Zufahren auf Menschen, um sie zum Ausweichen zu bewegen
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T fährt mit hoher Geschwindigkeit auf seine verhasste Nachbarin, die 80-jährige O, zu, damit diese sich von der Straße bewegt. O kann sich nur mit einem Sprung in eine Hecke vor dem drohenden Aufprall schützen.
Einordnung des Falls
Zufahren auf Menschen, um sie zum Ausweichen zu bewegen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T mit hoher Geschwindigkeit auf O zufährt, hat er "Gewalt" ausgeübt (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
2. T hat O zu einer Handlung genötigt (§ 240 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
3. T hat gerade mit der eingesetzten Gewalt die Handlung der O kausal und objektiv zurechenbar herbeigeführt (nötigungsspezifischer Zusammenhang).
Ja!
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jomolino
1.10.2021, 17:24:44
Wieso ist das hier gerade körperliche Gewalt (es ist ja nicht mal zu einer Berührung gekommen) und nicht einfach körperlich empfundene Gewalt nach dem eingeschränkten vergeistigten Gewaltbegriff?
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
1.10.2021, 18:19:40
Hallo nomamo, die Konturen des Gewaltbegriffes sind leider trotz unzähliger Entscheidungen nach wie vor etwas schwammig. Der Anwendung eines vergeistigten Gewaltbegriffes steht insbesondere das Bestimmtheitsgebot entgegen (Art. 103 Abs. 2 GG). Im Falle des Zufahrens eines PKW auf einen Fußgänger entspricht es indes der ständigen Rechtsprechung hierin bereits den Einsatz körperlicher Gewalt zu sehen, weswegen man dieses Konfliktfeld umgeht. Das OLG Hamm hat das einmal wie folgt ganz schön formuliert (NJW 1973, 1240): "Wer insbesondere mit einem Kraftfahrzeug auf Polizeibeamte, die sich ihm befugt in den Weg stellen, um ihn anzuhalten, direkt zufährt und auf diese Weise gegen sie mit der motorischen Kraft und der Masse seines Wagens eine Tätigkeit entfaltet, die bestimmt und geeignet ist, die Beamten am Anhalten des Fahrzeuges zu hindern, bedroht die Beamten nichtnur mit Gewalt, sondern gebraucht bereits unmittlbar Gewalt. Denn für denjenigen, der ein Fahrzeug räumlich und zeitlich nahe direkt auf sich zukommen sieht, stellt sich diese Situation nicht als das Inaussichtstellens einer erst zukünftigen Gewaltausübung durch den Führer eines Fahrzeuges dar, sondern als unmittelbarer körperlicher Zwang durch Masse, motorische Kraft und Geschwindigkeit des Fahrzeugs, dessen Gewicht und Wucht eingesetzt wird, um die so angegriffene Person zu veranlassen, dem Fahrzeug auszuweichen. Dass die physische Kraft, die der Angeklagte in dieser Weise gegen den zeugen in Bewegung setzte nicht absolut wirkte, weil sie die Fähigkeit des Beamten zur Willensbetättigung nicht völlig ausschloss, ist unerherblich. Es genügte, dass sich der Zeuge genötigt sah, der Gewalt des Kraftwagens zu weichen." Insofern befindet man sich in guter Gesellschaft, sofern man in diesen Fällen auch ohne konkreten Kontakt eine physisch wirkende Gewaltanwendung annimmt. Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bertolo
27.5.2023, 21:51:28
Liege ich richtig in der Annahme, dass vor der einschlägigen Nötigung nach § 240 I, der § 315b I Nr. 3 durch den Verkehrsfremden Inneneingriff geprüft und auch bejaht werden muss?