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Neues aus den Konkurrenzen: Einbruchsdiebstahl und Sachbeschädigung

Neues aus den Konkurrenzen: Einbruchsdiebstahl und Sachbeschädigung

13. Juni 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: O sieht, dass in ihr Haus eingebrochen wurde. Das Fenster ist beschädigt, der Schmuck auf ihrer Schmuckschatulle fehlt.
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Klassisches Klausurproblem

T möchte im privat genutzten Haus der O Wertgegenstände entwenden. Zum Betreten des Hauses hebelt er ein Fenster auf, wodurch ein Sachschaden in Höhe von €7.400 entsteht. Anschließend nimmt er O's Schmuck im Wert von €2.000 mit und macht sich aus dem Staub.

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Einordnung des Falls

In diesem Beschluss verabschiedet sich der BGH nun von der Auffassung, dass die Sachbeschädigung im Wege der Gesetzeskonkurrenz (hier Konsumtion) als üblicherweise mitverwirklichte Straftat, deren Unrechtsgehalt vom Wohnungseinbruchsdiebstahl mit umfasst ist, zurücktritt. Eine Einbruchstat gehe nicht typischerweise mit einer Sachbeschädigung einher. Auch erschöpft sich nicht das Unrecht einer Sachbeschädigung in einer Verurteilung wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls. Die geschützten Rechtsgüter und Rechtsgutsträger sind häufig nicht identisch. Beide Taten stünden vielmehr in Tateinheit zueinander.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat sich T wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) und Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) strafbar gemacht, indem er durch Aufhebeln des Fensters in das Haus der O eingedrungen ist und ihren Schmuck eingesteckt hat?

Ja!

T hat das Grunddelikt des § 242 Abs. 1 StGB verwirklicht. Bei dem Haus der O handelt es sich um einen Raum, der Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dient und mithin um eine Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Indem O zum Betreten ein Fenster aufgehebelt hat, hat er eine Umschließung durch gewaltsame Beseitigung eines entgegenstehenden Hindernisses aufgehoben und ist damit eingebrochen (entsprechend der Tathandlung des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB). Da es sich um ein privat genutztes Haus handelt, ist auch die Qualifikation des § 244 Abs. 4 StGB erfüllt. Indem T das Fenster der O aufgehebelt hat, hat er es zumindest beschädigt (§ 303 Abs. 1 StGB). T ist in das Haus der O auch eingedrungen (§ 123 StGB).
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2. Stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Straftaten zueinander stehen (Konkurrenzen), wenn der Täter mehrere Straftaten begeht?

Genau, so ist das!

Das Verhältnis der Straftaten zueinander ist von Bedeutung für die Bestimmung der Höhe der jeweiligen Rechtsfolgen. Eine bloße Addition der jeweiligen, sich aus den verwirklichten Straftatbeständen ergebenden Rechtsfolgen kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da sie das Maß der Schuld des Täters übersteigen würde. Das Gesetz regelt das Aufeinandertreffen von Rechtsfolgen in den §§ 52–55 StGB. Demnach ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Bestimmung der Strafe die Unterscheidung zwischen Handlungseinheit und Handlungsmehrheit. In einem ersten Schritt ist also zu prüfen, wie viele Handlungen des Täters vorliegen.

3. Spricht man von Handlungseinheit, wenn eine Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt?

Ja, in der Tat!

Handlungseinheit liegt vor bei der (1) Handlung im natürlichen Sinne und der (2) Handlung im juristischen Sinne. (1) liegt vor, wenn eine einzige auf einem Willensentschluss beruhende Körperbewegung gegeben ist. Von (2) spricht man, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne im Wege wertender Betrachtung zu einer Handlung im juristischen Sinne zusammengefasst werden (natürliche Handlungseinheit). Dies setzt voraus, dass mehrere gleichartige Verhaltensweisen auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhen und räumlich und zeitlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie bei natürlicher Betrachtung als einheitliches Tun erscheinen. Ist Handlungseinheit zu verneinen, liegt Handlungsmehrheit vor (mehrere selbstständige Handlungen verletzen mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals).

4. Stellt das Verhalten des T (Beschädigen des Fensters und Wegnehmen des Schmucks) eine Handlung im natürlichen Sinne dar?

Nein!

