Anfechtung eines behördlichen Verbots
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Wegen der gesundheitsschädigenden Wirkung verbietet die zuständige Behörde den Verkauf von Lebensmitteln, die mit der X-Chemikalie behandelt wurden. Bäuerin B benutzt die Chemikalie als Insektizid und sieht sich in ihrem Lebensunterhalt bedroht. Sie will gegen das Verbot vorgehen.
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Einordnung des Falls
Anfechtung eines behördlichen Verbots
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B begehrt die Aufhebung des Verbots.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.
Ja!
3. Das Verbot ist ein Verwaltungsakt. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage.
Genau, so ist das!
4. Für eine Klage der B ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Paulis
15.11.2019, 13:44:07
Kann mir jemand sagen wieso das in dem Fall eine individuelle Regelung ist? Ich dachte der Adressat ist nicht genau bestimmt. Vielmehr ist das verbot an eine Gruppe gerichtet. Wie komme ich argumentativ auf die richtige Lösung?
Terese
17.11.2019, 14:08:28
Es handelt sich hier um eine
Allgemeinverfügunggem. 35 S.2 VwVfG, welche konkret-genereller Natur ist. Als solche ist sie ein Verwaltungsakt. Sie unterscheidet sich zum abstrakt-generellen Gesetz dadurch, dass sie sich an einen bestimmten Personenkreises richtet.
🦊LEXDEROGANS
24.1.2020, 23:30:23
Achtung: „Sie [die
Allgemeinverfügungkonkret-genereller Natur] unterscheidet sich zum abstrakt-generellen Gesetz dadurch, dass sie sich an einen bestimmten Personenkreis richtet“ ist ein Widerspruch! Der Begriff „konkret-generell“ unterscheidet sich von „abstrakt-generell“ vielmehr wegen der unbestimmbaren Fallmenge und nicht dem Personenkreis.
🦊LEXDEROGANS
24.1.2020, 23:34:59
Welche von den Var. („bestimmbarer Personenkreis“ bzw. „Benutzung [einer Sache] durch die Allgemeinheit“ ist hier einschlägig?
Lukas_Mengestu
11.6.2021, 19:56:13
Hallo LEXDEROGANS, hier würde man auf den "bestimmbaren Personenkreis" abstellen, auch wenn dieser im Einzelfall nicht absolut genau abzugrenzen ist (vgl. hierzu die Ausführungen des BVerwG im sog. "Endiviensalat"-Fall, BVerwGE 39, 190 = https://www.servat.unibe.ch/dfr/vw039190.html). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Andrzej
31.3.2020, 10:54:02
Btw wurden die Powerpuff Girls durch die Chemikalie X erschaffen. Also Vorsicht! :D
Alex
17.7.2020, 17:01:05
Die
statthafte Klageartrichtet sich (natürlich) auch nach dem ggf.
auslegungsbedürftigem Klagebeg
ehren. Aber eben auch nach dem Klagegenstand. Dies wird hier, wie es scheint, übersehen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
18.7.2020, 07:14:32
Hallo Alex, sagst du uns, wo du das gefunden hast? Ich kenne nur die folgende Definition: "Die
statthafte Klageartrichtet sich nach dem Klagebeg
ehren (, unter verständiger richterlicher Würdigung), §§ 88, 86 III VwGO.
Alex
18.7.2020, 07:26:25
Hallo Eigentum verpflichtet. Wir haben das in der Uni so beigebracht bekommen. Arg.: nur wenn man den richtigen Klagegenstand kennt (VA, schlichtes hoheitliches Handeln,....) kann auch die
statthafte Klageartausgewählt werden. Sonst wäre, wenn die Aufhebunz eines verwaltungsinternen Beschlusses begehrt wird ja (obwohl dies eindeutig keinen VA darstellt) die Anfechtungsklage statthaft.
