+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A steht vor B und N. Er schlägt mit einem Hammer in deren Richtung. Dabei geht er davon aus, entweder B oder N zu treffen und zu verletzen. Dass er beide trifft, hält er nicht für möglich. Er trifft B am Kopf. N wird nicht getroffen. Bevor A erneut zuschlagen kann, wird er von Passanten überwältigt.
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Einordnung des Falls
Der Dolus Alternativus zeichnet sich dadurch aus, dass der Wille des Täters sich auf zwei gesetzliche Tatbestände bzw. Taterfolge bezieht, die sich wechselseitig ausschließen. Wie miteinander verbundene, sich gegenseitig ausschließende Erfolge bei verschiedenen Opfern zu behandeln sind, war bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Auch wenn der Täter es für ausgeschlossen halte, mehr als ein Delikt zu vollenden, schließe dies nicht den Vorsatz bezüglich beider Delikte, bzw. beiden Taterfolgen aus, so der BGH nun. Dies sei kein „Verstoß gegen Denkgesetze“. Beide Vorsätze könnten miteinander verbunden werden, solange sie nicht den sicheren Eintritt eines der Erfolge zum Gegenstand hätten.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat A den objektiven Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil von B verwirklicht (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB)?
Ja!
Der objektive Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB) setzt eine Körperverletzungshandlung also eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs voraus. A hat B körperlich misshandelt, indem er ihn mit dem Hammer schlug. Ein Werkzeug ist ein beweglicher Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung hinzugefügt werden kann. Es ist gefährlich, wenn es nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art der Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Der Hammer ist danach ein gefährliches Werkzeug.
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2. A könnte ferner der versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil von N strafbar sein. Ist der Versuch der gefährlichen Körperverletzung strafbar (§ 224 Abs. 2 StGB)?
Ja, in der Tat!
Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Die gefährliche Körperverletzung ist laut Gesetz strafbar (§ 224 Abs. 2 StGB). Der Versuch setzt voraus, dass der Täter mit Tatentschluss zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt. Er hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Tatbestand zu verwirklichen. Er setzt unmittelbar an, wenn er subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.
3. Hatte A Tatentschluss für eine versuchte gefährliche Körperverletzung zum Nachteil von N (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB)?
Ja!
A ging davon aus, entweder B oder N zu treffen. Nach e.A. kann im Fall des Alternativvorsatzes nur einer der beiden Vorsätze zugerechnet werden, weil der Täter es ausschließt, mehr als ein Delikt zu vollenden. Nach der h.Lit. werden beide Vorsätze (einmal Vollendung, einmal Versuch) tateinheitlich verwirklicht. Wertungsprobleme werden auf Konkurrenzebene gelöst. BGH: Der h.Lit. ist zu folgen. Für die Annahme nur eines zurechenbaren Vorsatzes besteht kein Grund. Vorsätze, die auf sich gegenseitig ausschließende Erfolge gerichtet sind, können miteinander verbunden werden, solange sie - wie hier - nicht den sicheren Eintritt eines der Erfolge zum Gegenstand haben (RdNr. 8-11).
4. Hat A sich wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von N strafbar gemacht (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB)?
Genau, so ist das!
BGH: A handelte mit zwei - ihm zurechenbaren - bedingten Körperverletzungsvorsätzen (Rdnr. 9). Der bedingte Körperverletzungs
vorsatz beinhaltet auch den Tatentschluss, sofern die Tat nicht vollendet werden kann. A hat zur Tat unmittelbar angesetzt, indem er den Hammer in die Richtung von B und N bewegte. Ein Rücktritt scheidet aus, da die Tat insoweit fehlgeschlagen ist. Er hat sich daher auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von N strafbar gemacht.
5. Konsumiert die gefährliche Körperverletzung den Versuch auf Konkurrenzebene im Wege der Gesetzeseinheit?
Nein, das trifft nicht zu!
Ein Tatbestand wird konsumiert, wenn nicht durch den abstrakten Vergleich der Tatbestände (Spezialität oder Subsidiarität), sondern durch die konkreten Umstände des Einzelfalls festgestellt wird, dass die Verurteilung wegen der „Haupttat“ den Unwert des Gesamtgeschehens erschöpfend ausdrückt.BGH: Jedenfalls dann, wenn sich der Alternativvorsatz des Täters auf höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger richtet und einer der erwarteten Erfolge eintritt, wird kein Delikt konsumiert. Denn andernfalls wäre eine erschöpfende Erfassung des verwirklichten Tatunrechts zum Nachteil aller Geschädigten im Schuldspruch nicht sichergestellt. Der Klarstellungsfunktion des Urteils würde nicht vollständig Rechnung getragen (RdNr. 12, 13). 6. Stehen die gefährliche Körperverletzung und die versuchte gefährliche Körperverletzung zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB)?
Ja!
Tateinheit liegt vor, wenn eine Handlung mehrere Gesetze verletzt, die gleichzeitig anwendbar sind. A hat durch eine Handlung zwei Gesetze verletzt. BGH: Es liegt Tateinheit vor, denn A hat hier sowohl die zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit des N als auch des B aufgestellten Verhaltensnormen verletzt und in Bezug auf beide ein Delikt verwirklicht bzw. unmittelbar dazu angesetzt. Obgleich A hier davon ausgegangen ist, dass allenfalls ein tatbestandsmäßiger Erfolg eintreten wird, hat er damit eine größere Tatschuld auf sich geladen als derjenige, der nur einen einfachen Vorsatz aufweist. Dieser Schuldgehalt wird erst mit der tateinheitlichen Verurteilung auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung erschöpfend abgebildet und klargestellt (RdNr. 13, 14). 7. handelte A vorsätzlich hinsichtlich einer gefährlichen Körperverletzung von B?
Ja!
Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Dafür reicht es aus, wenn er die Verwirklichung für möglich hält und den Erfolgseintritt billigend in Kauf nimmt (dolus eventualis). A stellte sich vor, entweder B oder N zu treffen. Er ging aber nicht davon aus, beide treffen zu können (Alternativvorsatz). Der Schlag auf Bs Kopf war somit von seinem Vorsatz gedeckt.
Abzugrenzen ist der Alternativvorsatz von dem Kumulativvorsatz, bei dem sich der Täter vorstellt, beide Handlungen könnten nebeneinander verwirklicht werden.