Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Vereinbarte Beschaffenheit – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1: Verkauf eines Fahrzeugs als „fabrikneu“

Vereinbarte Beschaffenheit – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1: Verkauf eines Fahrzeugs als „fabrikneu“

22. Mai 2025

13 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem
Neues Kaufrecht 2022

K kauft von V einen Skoda Octavia. Im Kaufvertrag ist der Pkw als „fabrikneu“ beschrieben. Nach Übergabe stellt sich heraus, dass zwischen Fahrzeugherstellung und Kaufvertragsabschluss 19 Monate lagen.

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Einordnung des Falls

Vereinbarte Beschaffenheit – Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1: Verkauf eines Fahrzeugs als „fabrikneu“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Sache ist mangelhaft, wenn sie bei Gefahrübergang von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Kaufsache muss zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs den subjektiven Anforderungen entsprechen (§ 434 Abs. 1 BGB). Hierzu gehört die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Anhaltspunkte zur Bestimmung der Beschaffenheit ergeben sich aus § 434 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Beschaffenheit einer Sache umfasst physische Eigenschaften der Sache und ihre tatsächlichen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen zur Umwelt, sofern sie nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache bedeutsam sind. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt vor, wenn der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen.§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.
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2. V und K müssten die Beschaffenheit des Wagens weiterhin vertraglich vereinbart haben. Mangelt es hier an einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt vor, wenn der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen. V und K haben im Kaufvertrag festgehalten, dass der Wagen „fabrikneu“ sein soll. Diese Erklärung ist als Beschaffenheitsvereinbarung auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Wenn bzgl. der Vereinbarung keine Probleme im Sachverhalt angelegt sind, kannst Du dich an dieser Stelle kurz fassen.

3. Das von K gekaufte Fahrzeug hat einen Sachmangel, da es zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs von der vereinbarten Beschaffenheit als „fabrikneu“ abweicht (§§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 446 BGB).

Ja!

BGH: Ein unbenutztes Kfz sei regelmäßig noch „fabrikneu”, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut werde, es keine durch längere Standzeit bedingte Mängel aufweise und wenn zwischen Herstellung und Kaufvertragsabschluss nicht mehr als 12 Monate lägen (RdNr. 3). Der von K gekaufte Pkw hatte bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Standzeit von 19 Monaten. Es war daher bei Übergabe (= Gefahrübergang, § 446 BGB) nicht mehr fabrikneu, d.h. mangelhaft. Fälle zum Kfz-Kauf sind beliebt. Präge Dir deshalb die Argumentationsmuster des BGH gut ein. Es kann helfen, sich die Struktur der Argumentation bewusst zu machen: Der BGH stellt zunächst den Grundsatz auf: „fabrikneu“ = Beschaffenheit. Dann setzt er sich genauer damit auseinander, was genau „fabrikneu“ bedeutet. Hier wird klar, dass nicht jedes Fahrzeug, was „gestern“ aus der Fabrik kam, die Eigenschaft „fabrikneu“ verlieren kann. Mit den aufgestellten Kriterien versucht der BGH, einen Interessensausgleich für Käufer und Verkäufer zu schaffen.

4. Ob ein Fahrzeug „fabrikneu“ ist, hat Einfluss auf den Wert der Sache. Spricht das dafür, dass es sich hierbei um eine Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB handelt?

Ja, in der Tat!

Die Beschaffenheit einer Sache umfasst physische Eigenschaften der Sache und ihre tatsächlichen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen zur Umwelt, sofern sie nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache bedeutsam sind. BGH: Die Eigenschaft als „Neuwagen“, die bei fabrikneuen Kfz vorliege, sei ein wertbildender Faktor. Nach der Verkehrsanschauung sei die Lagerdauer für die Wertschätzung eines KFZ von großer Bedeutung. Eine lange Standdauer sei für einen Neuwagenkäufer ein wertmindernder Faktor. (RdNr. 3) Jedes Kfz unterliege einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetze. Der Fahrzeugzustand verschlechtere sich durch Zeitablauf auf Grund von Materialermüdung, Oxidation und anderen physikalischen Veränderungen. Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermöge dies nicht zu verhindern (RdNr. 3).Die Entscheidung erging unter Geltung des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.
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