§ 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB: Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination


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T fährt auf einer Bundesstraße mit seinem Pkw. Der Beifahrer A stiftet ihn dazu an, den Pkw an sein Limit zu bringen. Bei 230 km/h gerät T auf die Gegenfahrbahn und der entgegenkommende O kann nur knapp ausweichen. T und A hatten auf das Ausbleiben einer Gefahrenlage vertraut.

Einordnung des Falls

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB: Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den objektiven Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 StGB verwirklicht.

Genau, so ist das!

T hat sich als Kfz-Führer im Straßenverkehr fortbewegt. Nicht angepasst ist vor allem eine Geschwindigkeit, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung verletzt. Da die grobe Verkehrswidrigkeit insbesondere bei der doppelten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anzunehmen ist und T 230 km/h statt der auf Bundesstraßen erlaubten 100 km/h fuhr, hat er sich mit nicht angepasster Geschwindigkeit grob verkehrswidrig fortbewegt. Konkret gefährdet wurden die Rechtsgüter des O, der nur knapp ausweichen konnte. Schließlich hat sich in diesem Gefahrerfolg auch das für eine Geschwindigkeitsjagd typische Risiko niedergeschlagen (Zurechnungszusammenhang).

2. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 StGB verwirklicht.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 315d Abs. 2 StGB setzt Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung und des Gefahrerfolgs voraus (Vorsatz-Vorsatz-Kombination). Der Täter muss dabei auch die Umstände kennen, die den Gefahrerfolg im Sinne eines Beinahe-Unfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen und sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfinden. T raste vorsätzlich und verfolgte dabei rücksichtslos das Anliegen, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (überschießende Innentendenz des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB). T vertraute aber darauf, dass eine Gefahrenlage ausbleiben werde. T handelte daher in Bezug auf den Gefährdungsteil unvorsätzlich.

3. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB verwirklicht.

Ja!

Bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB handelt es sich um eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination. Erforderlich ist hinsichtlich des Handlungsteils Vorsatz und hinsichtlich des Gefährdungsteils Fahrlässigkeit (= objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit der Gefahr). Die Sorgfaltspflichtverletzung ergibt sich hier bereits aus dem vorsätzlichen Rasen. Ferner liegt es nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren, dass eine solche Geschwindigkeitsjagd zu einer kritischen Verkehrssituation, also zu einer konkreten Gefahr führt, so dass der Erfolg auch objektiv vorhersehbar war.

4. Eine Strafbarkeit des A als Anstifter (§ 26 StGB) zu der Tat des T (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB) scheitert bereits im objektiven Tatbestand.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Anstiftung (§ 26 StGB) setzt eine teilnahmefähige Haupttat voraus, also eine vorsätzliche rechtswidrige Tat eines anderen. Eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination steht der Teilnahmefähigkeit nicht entgegen, weil die Gleichstellungsklausel in § 11 Abs. 2 StGB expressis verbis klarstellt, dass tatbestandliche Kombinationen aus vorsätzlicher Handlung und fahrlässig verursachtem Erfolg insgesamt wie Vorsatzdelikte behandelt werden. Die Tat des T (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB) ist auch als Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination eine vorsätzliche rechtswidrige Tat. Ferner hat A den T zu seiner Tat objektiv bestimmt (= Hervorrufen des Tatentschlusses).

5. Eine Strafbarkeit des A als Anstifter (§ 26 StGB) zu der Tat des T (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB) scheitert aber im subjektiven Tatbestand.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anstiftervorsatz muss sämtliche für den objektiven Tatbestand maßgebenden Umstände umfassen, also das Vorliegen der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat sowie die Anstiftungshandlung (doppelter Anstiftervorsatz). A hatte zwar Vorsatz hinsichtlich des Rasens durch T. Wie T vertraute aber auch er darauf, dass eine gefährliche Situation ausbleiben werde. Folglich mangelt es ihm hinsichtlich des Gefahrerfolges am Vorsatz. Die h.M. wendet jedoch § 18 StGB entsprechend an. Konsequenz ist, dass auch für den Anstifter fahrlässiges Handeln bezüglich des konkreten Gefahrerfolges ausreicht, woran vorliegend keine Zweifel bestehen.

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