Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Anfechtung eines behördlichen Verbots

Anfechtung eines behördlichen Verbots

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wegen der gesundheitsschädigenden Wirkung verbietet die zuständige Behörde den Verkauf von Lebensmitteln, die mit der X-Chemikalie behandelt wurden. Bäuerin B benutzt die Chemikalie als Insektizid und sieht sich in ihrem Lebensunterhalt bedroht. Sie will gegen das Verbot vorgehen.

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Einordnung des Falls

Anfechtung eines behördlichen Verbots

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B begehrt die Aufhebung des Verbots.

Ja, in der Tat!

B möchte weiterhin die X-Chemikalie als Insektizid auf ihren Ackerpflanzen verwenden und die von diesen Ackerpflanzen geernteten Lebensmittel verkaufen. Dies ist ihr möglich, wenn das Verkaufsverbot aufgehoben wird. Aus rechtlicher Sicht begehrt B daher die Aufhebung des Verbots. Achtung: B will nicht gegen das Verbot der X-Chemikalie vorgehen. Die X-Chemikalie selbst ist nicht verboten, sondern der Verkauf von damit behandelten Lebensmitteln.
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2. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.

Ja!

Zu prüfen ist, mit welcher Klageart der Kläger sein Vorhaben (= sein Klagebegehren) verfolgen will. Als verwaltungsgerichtliche Klagearten kommen in Betracht: (1) Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), (2) Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), (3) Feststellungsklage (§ 43 VwGO), (4) Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO), (5) allgemeine Leistungsklage, (6) Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO). Daneben treten Anträge des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1, 47 Abs. 6 VwGO). Formulierungsbeispiel: "Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO)."

3. Das Verbot ist ein Verwaltungsakt. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage.

Genau, so ist das!

Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft, soweit es sich um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt handelt (§ 35 S. 1 VwVfG), der sich noch nicht erledigt hat. Ein Verwaltungsakt ist (1) eine hoheitliche Maßnahme (2) einer Behörde (3) auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung. B begehrt die Aufhebung des Verbots. Verbote sind der Inbegriff des Verwaltungsakts. Wegen der konkret-generellen Wirkung handelt es sich um einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 S. 2 VwVfG).

4. Für eine Klage der B ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Ja, in der Tat!

Mangels aufdrängender Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO.Danach bedarf es einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Eine Streitigkeit ist nach der Sonderrechtstheorie/modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidenden Normen notwendigerweise einen Hoheitsträger berechtigen oder verpflichten.Die hier einschlägigen streitentscheidenden Normen sind solche des öffentlichen Landesgesundheitsschutzrechts. Als Normen des besonderen Gefahrenabwehrrechts berechtigen und verpflichten sie einseitig Hoheitsträger. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt somit vor. Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist die Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Weil auch keine abdrängenden Sonderzuweisungen ersichtlich sind, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PAUL

Paulis

15.11.2019, 13:44:07

Kann mir jemand sagen wieso das in dem Fall eine individuelle Regelung ist? Ich dachte der Adressat ist nicht genau bestimmt. Vielmehr ist das verbot an eine Gruppe gerichtet. Wie komme ich argumentativ auf die richtige Lösung?

TERE

Terese

17.11.2019, 14:08:28

Es handelt sich hier um eine Allgemeinverfügung gem. 35 S.2 VwVfG, welche konkret-genereller Natur ist. Als solche ist sie ein

Verwaltungsakt

. Sie unterscheidet sich zum abstrakt-generellen Gesetz dadurch, dass sie sich an einen bestimmten Personenkreises richtet.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

24.1.2020, 23:30:23

Achtung: „Sie [die Allgemeinverfügung konkret-genereller Natur] unterscheidet sich zum abstrakt-generellen Gesetz dadurch, dass sie sich an einen bestimmten Personenkreis richtet“ ist ein Widerspruch! Der Begriff „konkret-generell“ unterscheidet sich von „abstrakt-generell“ vielmehr wegen der unbestimmbaren Fallmenge und nicht dem Personenkreis.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

24.1.2020, 23:34:59

Welche von den Var. („bestimmbarer Personenkreis“ bzw. „Benutzung [einer Sache] durch die Allgemeinheit“ ist hier einschlägig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.6.2021, 19:56:13

Hallo LEXDEROGANS, hier würde man auf den "bestimmbaren Personenkreis" abstellen, auch wenn dieser im Einzelfall nicht absolut genau abzugrenzen ist (vgl. hierzu die Ausführungen des BVerwG im sog. "Endiviensalat"-Fall, BVerwGE 39, 190 = https://www.servat.unibe.ch/dfr/vw039190.html). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Andrzej