Eigentum verpflichtet 🏔️
18.7.2020, 08:40:47
Hallo Alex, sehr interessant, habe ich noch nie so gehört. Das Problem an der Formel mit dem Klagegenstand ist, dass nach § 88 VwGO der Grundsatz "ne ultra petita" gilt. Das bedeutet, das Gericht darf dem Kläger gar nichts anderes zusprechen, als dieser beantragt. Bleiben wir bei deinem Beispiel, der Kläger wendet sich gegen ein verealtungsinternes Vorgehen.
Statthafte Klageartwäre als mangels VA, eine
Allgemeine Leistungsklageoder eine
Feststellungsklage. Der Kläger weigert sich aber partout von seiner Ansicht, das angegriffene Vorgehen sei ein VA, abzurücken.
Eigentum verpflichtet 🏔️
18.7.2020, 08:47:45
Er erhebt eine Anfechtungsklage und ändert diese auch auf ein richterliches Vorbringen nicht ab. Dann muss der Richter die Klage abweisen, weil er den objektiven Klagegenstand nicht an die Stelle des subjektiven Klagebeg
ehrens setzen darf (§ 88 VwGO). Er darf nur darauf hinwirken, dass der Kläger seinen Antrag umstellt, wenn dieser es nicht tut, dann wird aus der Anfechtungsklage keine Leistungs- oder
Feststellungsklage. Also wenn ihr das an der Uni so lernt, dann kannst du es dort natürlich so schreiben. Ich persönlich würde es aber im Examen aus der obigen Erwägung nicht tun.
Eigentum verpflichtet 🏔️
18.7.2020, 13:05:44
Unabhängig davon nehmen wir deinen Kommentar aber gerne zum Anlass, noch mehr Aufgaben zur Auslegung des Klagebeg
ehrens und zum Umfang der richterlichen Hinweispflicht hinzufügen. ;)
Alex
18.7.2020, 13:09:39
Vielen Dank ! Kann durchaus sein, dass das so nicht richtig ist. Deine Erklärung gibt auch wirklich Sinn. Da war ich wohl etwas vorschnell:D Im Rep wird es uns derzeit auch so, wie ich es oben dargestellt habe, beigebracht. Da spreche ich das nächstes mal nichtmal an. Viele Dank euch! Das ist ein tolles Format:)
Simon
23.7.2024, 22:32:53
Ich bin mir nicht sicher, ob hier tatsächlich ein VA vorliegt. Das in casu allein fragliche Merkmal des Einzelfalls sagt aus, dass sich ein VA auf einen konkreten Sachverhalt beziehen muss. Geht es ganz generell um die schädliche Wirkung eines Pestizids, fehlt mE dieser konkrete Sachverhalt. Ein weiteres Beispiel wäre das Verbot der Beschäftigung von Kindern nach § 5 I JArbSchG. Der Fall hier ist wohl dem sog. Endiviensalat-Fall (BVerwG, NJW 1961, 2077) nachgebildet. Dort ging es aber um einen konkreten Seuchenausbruch und damit um einen bestimmten Sachverhalt, nicht jedoch um ein zeitlich unbefristetes Verbot.
as.mzkw
26.8.2024, 10:22:22
Colja370
6.10.2024, 09:56:52
Bin auch der Meinung von Simon, ein VA ist es in keinem Fall. Man könnte mit as.mzkw drüber nachdenken ob es sich um eine
Allgemeinverfügunghandelt, aber auch das ist aus meiner Sicht fraglich.
Jotus
6.11.2024, 20:12:39
luc1502
8.11.2024, 14:52:27
Ich persönlich würde auch davon ausgehen, dass es sich eher um eine Rechtsnorm handelt, denn eine
Allgemeinverfügungist ja eine konkret(SV)-generelle(unbestimmte Anzahl von Adressaten) Regelung. Wenn man sich den SV anschaut, dann ist es eher wsl, dass hier eine Vielzahl von Fällen (nämlich Verbot einer Vielzahl von Verkaufsvorgängen) für einen unbestimmten Personenkreis geregelt wurde, wir es folglich mit einer abstrakt-generellen Regelung zu tun haben.