Zweckverfehlung (Spenden-, Bettel- und Schenkungsbetrug)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Tanja (T) ist knapp bei Kasse. Sie gibt gegenüber ihrer Freundin Olga (O) vor, sie müsse ihre Klarna-Schulden iHv €3.000 bezahlen. Daraufhin überweist O auf Ts Konto €3.000. In Wahrheit hat T keine Schulden bei Klarna, sondern fliegt von den €3.000 nach Thailand.

Einordnung des Falls

Zweckverfehlung (Spenden-, Bettel- und Schenkungsbetrug)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T die O getäuscht?

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Ja!

Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums. Tanja hat Olga vorgespielt, sie bräuchte die €3.000, um ihre Klarna-Schulden zu bezahlen. In Wahrheit wollte sie damit nach Thailand fliegen.

2. O hat eine Vermögensverfügung getätigt, indem sie Tanja €3.000 überwiesen hat.

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Genau, so ist das!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Durch die Überweisung an Tanja, hat Olga unmittelbar ihr Vermögen um €3.000 gemindert.

3. Weil O in dem Bewusstsein gehandelt hat, dass sie keine äquivalente Gegenleistung erhält, kann kein Vermögensschaden angenommen werden.

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Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich soll eine bewusste Selbstschädigung trotz Täuschung keinen Vermögensschaden darstellen. Allerdings soll von einer unbewusste Schädigung ausgegangen werden, sofern der mit der Aufwendung verfolgte Zweck verfehlt werde (sog. Lehre der Zweckverfehlung). Olga überwies Tanja die €3.000, damit diese ihre Schulden tilgen könne. Tanja hat das Geld aber für einen Thailand Urlaub genutzt, sodass der verfolgte Zweck verfehlt wurde. Olga hat demnach unbewusst ihr Vermögen geschädigt. Problematisch bei der Lehre der Zweckverfehlung ist, die geschützten von den nicht geschützten Zwecken abzugrenzen.

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I-m-possible

I-m-possible

5.8.2022, 18:04:17

Gibt es generell geschützte Zwecke oder ist das immer Fall -abhängig? Danke vorab!

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.8.2022, 18:09:56

Hallo I-m-possible, es geht nicht darum, ob der Zweck moralisch gut und damit geschützt ist. Entscheidend ist, dass eine Täuschung über den Zweck vorliegt. Der Zweck kann gleichwie geartet sein, sofern der Verfügende die korrekte Vorstellung darüber hatte. Selbst wenn die "zweckwidrige" Verwendung für karitative Zwecke wäre, läge Zweckverfehlung vor. In der Rechtsprechung (und Realität) ist der Fall eher andersherum - es wird ein karitativer Zweck vorgetäuscht z.B. bei Haustür-Sammlungen und tatsächlich bereichern sich die Sammelnden aber selber an dem gespendeten Geld. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Alex

Alex

26.1.2023, 22:17:35

Ich hab zwar nicht falsch geantwortet, aber wo steht im Sachverhalt, dass Olga nicht davon ausgeht eine „Gegenleistung“ zu erhalten? Wenn ich jemandem Geld leihe und deshalb damit rechnen kann, dass ich es irgendwann wieder zurückbezahlt bekomme, handelt es sich dabei nicht um eine Art von wenn auch verspäteter Gegenleistung?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.1.2023, 10:22:24

Hallo Alex, vielen Dank für die Nachfrage. Bei einem Gelddarlehen stellt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer den vereinbarten Geldbetrag für eine bestimmte Zeit zur Verfügung (§ 488 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Überlassung wird beim entgeltlichen Darlehensvertrag durch die Zahlung von Zinsen kompensiert, darin besteht die im Gegenleistung des Darlehensnehmers. Beim zinslosen Darlehensvertrag erhält der Darlehensgeber für die Überlassung dagegen nichts im Austausch. Richtig ist, dass der Darlehensnehmer verpflichtet ist, bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsverpflichtung steht aber zu den Leistungen des Darlehensgebers nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis (MüKoBGB/K.P. Berger, 9. Aufl. 2023, BGB § 488 Rn. 42; vor § 488 RdNr. 10). Denn es wird lediglich der ausgezahlte Betrag zurückgegeben, für die temporäre Überlassung erhält der Darlehensgeber in diesem Fall nichts. Der BGH hat in einem vergleichbaren Fall den Spendenbetrug mit dem Fall des unentgeltlichen Darlehens gleichgestellt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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