Andrzej

31.3.2020, 10:54:02

Btw wurden die Powerpuff Girls durch die Chemikalie X erschaffen. Also Vorsicht! :D

ALE

Alex

17.7.2020, 17:01:05

Die

statthafte Klageart

richtet sich (natürlich) auch nach dem ggf. auslegungsbedürftigem Klagebegehren. Aber eben auch nach dem Klagegenstand. Dies wird hier, wie es scheint, übersehen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

18.7.2020, 07:14:32

Hallo Alex, sagst du uns, wo du das gefunden hast? Ich kenne nur die folgende Definition: "Die

statthafte Klageart

richtet sich nach dem Klagebegehren (, unter verständiger richterlicher Würdigung), §§ 88, 86 III VwGO.

ALE

Alex

18.7.2020, 07:26:25

Hallo Eigentum verpflichtet. Wir haben das in der Uni so beigebracht bekommen. Arg.: nur wenn man den richtigen Klagegenstand kennt (VA, schlichtes hoheitliches Handeln,....) kann auch die

statthafte Klageart

ausgewählt werden. Sonst wäre, wenn die Aufhebunz eines verwaltungsinternen Beschlusses begehrt wird ja (obwohl dies eindeutig keinen VA darstellt) die Anfechtungsklage statthaft.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

18.7.2020, 08:40:47

Hallo Alex, sehr interessant, habe ich noch nie so gehört. Das Problem an der Formel mit dem Klagegenstand ist, dass nach § 88 VwGO der Grundsatz "ne ultra petita" gilt. Das bedeutet, das Gericht darf dem Kläger gar nichts anderes zusprechen, als dieser beantragt. Bleiben wir bei deinem Beispiel, der Kläger wendet sich gegen ein verealtungsinternes Vorgehen.

Statthafte Klageart

wäre als mangels VA, eine Allgemeine Leistungsklage oder eine

Feststellungsklage

. Der Kläger weigert sich aber partout von seiner Ansicht, das angegriffene Vorgehen sei ein VA, abzurücken.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

18.7.2020, 08:47:45

Er erhebt eine Anfechtungsklage und ändert diese auch auf ein richterliches Vorbringen nicht ab. Dann muss der Richter die Klage abweisen, weil er den objektiven Klagegenstand nicht an die Stelle des subjektiven Klagebegehrens setzen darf (§ 88 VwGO). Er darf nur darauf hinwirken, dass der Kläger seinen Antrag umstellt, wenn dieser es nicht tut, dann wird aus der Anfechtungsklage keine Leistungs- oder

Feststellungsklage

. Also wenn ihr das an der Uni so lernt, dann kannst du es dort natürlich so schreiben. Ich persönlich würde es aber im Examen aus der obigen Erwägung nicht tun.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

18.7.2020, 13:05:44

Unabhängig davon nehmen wir deinen Kommentar aber gerne zum Anlass, noch mehr Aufgaben zur Auslegung des Klagebegehrens und zum Umfang der richterlichen Hinweispflicht hinzufügen. ;)

ALE

Alex

18.7.2020, 13:09:39

Vielen Dank ! Kann durchaus sein, dass das so nicht richtig ist. Deine Erklärung gibt auch wirklich Sinn. Da war ich wohl etwas vorschnell:D Im Rep wird es uns derzeit auch so, wie ich es oben dargestellt habe, beigebracht. Da spreche ich das nächstes mal nichtmal an. Viele Dank euch! Das ist ein tolles Format:)

Simon

Simon

23.7.2024, 22:32:53

Ich bin mir nicht sicher, ob hier tatsächlich ein VA vorliegt. Das in casu allein fragliche Merkmal des Einzelfalls sagt aus, dass sich ein VA auf einen konkreten Sachverhalt beziehen muss. Geht es ganz generell um die schädliche Wirkung eines Pestizids, fehlt mE dieser konkrete Sachverhalt. Ein weiteres Beispiel wäre das Verbot der Beschäftigung von Kindern nach § 5 I JArbSchG. Der Fall hier ist wohl dem sog. Endiviensalat-Fall (BVerwG, NJW 1961, 2077) nachgebildet. Dort ging es aber um einen konkreten Seuchenausbruch und damit um einen bestimmten Sachverhalt, nicht jedoch um ein zeitlich unbefristetes Verbot.

AS

as.mzkw

26.8.2024, 10:22:22

Dürfte wohl ein Fall der Allgemeinverfügung iSd § 35 S. 2 VwVfG sein.


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