Eine Handlung im natürlichen Sinne liegt vor, wenn eine einzige auf einem Willensentschluss beruhende Körperbewegung gegeben ist. Bsp.: T tötet den O vorsätzlich, indem er das Haus, in dem O schläft, in Brand steckt. Hier wurden der Mord und die Brandstiftung durch eine Handlung im natürlichen Sinne (Anzünden des Hauses) begangen (§§ 211, 306 c, 52 StGB). Das Beschädigen des Fensters und das Wegnehmen des Schmucks durch T stellen sich indes als mehrere natürliche Handlungen dar.

5. Stellt das Verhalten des T (Beschädigen des Fensters und Wegnehmen des Schmucks) eine Handlung im juristischen Sinne dar?

Genau, so ist das!

Handlungseinheit in Form einer Handlung im juristischen Sinne setzt voraus, dass mehrere gleichartige Verhaltensweisen auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhen und räumlich und zeitlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie bei natürlicher Betrachtung als einheitliches Tun erscheinen. Durch Beschädigen des Fensters konnte T erst in das Haus und an den Schmuck gelangen. Bei natürlicher Betrachtung liegt ein einheitliches Tun und somit Handlungseinheit vor.

6. Handlungseinheit führt grundsätzlich zur Idealkonkurrenz (Tateinheit, § 52 StGB). Führt sie ausnahmsweise jedoch nicht zur Tateinheit, wenn eine Gesetzeskonkurrenz vorliegt?

Ja, in der Tat!

Gesetzeskonkurrenz (auch Gesetzeseinheit genannt) liegt vor, wenn ein Delikt hinter ein anderes zurücktritt, weil der Unrechtsgehalt bereits im anderen enthalten ist. Bei der Handlungseinheit gilt dies in den Fallgruppen (1) Spezialität, (2) Subsidiarität und (3) Konsumtion.

7. Liegt Spezialität vor, wenn ein Tatbestand begriffsnotwendig alle Merkmale eines anderen Tatbestandes und darüber hinaus noch weitere Merkmale enthält, so dass die Verwirklichung des spezielleren Delikts zwangsläufig auch die Verwirklichung des allgemeinen Tatbestandes nach sich zieht?

Ja!

Beispiel: Verwirklicht der Täter den § 249 StGB, verdrängt dieser als spezielleres Delikt die §§ 242, 240 StGB. In der Klausur sollte mit dem verdrängenden Delikt begonnen werden, also mit § 249 StGB vor §§ 242, 240 StGB. Sind diese Delikte verwirklicht, kann im Anschluss an die Prüfung festgestellt werden, dass „die ebenfalls mitverwirklichten §§…“ in Gesetzeskonkurrenz zurücktreten. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt jedoch nicht denknotwendig die Begehung einer Sachbeschädigung voraus.

8. Subsidiarität liegt vor, wenn eine Strafvorschrift nur hilfsweise anwendbar ist.Kommt ihre Anwendung nur dann in Betracht, wenn eine andere Norm nicht einschlägig ist?

Genau, so ist das!

Die Subsidiarität ist teilweise ausdrücklich geregelt (sog. formelle Subsidiarität), z.B. in den §§ 246, 248b, 265a StGB und § 316 StGB, teilweise wird sie durch Auslegung angenommen. Beispiel: Verwirklicht der Täter durch eine Handlung den § 242 StGB und den § 246 StGB, tritt die Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 a.E. StGB als formell subsidiär zurück. Ein ausdrückliches oder durch Auslegung feststellbares Subsidiaritätsverhältnis des § 303 StGB zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB liegt nicht vor.

9. Liegt Konsumtion vor, wenn bei Verwirklichung eines bestimmten Strafgesetzes typischerweise, wenn auch nicht notwendigerweise andere Strafgesetze mitverwirklicht werden, deren Unrechtsgehalt mit der Bestrafung aus dem vorrangigen Gesetz abgegolten ist?

Ja, in der Tat!

In Abgrenzung zur Spezialität und Subsidiarität werden hier zumeist auch Normen in die Betrachtung miteinbezogen, die unterschiedliche Rechtsgüter schützen. Beispiel: Beim Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) wird typischerweise auch der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) verwirklicht, so dass dieser von § 244 StGB konsumiert wird und zurücktritt.

10. Ist in einer zweistufigen Prüfung festzustellen, ob vorliegend § 303 Abs. 1 StGB von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB konsumiert wird?

Ja!

Die Prüfung der Konsumtion als wertendes Verhältnis erfolgt zweistufig: Zunächst ist (1) festzustellen, ob die Sachbeschädigung in ihrer konkreten Form allgemein „typisch“ für einen Einbruchdiebstahl ist (abstrakte Typizität). Ist dies zu bejahen, ist (2) zu prüfen, ob die konkrete Sachbeschädigung in ihrem spezifischen Unrechtsgehalt aus dem konkreten Einbruchtatgeschehen heraussticht.

