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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

L liefert M unter Eigentumsvorbehalt antike Steine (Wert: € 250). Es wird vereinbart, dass M die Steine bis zur Kaufpreiszahlung nicht veräußern darf. E, der von dem Verbot weiß, beauftragt M dennoch, aus den Steinen eine Mauer auf seinem (Es) Grundstück zu errichten, was M tut.

Einordnung des Falls

Abwandlung: Eigentümer bösgläubig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann L von E Herausgabe der Steine (§ 985 BGB) verlangen, nachdem mit ihnen die Mauer errichtet wurde?

Nein!

Der Herausgabeanspruch setzt voraus, dass L noch Eigentümerin der Steine ist. Hier kommt aber ein Eigentumsverlust nach § 946 BGB in Betracht. Dieser setzt voraus, dass eine bewegliche Sache mit einem Grundstück dergestalt verbunden wird, dass sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird. Wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks ist alles, was mit dem Grund und Boden fest verbunden wurde (§ 94 Abs. 1 BGB).Durch das Errichten der Mauer wurden die Steine fest mit dem Grund und Boden des Grundstücks des E verbunden. Damit sind die Steine wesentlicher Bestandteil des Grundstücks von E. E erwirbt somit nach § 946 BGB Eigentum an den Steinen. Es Bösgläubigkeit spielt keine Rolle.

2. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Wertersatz nach §§ 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB sind im Mehrpersonenverhältnis streitig.

Genau, so ist das!

In einem Mehrpersonenverhältnis, in dem zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner keine Leistungsbeziehung besteht, ist zwischen Rechtsprechung und Literatur umstritten, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Wertersatz nach §§ 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 812 I 1 Alt. 2 BGB besteht. Die herrschende Literatur stellt darauf ab, ob ein gutgläubiger Erwerb des Anspruchsgegners (hier also E) möglich gewesen wäre. Die Rechtsprechung lässt den Anspruch hingegen nur zu, wenn es keine vorrangige Leistungsbeziehungen zwischen den Beteiligten gibt.

3. Besteht zwischen L und M eine Leistungsbeziehung?

Ja, in der Tat!

Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.L liefert die Steine an M zur Erfüllung des zwischen ihnen bestehenden Kaufvertrags hinsichtlich der Steine. Zwar ist der Kaufpreis noch nicht entrichtet und somit das Eigentum nicht auch M übergegangen. Auch durch die bloße Besitzverschaffung mehrt L aber das Vermögen des M. Dies tut er bewusst und zweckgerichtet.

4. Besteht zwischen M und E eine Leistungsbeziehung?

Ja!

Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.M baut die Mauer auf Es Grundstück, um seiner vertraglichen Pflicht aus dem Werkvertrag nachzukommen und mehrt so bewusst und zweckgerichtet das Vermögend es E.Auch wenn keine rechtsgeschäftliche Übertragung der Steine stattgefunden hat, so basiert der gesetzliche Eigentumserwerb des E nach h.M. letztlich auf einer Leistung des M in Form des Einbaus.

5. Nach der h.L. steht L gegenüber E ein Entschädigungsanspruch zu (§§ 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Die h.L. lässt einen Anspruch nach §§ 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB trotz bestehender Leistungsbeziehungen zu, wenn ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich gewesen wäre. Dies wird insbesondere damit begründet, dass ansonsten ein bösgläubiger Erwerber im Rahmen der §§ 946ff. BGB begünstigt würde.E wusste, dass M nicht Eigentümer der Steine ist, sondern diese nur unter Eigentumsvorbehalt erworben hat. Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB wäre daher an der Bösgläubigkeit des E gescheitert. Ein Rechtsgrund für Es Eigentumserwerb gegenüber L ist nicht ersichtlich.

6. Auch nach Ansicht des BGH wäre die Nichtleistungskondiktion hier unproblematisch anwendbar.

Nein, das trifft nicht zu!

