrigen Kosten des Rechtsstreits vollstrecken. Bei einem Gegenstandswert von €350.000 übersteigen allein die Kosten seiner Verteidigung €1.500 deutlich, sodass § 708 Nr.11 ZPO nicht eingreift. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich daher nach § 709 S.1 und S.2 ZPO.Bei einem Gegenstandswert von €350.000 beträgt eine einfache Anwaltsgebühr bereits €2.879. Bs Verteidigungskosten belaufen sich auf 1,3 Verfahrensgebühren (VV 3100), 1,2 Terminsgebühren (VV 3104), €20 Postentgelt (VV 7002) und 19% Umsatzsteuer (VV 7008), mithin €8588,8,3Merke: Wenn der anwaltlich vertretene Beklagte nur seine Kosten vollstrecken kann und vollständig obsiegt, liegt die Grenze ab der man gem. § 709 ZPO tenorieren muss, bei einem Streitwert von mehr als €7.000 (Verteidigungskosten = €1517,25).

5. Es ist zudem zu tenorieren, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf (§ 709 S.3 ZPO).

Nein!

§ 709 S.3 ZPO ist nur anwendbar bei Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils, nicht aber bei dessen Aufhebung. Denn wenn das Versäumnisurteil aufgehoben wird und infolgedessen nicht mehr existent ist, besteht keine Gefahr, dass aus diesem wegen § 708 Nr.2 ZPO noch (ohne Sicherheitsleistung) vorläufig vollstreckt werden könnte.

6. Die beiden Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit können im Tenor kombiniert werden.

Genau, so ist das!

Im Tenor fasst man dies üblicherweise wie folgt zusammen: „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.“ In den Entscheidungsgründen stellst Du dies nur kurz fest: „Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S.1 und 2, 708 Nr.11, 711 ZPO.“
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