11. Tritt nach Ansicht des BGH § 303 Abs. 1 StGB im Wege der Konsumtion hinter § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zurück?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ursprünglich nahmen Rspr. und Lit. an, § 303 Abs. 1 StGB werde regelmäßig als typische Begleittat des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB konsumiert. 2001 entschied sich der BGH in einem obiter dictum für ein Nebeneinander, d.h. Tateinheit von §§ 243, 303 StGB. Die dort genannten Argumente führt er nun für § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB weiter aus, der fortan immer in Tateinheit mit § 303 StGB stehen solle. (1) Die Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB gehe nicht typischerweise mit § 303 StGB einher, was sich insbesondere an den Tatmodalitäten "einsteigen" und "sich verborgen halten" zeige. (2) Im Falle eines Auseinanderfallens der Träger der geschädigten Rechtsgüter (z.B. Einbruchdiebstähle in Mietwohnungen) könne eine Verurteilung nur wegen Diebstahls das Unrecht des Geschehens nicht vollständig erfassen. (3) Ausnahmen für Einzelfälle zu machen, sei vor dem Hintergrund von Rechtssicherheit und -klarheit bedenklich.

12. Nach Teilen der Literatur soll § 303 Abs. 1 StGB grundsätzlich im Wege der Konsumtion hinter § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zurücktreten. Werden Ausnahmen anerkannt?

Ja, in der Tat!

Konsumtion erfordere gerade keine zwingende, sondern nur typische Mitverwirklichung eines anderen Deliktes. Das typische Erscheinungsbild des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB gehe mit § 303 StGB einher, der grundsätzlich konsumiert werde. Nur wenn bei konkreter Einzelfallbetrachtung die Sachbeschädigung nicht vollständig im Unrechtsgehalt des Einbruchsdiebstahls aufgehe und nicht mehr als typische Begleittat erscheine, solle eine Ausnahme gelten. Dies sei bspw. dann zu bejahen, wenn die Rechtsgutsträger verschieden sind, der Wert des bei der Sachbeschädigung entstandenen Schadens wesentlich höher ist als der des Diebstahls oder der Diebstahl nur versucht, die Sachbeschädigung aber vollendet sei. Da vorliegend der Schaden im Rahmen des § 303 StGB erheblich höher ist, würde die Ansicht hier wie der BGH Konsumtion ablehnen und Tateinheit (§ 52 StGB) annehmen. Laut BGH ist ein wirtschaftlicher Vergleich indes nicht angebracht, da weder Diebstahl, noch Sachbeschädigung einen wirtschaftlichen Vermögensverlust voraussetzen.

13. Stehen § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB und § 303 Abs. 1 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander?

Ja!

Die Strafe wird nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf aber nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze (sog. Absorptionsprinzip, § 52 Abs. 2 StGB). Die zukünftig ausnahmslose Annahme von Tateinheit (§ 52 StGB) zwischen § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB und § 303 Abs. 1 StGB führt in der Praxis zur Änderung des Urteilstenors. Dessen Grundlage stellen die in Tateinheit stehenden und den Unrechtsgehalt der Tat nur gemeinsam abbildenden Delikte dar (§ 260 Abs. 4 S. 1, 2 StPO). Im Sinne einer Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs soll sichergestellt werden, dass dem Volk (in dessen Namen das Urteil letztlich gesprochen wird) das vom Täter begangene Unrecht deutlich wird. Ansonsten ergeben sich für den Täter durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses keine praktischen Nachteile: Bei Tateinheit können die daneben verwirklichten Delikte strafschärfend berücksichtigt werden. Dies gilt nach der Rspr. allerdings auch für zurückgetretene Delikte.

14. Tritt § 123 StGB im Wege der Konsumtion hinter § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zurück?

Ja!

Der Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1 StGB) ist allgemein „typisch“ für einen Einbruchdiebstahl ist und sticht vorliegend auch nicht in seinem spezifischen Unrechtsgehalt aus dem konkreten Einbruchtatgeschehen heraus.Im Hinblick auf das Verhältnis von § 123 StGB zu § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat sich durch das Urteil des BGH somit nichts geändert. Der Hausfriedensbruch wird konsumiert. Im Ergebnis ist T somit wegen Wohnungseinsbruchsdiebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu verurteilen (§§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4, 303 Abs. 1, 52 Abs. 1 StGB).
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