Der BGH wendet in den Drei-Personen-Verhältnissen den Grundsatz der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion an. Demnach soll die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch nach § 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB besteht, grundsätzlich davon abhängen, ob es vorrangige Leistungsbeziehungen gibt.Zwischen L und E besteht keine Leistungsbeziehung, weshalb lediglich eine Eingriffskondiktion in Betracht kommt. Allerdings würden die bestehenden Leistungsbeziehungen zwischen L und M und M und E nach Ansicht des BGH grundsätzlich die Anwendbarkeit der Nichtleistungskondiktion sperren. L müsste sich vielmehr an seinen Vertragspartner M halten.

7. Nach neuerer Rechtsprechung kommt u.U. eine Ausnahme in Betracht, wenn der Erwerber bösgläubig ist.

Ja!

In einer neueren Entscheidung hat der BGH offengelassen, ob seine grundlegenden Ausführungen auch gelten, wenn der Erwerber bösgläubig ist (BGH, NJW-RR 1991, 343, 345). Dies wird teilweise als Annäherung an die Literaturmeinung interpretiert. Allerdings hat sich der BGH zu der Frage gerade nicht eindeutig geäußert, weshalb man die ältere Rechtsprechung zumindest weiterhin kennen und in der Klausur wiedergeben können sollte.

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EVA

evanici

15.9.2023, 16:50:26

Wieso kommt § 138 hier nicht in Betracht hinsichtlich des Vertrags zwischen M und E?

Paulah

Paulah

15.9.2023, 17:56:11

Wie würdest du die Sittenwidrigkeit begründen wollen?

LELEE

Leo Lee

16.9.2023, 13:30:49

Hallo evanici, in der Tat könnte man argumentieren, dass das Verrichten des Werks (Mauer) unter Verstoß gegen das Veräußerungsverbot zw. L und M sittenwidrig sei. Beachte jedoch, dass die gesetzlichen Eigentumserwerbstatbestände immer gelten (zwecks Rechtssicherheit), ungeachtet dessen, ob die Sache abhanden gekommen oder der Eigentümer busgläubig war. Diese Vorschriften sind insoweit "wertungsfrei" und können "nur" über den Verweis in § 951 BGB auf die Bereicherungsvorschriften gelöst werden (weshalb es auch den Streit gibt bzgl. der Voraussetzungen zw. der Lit. und der Rpsr.). Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage Füller § 946 Rn. 10 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

CR7

CR7

19.1.2024, 10:07:31

@evanici Ich fande deinen Gedanken interessant und habe das mal durchdacht. In der Klausur würde ich das jedenfalls auch ansprechen, aber dann würde mir die Korrektur "Typenzwang" dahinter schreiben, weil wie Leo Lee schon sagte, Rechtssicherheit vorgeht. Aber es dürfte Punkte geben, wenn du es anprüfst.

VALA

Vanilla Latte

4.10.2023, 22:52:48

Also hätte nach de BGH L gegenüber E überhaupt keine Ansprüche in dem Fall?

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 15:04:33

Hallo Vanilla Latte, die Antwort dazu ist nicht völlig eindeutig, jedoch tendiert sie eher dazu, dass nach wie vor keinerlei Ansprüche bestehen. In der neueren Entscheidung aus 1991 erwähnt der BGH lediglich die Literaturmeinung, um sodann die Frage offen zu lassen, da ohnehin keine Bösgläubigkeit vorlag (BGH Urt. v. 09.07.1990, Az.: II ZR 10/90, Rn. 16). Somit bleibt festzuhalten, dass dieser Streit immer noch – auch im Falle der Bösgläubigkeit – weiterhin geführt werden muss. Beachte i.Ü., dass dieser Ansatz des BGHs (also auch bei Bösgläubigkeit) weiterhin auf Kritik in der Literatur stößt. Hierzu kann ich etwa die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Füller § 951 Rn. 21 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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